Werksführung beim größten Arbeitgeber der Region: 50 Mitglieder des Verein Deutscher Ingenieure (VDI), Bezirksgruppe Nordschwaben bei Airbus Helicopters in Donauwörth. Bild: Stefan Wieser
Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen (19.12.2019) war eine Besuchergruppe des VDI Nordschwaben beim Donauwörther Hubschrauberhersteller Airbus auf exklusiver Erkundungstour.

Sie retten Menschenleben und transportieren Lasten und Personen punktgenau ans Ziel. Sie überwachen und versorgen technische Anlagen und sind für Polizei und Sicherheitskräfte weltweit in schwierigsten Notsituationen und Gefährdungslagen im Einsatz. Ausgerüstet mit Spezialtechnik sind Hubschrauber Multitalente. Ihre Verwendung ist in unserer modernen Welt unverzichtbar. Doch wie entsteht ein Hubschrauber? Welche Produktionsschritte und -verfahren kommen zum Einsatz und was ist sonst noch Aufgabe der nordschwäbischen Hubschrauberschmiede? Die Antworten lieferte eine exklusive, fast dreistündige Führung für VDI-Ingenieure aus ganz Südbayern bei Airbus Helicopters in Donauwörth.

„Safety first!“

So lautet der oberste Qualitätsanspruch bei Airbus Helicopters. Diese Maxime ist nicht nur hoch in den Lüften für Piloten und Passagiere ein existenzieller Überlebensfaktor. Sie wird bereits am Boden praktiziert und allgegenwärtig sichtbar „in die Köpfe der Mitarbeiter transportiert“. „Sicherheit, Sauberkeit, Ordnung“, abgekürzt „SSO“, liest man an jeder Arbeitsstation auf Hinweisschildern. Nach der Zutrittskontrolle erfolgte die obligatorische audiovisuelle Begrüßung mit Sicherheitsunterweisung, gefolgt von einem kurzen Überblick über das Produkt- und Dienstleistungsportfolio am nordschwäbischen Standort. VDI-Bezirksgruppenleiter und Airbus-Insider Stefan Wieser bedankte sich bei seinen Mitorganisatoren, den Student*innen und Jungingenieur*innen Lisa Stapf aus Augsburg und Felix Meißner aus Nördlingen und summierte: „Airbus Helicopters entwickelt, vertreibt und betreut die weltweit umfangreichste Produktpalette an Helikoptern, vom Leichtbauhubschrauber bis hin zu Transporthubschraubern der Elf-Tonnen-Klasse.“

„Innovations, made in Swabia“

Wer kennt Sie nicht, die „Gelben Engel der Lüfte“? Wenn schnelle Hilfe gefragt ist, sind sie im Einsatz. Sie werden benötigt, um schnelle Hilfe auf dem schnellsten Weg zum Patienten zu bringen und damit Leben zu retten. Ungefähr 1.200 Airbus-Hubschrauber sind derzeit weltweit für Rettungseinsätze unterwegs. Mit einem Anteil von 60 Prozent ist Airbus Helicopters damit der unangefochtene Marktführer im Bereich „Emergency Medical Service“ (EMS). Airbus ist ein weltweit führendes Unternehmen im Bereich Luft- und Raumfahrt sowie den dazugehörigen Dienstleistungen. Airbus bietet die umfangreichste Verkehrsflugzeugpalette mit 100 bis über 600 Sitzen an. Das Unternehmen ist europäischer Marktführer bei Tank-, Kampf-, Transport- und Missionsflugzeugen.

Zu Beginn der Werksführung gab es dann aber zunächst gar keine Hubschrauber zu sehen, sondern Flugzeugteile. Genauer gesagt: Türen. Denn bei Airbus Helicopters wird ein Großteil der Tür- und Torsysteme für die ‚Flächenflügler‘ von Airbus gefertigt und anschließend zur Endmontage beispielsweise ins Werk Hamburg-Finkenwerder oder ins französische Toulouse geliefert. Dass es sich dabei um nordschwäbische Hightech-Qualitätsprodukte handelt, konnte man nicht nur an der „Zutat“ Karbonfaser erkennen, sondern auch am Preis von ca. 200.000 Euro – pro Tür!

Auch in der mechanischen Bauteil-Fertigung liegt das oberste Augenmerk auf Sicherheit und Hochpräzision. So wird z. B. der 60 kg schwere Hauptrotorkopf aus massivem Titan geschmiedet, elektronisch gewuchtet und einer ausgiebigen sicherheitsrelevanten ICT-Bauteilprüfung unterzogen. Inzwischen gewinnt auch die Additive Fertigung (3D-Druck) von Bauteilen zunehmend an Bedeutung. Die mechanisch am meisten beanspruchten Bauteile jedes Hubschraubers sind die Rotorblätter. Schon geringste Abnutzungspuren beeinflussen die Aerodynamik und somit die Leistungs- und Flugfähigkeit der Drehflügler, erklärten die erfahrenen Werksführer. Das System aus Rotorkopf, Antrieb und Rotorblätter bilden die aufwändigste und empfindlichste Baugruppe eines Hubschraubers. Regelmäßige Kontrollen am Rotorblatt-Prüfstand und sorgfältige Wartung des Rotorkopf-Systems sind unverzichtbar, um Verschleiß oder sich abzeichnende Schäden frühzeitig zu erkennen. Durch den Einsatz fortschrittlicher Verbundwerkstoffe und der sich daraus ergebenden Konstruktions- und Fertigungsprozesse konnte der Wartungsaufwand (in den vergangenen Jahrzehnten) erheblich gesenkt und gleichzeitig die Agilität der Hubschrauber deutlich erhöht werden.

