Das Skelett in den Überresten der Speichergrube. Auffallend ist die ungewöhnliche Körperhaltung. Bild: ABDW Archäologiebüro Dr. Woidich GmbH
Die archäologischen Grabungen im Zuge des Varta-Neubaus in Nördlingen haben das Skelett eines Kindes zu Tage gebracht. Die Umstände seines Lebens und Todes geben Einblick in vergangene Zeiten.

Dr. Manfred Woidich und Dr. Johann Friedrich Tolksdorf zeigten der Presse am Donnerstag in der Bundesstube des Nördlinger Rathauses ihre Erkenntnisse in der Sache. Dr. Woidich zufolge ist der Fund Teil eines großen Bodendenkmals, das sich auf dem Grund der Firma Varta und darüber hinaus befindet und Befunde von der Steinzeit bis in die römische Kaiserzeit beinhaltet.

Wie Dr. Tolksdorf ausführte, wurde das Skelett in einer keltischen Speichergrube, einer sogenannten Kegelstumpfgrube, gefunden. Dabei handelt es sich um Kornspeicher der Kelten, die in den Boden gegraben wurden und sich nach unten kegelförmig vergrößerten. Getreide war in diesen luftdichten Speichern lange haltbar. In der Nachnutzung wurden die Gruben als „Mülltonne“ benutzt, was auch bei diesem Fund der Fall war. Auf einem Haufen mit Schlacht-, Jagd- und Pflanzenresten in der Grube befand sich das Skelett –auf dem Bauch liegend, mit angewinkelten Armen und überkreuzten Beinen. Keine klassische Bestattungslage also. „Das ist etwas ungewöhnlich“, meinte Dr. Tolksdorf.

Eher kein schönes Leben

Über die Person selbst konnten die Wissenschaftler einiges in Erfahrung bringen. Es handelt sich um einen 9 bis 12 Jahre alten Jungen, 1,30 Meter groß, sehr wahrscheinlich Rechtshänder. Gelebt hat er irgendwann zwischen dem 5. und 2. Jahrhundert vor Christus. Er muss trotz seiner jungen Jahre hart gearbeitet haben, der Zustand seiner Zähne lässt außerdem darauf schließen, dass er sein Gebiss oft als Werkzeug einsetzte. Der Tote litt unter Eisenmangel, was typisch ist für Krankheiten oder Unterernährung. Am rechten Oberschenkelknochen hatte der Junge Osteomyelitis, eine bakterielle Entzündung des Knochenmarks, die zu chronischen Schwellungen, Schmerzen und Fieber führt. Todesursächlich war das aber eher nicht, sondern wahrscheinlich die Tatsache, dass dem Kind oberhalb der Hutkrempe der Schädel eingeschlagen wurde.

Wurde er ermordet?

In Kriminalistenmanier hat sich Dr. Tolksdorf der Todesumstände des Buben angenommen. So sei es denkbar, dass der Junge bei einem Überfall oder einem Streit erschlagen und in der Müllgrube entsorgt wurde. Möglich wäre auch, dass es sich um einen Sklaven handelte, eine unfreie und niedere Person, für deren Bestattung kein größerer Aufwand betrieben wurde. Seine Erkrankung legt den Schluss nahe, dass sich sein „Besitzer“ einer wertlos gewordenen Arbeitskraft entledigte, das bleibt allerdings reine Spekulation. Ebenfalls zu bedenken sind die Tatsachen, dass die Kelten in Bezug auf Leichenteile andere Gepflogenheiten hatten als unsere moderne Gesellschaft, und dass unsere antiken Vorfahren auch Menschenopfer brachten. Selbst der Schlag auf den Kopf des Jungen muss nicht unbedingt vor seinem Tod erfolgt sein – vielleicht wollte jemand sichergehen, dass der Bub auch wirklich tot ist. Trotz allem, was man bereits weiß, bleibt einiges an Spielraum.

Weitere Informationen zu dem Toten erhoffen sich die Forscher von einer Datierung des Skeletts per Radiokarbonmethode, wodurch sich der Tote in zeitliche Beziehung zu anderen Funden in der Nähe setzen lässt. Eine Isotopenuntersuchung könnte die These, dass es ein Sklave war, stützen: Ist der 15N-Anteil in seinen Knochen niedrig, hat er vermutlich wenig Fleisch gegessen und war demzufolge eher sozial niedrig gestellt.

Noch viele Funde zu erwarten

Da die Bautätigkeit in Nördlingen derzeit sehr hoch ist, ist in der Zukunft mit weiteren archäologischen Funden zu rechnen. Vielleicht lässt sich dann auch mehr über den toten Jungen und sein Leben im Ries vor mehr als 2000 Jahren sagen. Bis dahin bleiben Details der Fantasie überlassen.