8. April 2022, 08:16
Eröffnung

Ausstellung: "Das dämonische Gesicht des Antisemitismus"

Das Bild zeigt (von links) Ulrich Fritz, Luis Stegmüller, Julia Förg und Markus Edenhofer. Bild: Jule Zinsmeister
Am Dienstag, den 29. März, fand in der ersten und zweiten Stunde in der Aula des Gymnasiums Donauwörth die Eröffnung der Ausstellung „Das dämonische Gesicht des Antisemitismus“ statt.

Hierzu erstellte der Geschichtskurs 11g3 des Gymnasiums Donauwörth unter der Leitung von OStRin (BV) Philomena Reiser 23 Ausstellungstafeln, die sich mit verschiedenen Bereichen des Judenhasses vor allem zur Nationalzeit beschäftigten. Die Vernissage startete mit der Begrüßung des Referenten, Ulrich Fritz von der bayrischen Staatsregierung, der in Vertretung für Dr. Ludwig Spaenle gekommen war, durch StD Herrn Edenhofer.

Ulrich Fritz war viele Jahre lang für die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg tätig. Er veröffentlichte einige Aufsätze über dieses KZ wie z.B. „Wachmannschaften im KZ-Komplex Flossenbürg“, aber auch andere über weitere KZ-Außenlager. Er rezensierte historische Fachbücher wie z.B. die Monographie „Überleben durch Arbeit? Außenkommandos und Außenlager des KZ Dachau 1933-1945“ von Dr. Sabine Schalm. In seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung bayrische Judenstätten, bei der er aufgrund seiner Forschungsarbeit wertvolle Beiträge und Dokumente im Bezug auf die KZ-Außenlager bereitstellt, hält er auch Vorträge und Tagungen. Zu erwähnen ist sein Engagement im letzten Jahr beim Buchprojekt „Von Auschwitz nach Nürnberg“. Die Geschichte der Zwangsarbeiter der KZ-Außenlager der Siemens-Schuckertwerke ist den meisten unbekannt. In diesem Buch wird diesen vergessenen Menschen eine Stimme gegeben.

Fritz ist seit ca. zwei Jahren für die bayrische Regierung tätig. Er leitet die Geschäftsstelle des Antisemitismusbeauftragten Dr. Ludwig Spaenle, koordiniert die Tätigkeiten innerhalb der Geschäftsstelle und vertritt diese auch nach außen. Diese Abteilung wurde für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe vor vier Jahren ins Leben gerufen. Und genau in dieser Aufgabenfunktion kam Ulrich Fritz an das Gymnasium Donauwörth. Impulsreferate seitens Ulrich Fritz, kurze Diskussionen mit der Q11 und eine Führung durch die Ausstellung prägten die Vernissage, die nachfolgend für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

Die Geschichte des Antisemetismus

Antisemitismus ist ein Phänomen, das nicht nur seit dem Zweiten Weltkrieg präsent, sondern wahrscheinlich das älteste Vorurteilssystem überhaupt ist, denn bereits seit seiner Entstehung ist es von starker Stigmatisierung und Diskriminierung betroffen. Kleine jüdische Gemeinden lösten sich auf und bildeten sich wieder neu, viele Juden zogen, von Hoffnung auf Arbeit getrieben, in größere Städte und die Gemeinden schrumpften weiter. Aber Juden galten als „Christusmörder “ und mussten zu Zeiten der Pestepidemie im 14. Jahrhundert als Sündenböcke herhalten. Auch wurde ihnen nachgesagt, sie entführten christliche Kinder und zapften ihr Blut ab. Dies führte zur Ächtung durch das Volk, Ausweisung in Ghettos ab dem 16. Jahrhundert und starken Einschränkungen in den Berufen.  

