Das Gerichtsverfahren gegen einen ehemaligen Anästhesisten Dr. R. hat begonnen. Links im Bild sein Verteidiger David Herrmann. Bild: Mara Kutzner
Am Freitag wurde vor dem Augsburger Landgericht der Prozess gegen einen Donauwörther Anästhesisten fortgeführt. Zeug*innen berichteten über die Folgen ihrer Hepatitis-C-Infektion, auch der Angeklagte ergriff erneut das Wort und erklärte sich.

Übelkeit, ein komisches Gefühl, Schlappheit und plötzlich extrem hohe Leberwerte, als bei einer Frau aus Donauwörth das Hepatitis-C-Virus festgestellt wird, fällt sie aus allen Wolken. Sie kann sich nicht erklären, woher sie die Infektion hat. „Das schlimmste war, das mir immer wieder unterstellt wurde, Kontakt mit vielen verschiedenen Männern gehabt zu haben“, erzählt sie unter Tränen im Zeugenstand. Auch auf ihre Ehe habe sich dieser Vorwurf ausgewirkt. Hepatitis-C wird hauptsächlich über Blut-zu-Blut-Kontakt übertragen und kann sich auch durch Geschlechtsverkehr ausbreiten.

Erst als fast ein Jahr später der Fall von dem Donauwörther Anästhesisten ans Licht kam, herrschte endlich Klarheit für die Frau, denn genau zum besagten Zeitpunkt war sie wegen einer OP in der Donau-Ries-Klinik. Der Mediziner hat sich bei Operationen das Narkosemittel Sufentanil abgezweigt, um es sich dann selbst zu verabreichen. Dadurch hat er mehr als 50 Patient*innen mit dem Hepatitis-C-Virus, mit dem er selbst infiziert war, angesteckt. Verdauungsprobleme, Übelkeit, Erbrechen, Schlappheit und Mündigkeit waren die Folgen für die Patient*innen, die am Freitag als Zeug*innen ausgesagt haben. Wird das Virus zu spät erkannt, können schwere Leberschäden bis hin zur Leberzirrhose die Folgen sein.

"Die Angst ist immer da"

Das Virus ist zwar bei allen Betroffenen nicht mehr nachweisbar – dank schneller und großflächiger Testungen und einem Medikament, das erst seit wenigen Jahren auf dem Markt ist. Hepatitis-C ist zu nahezu 100 Prozent heilbar. Sobald das Virus nach der medikamentösen Therapie nicht mehr nachgewiesen wird, bestehe keine Gefahr, dass es erneut ausbreche. Das erklärte bereits der Sachverständige Virologe Prof. Dr. Jörg Timm von der Uniklinik in Düsseldorf an einem der früheren Prozesstage. Der Vorsitzende Richter Dr. Kern wies jeden Zeugen und jede Zeugin auf diese Aussage des Sachverständigen hin, sie sei auch dem Gericht neu gewesen, so der Richter. Doch für die meisten ist das nur ein kleiner Hoffnungsschimmer. Die Angst sei trotzdem immer da, sagt eine Zeugin.

Den Zeugen und Zeuginnen, die am Freitagvormittag aussagen, ist deutlich anzumerken, dass sie die Infektion bis heute zum Teil schwer belastet. Eine Frau erzählt von psychischen Problemen und nächtlichen Schweißausbrüchen. Ein anderer Betroffener wird noch deutlicher: „Die Welt ist für mich zusammengebrochen, meine Frau hat einen Nervenzusammenbruch bekommen; ich habe fast 15 Kilo abgenommen. Ich bin kein Mensch mehr, mir wird schlecht, ich kann mir fast nichts mehr merken, ich schwitze nachts.“

Ein erst 20-jähriger Betroffener, der eigentlich wegen eines Beinbruchs operiert werden musste und dabei infiziert wurde, erzählt ebenfalls, dass er gut ein Jahr lang nicht wusste, was mit ihm los war. „Ich war unglaublich schlapp, man weiß nicht, was los ist, ich war einfach nicht fit“, so der junge Mann. Er musste aufhören, Sport zu treiben, die Fehltage in der Schule nahmen zu. Körperlich gehe es den Zeug*innen heute gut, die psychische Belastung sitzt bei vielen dennoch weiterhin tief.

Finanziell wurden die Opfer bereits entschädigt - Summen von 15.000 bis 30.000 Euro wurden von der Versicherung ausgezahlt, berichten sie dem Gericht. An jeden Einzelnen richtet auch der Angeklagte noch einige Worte. „Es tut mir unendlich leid. Ich möchte mich zutiefst entschuldigen. Ich habe unwissend gehandelt und war in einer schwierigen Lebenssituation. Ich möchte Sie um Verzeihung bitten“.

Angeklagter: "Ich bin unvorsichtiger geworden" 

Der Beschuldigte erklärte sich zu Beginn des Prozesstages erneut gegenüber dem Gericht. Er habe sich in einem desolaten Zustand befunden, als sich das Ganze abgespielt habe und könne sich nicht erklären, wie alles abgelaufen ist. Im laufenden Gerichtsverfahren geht es weiterhin um die Frage, wie der Arzt beim Abzweigen von Narkosemitteln in Kontakt mit dem Blut der Patient*innen kam und diese anstecken konnte. Er räumte nun ein: „Es kann sein, dass ich mal an meinem Finger einen Blutstropfen gesehen habe, aber ich habe nicht darüber nachgedacht. In diesem Zustand habe ich wirklich nicht gemerkt, wie ich mich gestochen habe. Es tut mir leid“, so der Angeklagte. Um Narkosemittel von den vorbereiteten Spritzen für die Patient*innen abzuzweigen und es sich dann selbst zu verabreichen, hätte er anfangs zwei Nadeln verwendet. Doch er räumte ein: „Ich bin unvorsichtiger geworden“, sagt aber auch: „Ich kann mich nicht erinnern, dass ich die gleiche Nadel verwendet habe.“