1. September 2018, 08:00

Das Geschäft mit der Regionalität

Wie tief muss man für regionale Lebensmittel tatsächlich in die Tasche greifen? Dieser Frage ist unsere Redaktion im Titelthema des aktuellen blättle nachgegangen.
Landkreis - Wir haben im Dorfladen, im Supermarkt und im Lebensmitteldiscounter eingekauft, Preise verglichen und Herstellerangaben ganz genau unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Der Einkauf im Dorfladen kann preislich mit dem im Supermarkt locker mithalten und Produkte beim Discounter sind zwar mit Abstand am günstigsten, Angaben zur Regionalität sind dort aber oft ungenau und verwirrend.

Im Dorfladen

Der erste Weg führt uns in den Oberndorfer Dorfladen, der erst Anfang dieses Jahres eröffnet hat. In der Gemüseabteilung müssen wir nicht lange nach regionalen Produkten suchen: die Bio-Paprika stammt von einem Hof direkt aus Oberndorf, Kartoffeln werden von einem Mertinger Bauern geliefert, die Bio-Gurke kommt aus Kaisheim. Frische Milch aus einem Betrieb in Feldheim zapfen wir am Automaten. Direkt daneben finden wir Eier von einem Oberndorfer Biohof. Spätzle und Nudeln werden in Nördlingen produziert. Schinken und Brot kaufen wir beim Bäcker aus Mertingen und beim Metzger aus Rain, welche den Dorfladen beliefern. Die Flasche Apfelsaft aus regionalem Streuobst ist von einer Kelterei in Ehekirchen zwischen Rain und Pöttmes. Nur Butter finden wir keine, die direkt aus unserer Region stammt. Mit einer Biobutter aus Andechs geben wir uns aber trotzdem zufrieden. Insgesamt geben wir im Dorfladen 25,41 Euro aus.
Fazit: Die Herkunft aller Produkte war jeweils gut gekennzeichnet. Viele Produkte konnten wir lose oder in Papierverpackung kaufen. Die Milch konnten wir in eine Mehrwegflasche aus Glas füllen, so sparen wir Verpackungsmüll aus Plastik. Dass wir hier im Dorfladen in Sachen regionaler Produkte fündig werden, haben wir erwartet. Dass fast alle Produkte aus dem Umkreis stammen, viele Bio-Qualität aufweisen und sich der Gesamtpreis unseres Einkaufs nur im Cent-Bereich von dem späteren Einkauf im Supermarkt unterscheidet, hat uns dagegen überrascht.

Im Supermarkt

Mit unserem Einkaufszettel machen wir uns als nächstes auf zu einem Supermarkt im Lechgebiet. Auch hier beginnen wir in der Gemüseabteilung und sind beim Griff zum Sack Kartoffeln gleich etwas irritiert. Auf dem Preisschild wird das Herkunftsland Ägypten genannt, auf der blau karierten Verpackung wird allerdings mit dem Schriftzug „mein Bayern“ geworben. Abgepackt wurde laut Aufschrift wohl in Garching. Als eine Verkäuferin unsere Frage nach Kartoffeln aus Deutschland verneint, sind wir etwas ratlos. Woher die Kartoffeln im Einkaufswagen nun stammen, ob das Preisschild falsch war oder die Verkäuferin sich geirrt hatte, wissen wir nicht. Auch die Auswahl der Bio-Gurke wirft Fragen auf. Auf dem Preisschild steht als Herkunft „Spanien“, ein kleiner Aufkleber auf dem Gemüse deutet jedoch auf die Bodensee-Insel Reichenau hin. Die Bio-Paprika im Supermarkt wird lediglich mit „aus Deutschland“ ausgezeichnet. Außerdem packen wir Mehl aus Reisgang bei Pfaffenhofen an der Ilm, Spätzle aus Mengen im Allgäu, Nudeln aus Thalmässing im Altmühltal und Brot aus Garching bei München ein. Ob die Zutaten der Produkte von dort stammen, die Produkte dort hergestellt oder lediglich abgepackt wurden, lässt sich von den Verpackungen nicht immer ganz deutlich ablesen. Bei der Metzgerei bekommen wir Schinken aus Geiselhöring, im Kühlregal Butter aus Kimratshofen und Milch aus Erding. Anschließend packen wir Apfelsaft, hergestellt in Erding, ein. Nur die Eier sind laut Verpackung tatsächlich aus der Region und stammen von einem Bauernhof in Holzheim. An der Kasse müssen wir für unseren vollen Einkaufswagen 25,18 Euro bezahlen.
Fazit: Nicht bei allen Produkten war klar, woher sie stammen. Viele Lebensmittel werden zwar in Bayern hergestellt, aus dem näheren Umkreis stammen aber lediglich die Eier. Abgepackt sind die Produkte zum Teil in Plastik, zum Teil in Papier oder in Glasflaschen. Der Gesamtpreis im Vergleich zum Einkauf im Dorfladen erstaunte uns. Für den nahezu gleichen Preis bekamen wir nämlich im Dorfladen Produkte, die tatsächlich aus der Region stammen und zudem teilweise biologisch angebaut wurden.