Das religiöse Motiv der Judenfeindlichkeit wandelte sich im 19. und 20. Jahrhundert grundlegend. Nicht länger wurden Juden als eine religiöse Gruppe angesehen, sie galten nun als „Rasse“ niederer Art, die hierarchisch unter den Ariern stand, und mussten sich durch aufgenähte Sterne kennzeichnen. Das Besondere im Vergleich zu anderen Arten der Diskriminierung ist, dass zwar auf die Juden herabgeschaut wurde, man ihnen aber eine so große Macht zusprach, dass sich Gerüchte über eine sogenannte „Weltverschwörung“, die Übernahme der Weltherrschaft, entwickelten und rasant verbreiteten. Heute distanzieren sich Zeitzeugen von den Vorwürfen.

Es gibt kaum Menschen, die zugeben, aktiv mit dem Regime zu tun gehabt zu haben, aber wer wuchs dann in einer „Nazifamilie“ auf?  Gerade nach Etablierung des neuen Systems durch das NS-Regime war es nahezu unmöglich, dagegen aufzustehen, da gegen anders Denkende strikt vorgegangen wurde. Man brachte sie ohne richterliche Kontrolle in Schutzhaftlagern - eine euphemistische Bezeichnung für Konzentrationslager - unter, wo sie systematisch misshandelt, gedemütigt und ermordet wurden. Dabei ist wichtig, dass es nicht um den Schutz der Gefangenen ging, sondern um den der Regierung.

Anfang des Jahres 1945 befanden sich 714.000 Menschen in Schutzhaft, der Großteil der Verhafteten starb an Krankheit, Entkräftung oder bei den Todesmärschen 1944. Auch Jugendverwahrlager wie in Uckermark, Litzmannstadt, Moringen und das Zigeunerlager in Berlin-Marzahn dienten als vorübergehende Unterkunft für Menschen, die aus der Sicht der Nationalsozialisten eine Gefahr für die Gesellschaft darstellten. Verwahrlager wurden genutzt wie KZs, die Chancen auf eine Entlassung waren sehr gering. Von geistiger, seelischer oder körperlicher Behinderung Betroffene starben in T4-Tötungsanstalten. Der Begriff „T4“ kommt von dem Standort in der Tiergartenstraße 4, Berlin, und ist der Deckname der Planungsbehörde der Euthanasie (gr. „schöner Tod“) - Morde, die ab 1940 bis 1941 in Bernburg, Brandenburg, Hadamar, Grafeneck Hartheim und Pirna-Sonnenstein stattfanden. Die Opfer wurden begutachtet, getötet und verbrannt, ihre Sterbeurkunden zur Vertuschung gefälscht.

Nicht nur in Deutschland und Polen wurden während Hitlers Diktatur Vernichtungslager errichtet, auch in Tschechien, Italien, Weißrussland und Frankreich gab es von der SS geführte Einrichtungen, die zur Internierung, also Inhaftierung, bis zur Deportation in große KZs wie Auschwitz, oder Ermordung von Minderheiten genutzt wurden. Erst zum Ende des Krieges konnten die Gefangenen von den Alliierten befreit werden.

Auch heute noch ist Antisemitismus ein hochaktuelles Thema. Statistiken zeigen, dass sich die Zahl antisemitischer Straftaten von 2001 bis 2021 verdoppelt hat; der Anschlag in Halle vor zwei Jahren war nur einer von vielen brutalen Übergriffen auf jüdische Mitbürger. Nur indem man sich die Aktualität bewusstmacht und einschreitet, sich Wissen und Fakten aneignet und Informationen überprüft, entsteht Aufmerksamkeit innerhalb der Gesellschaft und man kann gegen ein Problem vorgehen, das wandelbar, anpassungsfähig und alt ist. Das Wichtigste allerdings ist, in Dialog zu kommen. Denn dadurch, dass es in Bayern nur zwischen 20.000 und 30.000 Juden gibt, ist es schwer, sich ein Bild zu machen. Es gibt sicherlich viele Vorstellungen über das Judentum und das jüdische Leben, aber in der Realität ist es kaum überprüfbar.

Abschließend dankte der Geschichtskurs 11g3 dem Geschäftsführer der Abteilung für jüdisches Leben, gegen Antisemitismus und für Erinnerungsarbeit der bayrischen Regierung für sein Kommen und der gesamten Q11 für ihre Teilnahme an der Vernissage.  (pm)