„Hubschrauber sind fliegende Roboter“, erläuterte Entwicklungsingenieur Stefan Wieser. Zahlreiche elektronische Sensoren, Aktoren und hochkomplexe Einzelsysteme unterstützen die Manövrierfähigkeit und Einsatzmöglichkeiten. Die auf Kundenwusch für zivile und militärische Einsatzzwecke angepassten Ausstattungsdetails (z. B. Kameras, Radar-, Funk- und Navigationssysteme, Lautsprecher, Seilwinden, Scheinwerfer, Waffensysteme) bedingen bei jedem Unikat eine detaillierte begleitende Projektplanung. In jedem Schraubflügler werden dann nach Kundenanforderungen mehrere Kilometer Kabel verbaut, was ein kurzer Einblick in die Kabelbaumfertigung verdeutlichte. Airbus Helicopters leistet auch umfassenden Service für ältere Hubschraubertypen und ist Garant für die langfristige Ersatzteilversorgung. Darüber hinaus werden ältere Modelle, auch Fremdfabrikate, mit Upgrades auf den technisch neuesten Stand aufgewertet und dadurch die Safe-Life-Nutzungsdauer beispielsweise von 6.000 auf 10.000 Flugstunden erhöht.

Das Hubschrauber-Grundgerüst selbst besteht überwiegend aus Faser-Verbundwerkstoffen (GFK, CFK). Nach der Vorbereitung der Roh-Bauteile werden diese in groß dimensionierten Autoklaven, die überdimensionierten Schnellkochtöpfen ähneln, unter hohem Druck verpresst und bei hohen Temperaturen ausgehärtet. Das Autoklav-Verfahren ist eines der teuersten und aufwendigsten Verarbeitungsverfahren überhaupt. Hierdurch lassen sich komplizierte, mechanisch und thermisch hochbelastbare Bauteile pressen. Aufgrund der hohen Kosten wird das Autoklav-Verfahren hauptsächlich zur Herstellung komplexer Bauteile mit höchsten Anforderungen, z. B. auch im Rennsport (F1), eingesetzt. Das Autoklav-Verfahren und die Verwendung von Faser-Verbundwerkstoffen haben sich bei Airbus längst bewährt. So werden z. B. auch die Rumpfschalen und sogar ganze Tragflächen des A350 bei 180 Grad in Autoklaven „gebacken“. Die Montage der Hauptkomponenten „Main Assembly“ beinhaltet neben dem Zusammenbau aller Einzelkomponenten auch die komplexe elektrische und elektronische Verdrahtung, einschließlich Fehlerdiagnostik im Prüfstand. Im Finishing erhält jeder Hubschrauber seine individuelle Speziallackierung, die vorwiegend dem Korrosionsschutz und der Individualisierung dient. Auch hier sind nur Könner am Werk, um feinste Nuancierungen und individuelle Kundenwünsche zu erfüllen. Das „Final Assembly“, zu Deutsch Endmontage, beinhaltet neben abschließenden Kontrollen den Einflug und abschließende Flugtests sowohl für zivil die genutzten Modelle H135 und H145, als auch für die Modelle NH90 und Tiger in militärischer Verwendung.

Ergänzend werden in Donauwörth auch die schweren Transporthubschrauber CH-53 der deutschen Luftwaffe und die Westland (Sikorsky) SeaKing der deutschen Marine gewartet. Der CH-53 erhält in Donauwörth planmäßige Upgrades, was die Lebensdauer von 6.000 auf 10.000 Flugstunden erhöht. Das Upgrade beinhaltet den Austausch der gesamten Verkabelung sowie den Einbau von verschlüsselungsfähigen Funkgeräten, Satellitenkommunikation, einem Allwetter-Sichtsystem, einem Hinderniswarnsystem, einem 4-Achsen-Autopilot mit automatischer Start/Lande- und Schwebeflugfähigkeit, Navigation und Instrumentenflug im internationalen Luftraum, Zusatztanks in der Kabine sowie Selbstschutzausstattung (EloKa) wie bei der Variante CH-53GS. Nach der Musterzulassung erhalten die umgerüsteten Maschinen die Bezeichnung CH-53GA (German Advanced). Durch die Produktverbesserung verlängert sich die Nutzungsdauer des CH-53GA bis 2030.(pm)