17. Oktober 2017, 09:17

"AugenBlicke" im Kunstmuseum

. Das Foto zeigt Pfarrvikar Herteis und Museumsleiterin Annette Steinacker Holst bei der gemeinsamen Erkundung der Ausstellung . Bild: Achim Bees
Einmal im Jahr veranstaltet die Arbeitsgemeinschaft Offene Behindertenarbeit des Landkreises Donau-Ries (ARGE OBA) einen künstlerischen Erlebnistag im Kunstmusem Wemding. Unter der Schirmherrschaft von Landrat Stefan Rössle verfolgt das Gemeinschaftsprojekt das Ziel, über die gemeinsam geteilte Leidenschaft für Kunst und Kultur Menschen mit und ohne Handicap zusammenzubringen. Heuer stand die Veranstaltung unter dem Motto „AugenBlicke – Erlebnistag rund ums Sehen und Nicht-Sehen“.
Wemding - „Ich werde gesehen, also bin“ lautet eine moderne Abwandlung des erkenntnisphilosophischen Grundsatzes von René Descartes. Gerade in Zeiten von YouTube, Snapchat, Instagramm, Facebook und Co. scheint dieser Leitspruch zum Mantra der digitalen Welt geworden zu sein. Man ist nur (wer), wenn man sich sieht. Noch mehr ist man aber, wenn man auch gesehen wird. Doch was genau wird gesehen? Welcher Teil des Selbst wird hier präsentiert? Wo fängt das Sehen an und wo endet das Nicht-Sehen? Diesen und ähnlichen Fragen widmeten sich unter der künstlerischen Leitung von Annette Steinacker Holst, Christine Hubel und Petra Buser die 25 Kunstinteressierten des Erlebnisworkshops.
Nach den Begrüßungsworten des stellvertretenden Landrates Dr. Peter Thrul wurde der Tag mit einem Rundgang durch das Kunstmuseum eröffnet. Gemeinsam mit dem blinden Pfarrvikar Rainer Herteis führte die Museumsleiterin Annette Steinacker-Holst die Teilnehmer durch die Ausstellungsräume. Der 42-jährige Herteis ist nicht von Geburt an blind, aber bereits mit einer eingeschränkten Sehfähigkeit zur Welt gekommen. Aufgrund einer medizinisch unheilbaren Stoffwechselstörung hat sich diese zunehmend verschlechtert bis hin zur fast vollständigen Erblindung im Alter von 25 Jahren. Auf berührende Weise ließ er die Workshopteilnehmer an seinen Erfahrungen mit seiner eigenen zunehmenden Erblindung teilhaben. Hierbei fasste er bildhaft zusammen: „Die Augen sehen leider den Menschen oft nicht so, wie er wirklich ist. Denn oft sind viele gute Eigenschaften im Herzen verborgen, äußerlich nicht zu entdecken. Aber wenn ich einem Anderen aufmerksam zuhöre, bringt die Sprache oft das hervor, ja das zum Klingen, was der Schöpfer im Menschen Gutes angelegt hat. Dann sehe ich den Menschen richtig“.
Nach dem gemeinsamen Rundgang wurde in den Workshop-Tag gestartet. Hierbei konnten die Teilnehmer zwischen „Malerei“, „Musik & Bewegung“ und „Tasten-Fühlen-Bauen“ wählen. Zentrales Element aller drei Gruppen war eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem menschlichen Sehsinn. Während sich die Tanz & Bewegungs-Gruppe dem Thema „Sehen und Nicht-Sehen“ durch Klänge, Rhythmen sowie mit verbundenen Augen annäherte, widmete sich die „Tasten-Fühlen-Bauen“-Einheit ihren einzelnen Sinnen anhand eines Parcours in einem Dunkelraum. In der Malerei-Werkstatt hingegen sind unterschiedlichste Zeichnungen zum Thema „Herbst – wie ich ihn sehe“ entstanden.
Bei der abschließenden Vorstellung der jeweiligen Gruppen-Ergebnisse herrschte in einem Punkt allgemeine Zustimmung: „Nur weil man etwas nicht sieht, heißt es nicht, dass es nicht da ist“, resümiert Carina Augustin, Mitorganisatorin der Veranstaltung, den erlebnisreichen Kunsttag in Wemding. Aufgrund der großen Begeisterung der Teilnehmer soll das Kunst-Projekt auch im kommenden Jahr stattfinden. (pm)