Segnung

Wenn Zeit hörbar wird: Ein Garten voller Glocken in Appetshofen

v. l. Pfarrer Reinhard Caesperlein, Erwin und Irma Seiler, Dekan Frank Wagner Bild: Sebastian Seiler
Im Vorgarten der Familie Seiler in Appetshofen erklingt ein einzigartiges Glockenspiel: Zwölf handgegossene Bronzeglocken, jede einem Familienmitglied gewidmet, erzählen in bewegendem Klang von Verbundenheit und Erinnerung.

Dort, wo man gewöhnlich vielleicht ein paar Rosenstöcke, Efeu oder Vogelnester erwarten würde, hängt am Dach des Wohnhauses im Vorgarten bei Familie Seiler in Appetshofen seit einigen Monaten etwas, das so manchem zur rechten Zeit den Atem stocken lässt. Zwölf feinsäuberlich handgegossene Bronzeglocken, schwebend auf einer maßgefertigten Halterung, jede einzelne von ihnen einem Familienmitglied gewidmet - und gemeinsam erklingend unter einem Leitgedanken, der mehr ist als nur ein Kalenderspruch: Alles hat seine Zeit.

Die Geschichte dieses besonderen Projekts begann nicht mit einem großen Plan, sondern mit einem leisen Gedanken: im Jahr 2023 reifte in Erwin Seiler die Idee, eine einzelne Glocke für den Garten gießen zu lassen - ein Symbol vielleicht, ein klangvoller Akzent. Doch wie es manchmal kommt, wenn Herzen an Ideen hängen, wuchs der Gedanke weiter. An Weihnachten 2023 dann der entscheidende Impuls: Seilers Ehefrau Irma schenkte ihm Mut und befürwortete den Wunsch, dieses Vorhaben nicht ruhen zu lassen.

Ein Familienstamm in Bronze: Das kunstvolle Glockenspiel entsteht

Bild: Erwin Seiler

Aus einer Glocke wurde ein ganzes Glockenspiel - zwölf an der Zahl, gefertigt in der renommierten Glockengießerei Eijsbouts in Asten, unweit von Amsterdam in den Niederlanden. Dort, wo sonst Glocken für Kirchen und Rathaustürme entstehen, ließ Seiler seine eigene Familiengeschichte in Bronze gießen. Jede Glocke trägt in kunstvoller Schrift den jeweiligen Namen, ergänzt um das Geburtsjahr, eines Familienmitglieds, angefangen bei seinen Eltern Frieda und Karl.  Die Idee, sie wie einen Stammbaum anzuordnen, kam ihm - wie so vieles in diesem Projekt - eines Nachts.

Die Gestaltung war detailreich, aufwendig und geprägt von vielen Gesprächen, Entwürfen und Rückfragen. Unterstützt wurde Seiler von seinem Bruder als kreativem Mitstreiter, der mit ihm stundenlang an der Gestaltung der Halterung und der Glockenschriften feilte, sowie einem befreundeten Schweißtechniker, welcher die metallene Halterung hergestellt hat.

Die Fertigstellung, Segnung und Bedeutung des einzigartigen Glockenspiels

Mitte April letzten Jahres war es dann so weit: Seiler reiste zum Glockenguss persönlich in die Niederlande. Ein bewegender Moment, denn jede Glocke ist nicht nur Metall, sondern Erinnerung, Verbundenheit und Zeichen. Zwei der Glocken mussten sogar nachgegossen werden - ein Beweis für den hohen Anspruch, den er an dieses Werk hatte.

Nach der Lieferung der Glocken im Juni 2024 konnte das Glockenspiel im heimischen Vorgarten endlich fertiggestellt werden. Es sei das wohl größte Glockenspiel im Landkreis, mit über sechzig Melodien von christlichen Klassikern über schwungvoll moderne Klänge, und weltweit in seiner Formation als Stammbaum einzigartig.   

Die Segnung der Glocken, die gemeinsam mit Familie und Nachbarn Anfang Juni stattgefunden hatte, wurde mit Bedacht gestaltet. Begleitet von Glockenklängen wie „Lobe den Herrn“ und „Danket dem Herrn“ begrüßten Pfarrer Caesperlein und Dekan Wagner die Gäste. Letzterer erinnerte in seiner Ansprache an die tiefe Symbolik der Glocke in der Geschichte der Kirche, ihre Rolle als Ruf zur Besinnung, zur Freude und zum Gebet.

Zeit, Klang und Erinnerung sind das lebendige Erbe der Glocken

„Glocken begleiten unser Leben“, sagte Wagner, „sie erzählen von Anfang und Ende, vom Werden und Vergehen, von Geburt und Abschied - und erinnern uns daran, dass unsere Zeit nicht einfach verstreicht, sondern in Gottes Händen liegt.“ Die anschließende Segnung war ein stiller Moment. Die Worte waren schlicht, aber getragen von Vertrauen: „Segne diese Glocken, segne dieses Spiel. Lass ihren Klang in die Welt tragen, dass er erinnert, verbindet und ermutigt.“

Mit „Freude schöner Götterfunken“ endete die Feier - doch noch lange nicht das Projekt. Zwei weitere Enkelkinder sind bereits unterwegs, Platz für insgesamt 16 Glocken ist vorgesehen. Was bleibt, ist ein Klang, der nicht aufdrängt, sondern einlädt zum Innehalten, zum Erinnern, zum Lauschen. Und ein Garten, in dem nicht nur Blumen wachsen, sondern Erinnerungen klingen - an Menschen, an gemeinsame Wege und an die Zeit, die uns trägt. (dra)