Denkmalpreis 2017-gesamt -
v. l. Denkmalpreisträger 2017 Wilhelm Hertle aus Harburg; Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert; Alfred Grözinger, 1. Bgm. Gemeinde Fellheim und Christian Herrmann, 1. Vorsitzender des Förderkreises Synagoge Fellheim; Dipl.-Ing. Wolfram Uhl, Vertreter der Eigner Bauunternehmung GmbH, Nördlingen; Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl. ( BildUlrike Knoefeldt-Trost)
Bild: DRA
Wiederholt gehen Auszeichnungen in den Landkreis Donau-Ries, in diesem Jahr an zwei rund 500-jährige Wohn- und Handelshäuser in Harburg (1. Preis) und Nördlingen (Sonderpreis). 
Landkreis - Historische Altstadtfeste, das Aufleben von Bräuchen, altem Handwerk oder das „wieder Tracht tragen“ erfreuen sich hierzulande großer Beliebtheit. Das neue Interesse an Heimat und Tradition fördert auch ein neues Bewusstsein für die langwierige, aber nachhaltige Arbeit der Denkmalpflege als einen unschätzbar wichtigen Dienst an der Allgemeinheit: „Denn Dorf- und Stadtbilder erhalten, heißt Heimat erhalten“, betont Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert zur Preisverleihung: „Zunehmend erscheint auch Vielen ein liebloser oder rein nach materiellem Nutzen ausgerichteter Umgang mit der historischen Substanz unserer gewachsenen Kulturlandschaften unverständlich. Dank des außerordentlichen Engagements tatkräftiger Bürger konnten für den Denkmalpreis 2017 wieder besondere Objekte aus unserer Region ausgezeichnet werden“, freut sich Reichert nach dem Bezirksbeschluss.
450-jähriges Wohn- und Handelshaus in Harburg 
Den Denkmalpreis 2017, dotiert mit 15.000 Euro, erhält der Eigentümer Wilhelm Hertle für seine denkmalpflegerische Sanierung und Umnutzung des Gebäudekomplexes Egelseestraße 4 in Harburg. Die besondere Qualität der Sanierung liegt im Erhalt sowie der Wiederverwendung historischer Bauteile und der Ergänzung im Material des Baus, so dass laut Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl ein einzigartiges Gesamtkunstwerk entstanden ist. Die bislang einzige bekannte Mikwe in einem Privathaus in Schwaben wurde wiederentdeckt. Insgesamt war das Gesamtgebäude äußerst gefährdet. Im Verlauf der Sanierung wurden rund 160 neue Balken und Kanthölzer eingebaut, Fundamente bis zu drei Metern Tiefe unterfangen, alte Eichenfenster restauriert. Die Sanierungskosten betrugen 1.361.284 Euro, die öffentlichen Zuschüsse 490.000 Euro.
Auszug a. d. Laudatio des Bezirksheimatpflegers Dr. Peter Fassl:
Bei dem Baudenkmal handelt es sich um ein bedeutendes Beispiel aus einer Reihe von ehemaligen jüdischen Wohn- und Handelshäusern, die nach dem Dreißigjährigen Krieg im Wohnviertel Egelsee gebaut wurden. Seit 1575 befand sich ein Anwesen an dieser Stelle. 1693 erwarb es der Hoffaktor Simon Oppenheimer, kaiserlicher Proviantjude, und errichtete bis 1702 einen Neubau. Vermutlich wurde bereits damals im Keller die Mikwe, das Ritualbad, eingebaut sowie unter dem Dach die sog. Laubhütte für die Begehung des gleichnamigen jüdischen Fests. In der Folgezeit wechselten sich jüdische Besitzer ab. Seit 1851 besaßen christliche Harburger Handwerker das Haus, seit 1861 wurde darin eine Schreinerei betrieben. Ab 1903 war sie im Besitz der Familie Hertle. 2006 übernahm Wilhelm Hertle den Familienbesitz, führte die aufgeteilten Eigentumsverhältnisse zusammen und begann mit der denkmalpflegerischen Sanierung des 20 Jahre unbewohnten Anwesens. Wilhelm Hertle, der dreißig Jahre vor Ort in der Schreinerwerkstatt tätig war, arbeitete etwa neun Jahre ganztags auf der Baustelle. Der gestaffelte Gebäudekomplex besteht aus drei Häusern mit einer Grundfläche von 28 x 10 m Außenmaß. Das ehemalige Wohnhaus liegt an der Egelseestraße. In der Teilunterkellerung entdeckte Herr Hertle bei den Renovierungsarbeiten eine Mikwe, die kulturgeschichtlich und baugeschichtlich bedeutsam ist, weil es sich um die bislang einzige bekannte Mikwe in einem Privathaus in Schwaben handelt. Auf das Wohnhaus folgte ein erdgeschossiger Zwischenbau, an den sich ein traufseitiges Werkstattgebäude mit Bootsanlege anschloss. Durch den langen Leerstand befand sich das Anwesen in einem bautechnisch schlechten Zustand: Neben anderen Schäden hingen der Dachstuhl des Werkstattgebäudes und die Türstürze durch, waren Balken und Sparrenköpfe der Geschossdecken und des Dachstuhls angefault, waren Kehlbalken aus den Zapflöchern gerutscht und wies das Bruchsteinmauerwerk starke Verformungen auf. Das Haus weist heute rund 800 qm Nutzfläche auf. Im ehemaligen Wohnhaus befinden sich sieben Gästezimmer und eine Wohnung, in der ehemaligen Werkstatt ein großer Gastraum mit 70 Plätzen sowie im ersten