Im Discounter

Zuletzt machen wir uns auf dem Weg zu einem Discounter in der Nähe. Auch hier starten wir unseren Einkauf an der Gemüseauslage. Die Kartoffeln stammen laut Auszeichnung aus Deutschland, die Gurke aus Nürnberg und bei der Paprika ist kein Herkunftsort vermerkt. Beim Laib Brot von der Selbstbedienungstheke können wir auf den ersten Blick ebenfalls keine Rückschlüsse auf die Herkunft ziehen. An der Kühltheke greifen wir zu Schinken aus Thannhausen sowie zu Milch und Butter der Discounter-Eigenmarke aus einer Molkerei in Schwarzenfeld in der Oberpfalz. Stutzig machen uns Milch und Butter die nebenan im Regal stehen. Beide Produkte stecken zwar in blau-weiß karierter Verpackung mit den Slogans „Ein gutes Stück Bayern“ sowie „original regional“, stammen jedoch laut Aufdruck aus der gleichen Molkerei wie die viel billigeren Produkte. Der Liter Milch in der „bayerischen“ Verpackung ist um 10 Cent teurer. Bei 250 Gramm Butter gibt es sogar einen Preisunterschied von 40 Cent. Unsere anschließende Recherche im Internet zeigt, dass es sich bei Beidem um Eigenmarken des Discounters handelt und diese in ein- und derselben oberpfälzischen Molkerei produziert werden. Laut Internetauftritt des Discounters stehe die teurere der beiden Eigenmarken für „Mehreinnahmen der teilnehmenden Milchbauern“, deren „wichtigstes Anliegen das Wohl der Tiere“ sowie „der Erhalt der bayerischen Kulturlandschaft“ sei. Die Produkte kommen laut Homepage nur von bayerischen Bauern und sind auch mit einem Siegel „Für mehr Tierschutz“ des deutschen Tierschutzbundes ausgezeichnet. Die billigere Milch und Butter sind zwar aus der gleichen Molkerei, von welchen Bauernhöfen die Milch stammt, ließ sich jedoch nicht herausfinden. Weiter geht unser Einkauf mit Eiern, die nicht aus Deutschland, sondern aus den Niederlanden stammen. Das Mehl scheint aus Hamburg zu kommen. Etwas regionaler geht es bei den Nudeln aus Mengen im Allgäu und Spätzle aus Willstätt in Baden-Württemberg zu. Der Apfelsaft der Discounter-Biomarke stammt aus Moers am Niederrhein. Der komplette Einkauf schlägt mit 16,02 Euro zu Buche und ist mit Abstand der günstigste.
Fazit: Kein Produkt war aus der näheren Umgebung, einige Produkte aus Bayern und Deutschland. Das war aber auf den Verpackungen und Preisschildern nicht sofort ersichtlich. Besonders irritierend war die Auswahl von Milch und Butter. Warum die einen Produkte teurer als die anderen sind und woher sie stammen, war erst durch unsere Internetrecherche deutlich zu machen. Fast alle Produkte sind in Plastikverpackungen verpackt und Bio-Produkte haben wir nur eines gekauft. Preislich ist der Discounter wie erwartet unschlagbar, ob den Milch- oder Viehbauern aber ein fairer Preis bezahlt wird, bleibt fraglich.