Stock darüber ein separater Tagungsraum. Im oberen Stockwerk wurde das Fachwerk freigelegt und eine Wandheizung, in Lehm eingepackt, installiert. Die Heizung wird umweltfreundlich mit Wasser aus der hauseigenen Quelle und Grundwasser mittels einer Wärmepumpe betrieben. Das Holz blieb chemisch unbehandelt. Die alten 5 bis 6 cm starken Solnhofener Platten im Hausflur wurden aus- und wieder eingebaut. Der Umbau erfolgte behindertengerecht mit einer Behindertentoilette. Alles, was aus dem alten Bestand noch brauchbar war, wurde wieder verwendet, auch Fenster, Türen und Kleinteile wie geschmiedete Nägel und Bänder. Die 300 Jahre alten gedrechselten Eichensäulen, die den Mittelbau tragen, stehen noch.“
500-jähriges Wohn- und Geschäftshaus in Nördlingen 
Einen Denkmalsonderpreis dotiert mit 7.500 Euro erhält der Eigentümer Eigner Bauunternehmung GmbH, Werner Luther aus Nördlingen für die denkmalpflegerische Sanierung und Umnutzung des Anwesens Eisengasse 3 in Nördlingen: „Die städtebaulich und denkmalpflegerisch hervorragende Sanierung kann überzeugend darlegen, wie durch ein überlegtes Nutzungskonzept und ein zurückhaltendes Vorgehen auch ein über 500 Jahre altes Gebäude heutigen Ansprüchen gemäß saniert und genutzt werden kann“, sagt Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl. Die Sanierungskosten betrugen 1.795.907 Euro, die öffentlichen Zuschüsse 31.860 Euro; Architekt: Dipl.-Ing. Niels Pelzer, Wurlitz 55, 95111 Rehau.
Auszug a. d. Laudatio des Bezirksheimatpflegers Dr. Peter Fassl:
„Das mächtige viergeschossige Wohn- und Geschäftshaus nahe dem Rathaus prägt sowohl die südliche Eisengasse als auch den nördlichen Hafenmarkt. Das 1446 erstmals erwähnte Haus mit repräsentativem Anspruch war im Besitz führender Nördlinger Familien und wurde in den Jahren nach 1470 und 1518 in seiner heutigen Kubatur erstellt. Umbauten erfolgten 1782/83, 1881 und 1919. Zuletzt wurde nur mehr das Ladengeschäft im Erdgeschoss genutzt. Vor dem Beginn der Sanierung stand es 15 Jahre lang leer und war in einem vernachlässigten und teilweise gefährdeten Zustand. Im Rahmen der Instandsetzung wurden zunächst alle Einbauten aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entfernt. Durch Feuchtigkeitsschäden war die östliche Traufseite im Dachgeschoss um gute 50 cm tiefer als die westliche Längsseite, so dass die Deckenbalken in jedem einzelnen Stockwerk durch angepasste Beilaschungen geschient werden mussten. Die Fenster wurden nach historischem Vorbild erneuert, die Fassadengestaltung mit grauen Faschen und Lisenen nach Beispielen aus dem 19. Jahrhundert gestaltet. Die Wandputze wurden instandgesetzt, die Stuckdecken und Stuckvoluten wiederhergestellt. Die Holzdecken des 3. Obergeschosses konnten vollständig erhalten werden. Das Sichtfachwerk wurde farbig gefasst. Alle Maßnahmen (Boden, Türen, Decken) dienten dem Erhalt und der materialgerechten Ergänzung, so dass in den Wohnungen die historische Altersanmutung erlebbar ist. Durch geringe Eingriffe konnten in jedem Stockwerk zwei Wohnungen abgetrennt werden, wobei die Grundrisse aller ursprünglichen Wohnräume erhalten blieben.
Denkmalpreis-Kriterien des Bezirks Schwaben
- die fachliche Qualität der Maßnahme
- das finanzielle Engagement des Eigentümers
- die Kreativität bei der Durchführung
- die Bedeutung des Denkmals.
Von den Kreis- und Stadtbauverwaltungen, dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und den Heimatpflegern wurden zahlreiche Vorschläge eingereicht.
Folgende Gesichtspunkte sind hervorzuheben
Denkmale bewahren die historische Baukultur. Dorf- und Stadtbilder erhalten, heißt Heimat erhalten. Erinnerungen an vertraute Orte geben Halt und Sicherheit, jeder Ort, jedes Gebäude ist einzigartig. Denkmale sind gebaute Geschichte. Sie bewahren die Erinnerung und ermöglichen Orientierung. Denkmalpflege ist eine kreative Aufgabe für den Bauherrn und den Architekten.
In der Regel stellen sich drei Themen: Erhalten, Umnutzen, mit neuem Leben erfüllen. Fremdenverkehr ohne Denkmäler ist kaum möglich. Sie bedeuten eine Attraktivität von Ortschaften, Plätzen und Straßen sowie mehr Lebensqualität für die Denkmaleigentümer. Die Leistung der Denkmaleigentümer liegt im persönlichen Einsatz, ist eine anspruchsvolle Tätigkeit sowie ein unbezahlter Dienst an der Allgemeinheit. Denkmalpflege bedeutet nicht nur Mühe, sondern vor allem Freude an Denkmälern.
In Bayern hat der Denkmalschutz nach Artikel 141 sogar Verfassungsrang: „Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts haben die Aufgabe, die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie der Landschaft zu schützen und zu pflegen“. (pm)