3. Februar 2017, 13:52

Neubeginn für Familie Makalic

Dzanan hat nun endlich einen Rückzugsort für sich. Seine Eltern schauen ihm bei den Hausaufgaben über die Schulter. Bild: Mara Kutzner
Die Geschichte der Makalics hat die Menschen aus der Region bewegt. Nach einem Jahr Ungewissheit, Hoffnung und Kampf gibt es endlich positive Nachrichten für die Familie. 
Über 1000 Unterstützer aus der Region und ganz Deutschland haben eine Petition für die bosnische Asylbewerber-Familie aus Donauwörth unterschrieben. Denn eigentlich hätten die drei schon Anfang letzten Jahres ausreisen müssen. Das Asylgesuch der Bosnier wurde nicht anerkannt. Sogar bis in den Petitionsausschuss gelang dann der Fall. Die Petition wurde abgelehnt und die Familie war weiterhin ratlos und ängstlich was ihre Zukunft anbelangt. Eine Rückkehr in ihre bosnische Heimat kam zu keinem Zeitpunkt in Frage. Zu groß wäre die Gefahr für die Familie, besonders für den 12-jährige Sohn. Im Herbst letzten Jahres dann endlich gute Nachrichten. Die Ausländerbehörde stellte der Familie eine Aufenthaltsgenehmigung für ein halbes Jahr aus. "Das Innenministerium hat wegen humanitären Gründen so entschieden", erklärte Ismet Mujakic, Anwalt der Familie. Im März läuft die Aufenthaltsgenehmigung aus, Mujakic ist aber zuversichtlich, dass dann erneut eine Genehmigung für ein Jahr oder noch länger ausgestellt wird.
Endlich Privatsphäre, endlich Ruhe, endlich keinen Angst vor Abschiebung mebr
Seit dem neuen Jahr lebt die Familie nun nicht mehr im Asylbewerberheim, sondern hat eine eigene kleine 3-Zimmer-Wohnung bezogen. In der Wohnung in einem Donauwörther Wohngebiet fühlen sich die drei pudelwohl. Der 12-Jährige Sohn der Familie hat nun ein eigenes Zimmer als Rückzugsort. Gemütlich sitzt die Familie in ihrem Wohnzimmer auf dem Ecksofa bei starkem bosnischem Kaffee und Gebäck zusammen. Cazim Makalic, der Vater, erzählt stolz, dass er nun als Müllwerker in einem hiesigem Recyclingbetrieb arbeite. Ihm war wichtig, von Anfang an sein eigenes Geld zu verdienen und nicht auf Sozialleistungen angewiesen zu sein. Dass der Bosnier arbeiten darf, ist aber erst jetzt möglich. Noch mit dem Status eines Asylbewerbers wurde ihm nämlich nicht erlaubt, eine Arbeit aufzunehmen. Auch seine Frau Emina steuert mit einer Putzstelle Geld in die Familienkasse bei.
Zwischen Souvenirs und Staubfängern hängen an der Wohnwand Zeitungsberichte, die vom Schicksal der Familie berichten. Auch ein Foto der jungen Frau Bettina hat Cazim Makalic an die Wand geklebt. Erst als sich sein Sohn ins Kinderzimmer zurück zieht und seine Frau nochmal überprüft ob Dzanan auch wirklich nichts vom Gesprochenem im Wohnzimmer mitbekommt, beginnt Cazim Makalic zu erzählen. Dass Dzanan sich die schrecklichen Geschichten von damals anhören muss, wollen seine Eltern unbedingt vermeiden. Der 12-Jährige ist noch immer traumatisiert von dem, was in seiner Heimat passiert ist.
Cazim Makalic rettete misshandelte Deutsche
Im Jahr 2012 ging der Fall durch die deutschen und bosnischen Medien. Die damals 19-jährige Bettina lebte bei ihrer deutschen Mutter und deren bosnischen Ehemann in dessen Heimatdorf Karavlasi. Cazim Makalic hat zu dieser Zeit als direkter Nachbar zu der Familie gewohnt und beobachtete, dass das Mädchen über Jahre hinweg unmenschlich behandelt wurde. Sie wurde zu schwerster Feldarbeit genötigt, ist mehrmals sexuell missbraucht worden und war körperlicher Gewalt ausgesetzt. Makalic erzählt, er habe gesehen, wie das Mädchen im Stall bei den Schweinen schlafen und sich von Tierfutter ernähren musste. Ihr Stiefvater hätte sie mit einer glühenden Messerklinge im Gesicht und am Rücken verletzt. Nach mehrmaligen Versuchen, gelang es Makalic, die Polizei zu alarmieren. Er konnte heimlich Fotoaufnahmen von Bettina machen und somit den Ermittlern verdeutlichen, dass seine Beobachtungen der Wahrheit entsprechen. Bettinas Stiefvater und seine zweite bosnische Ehefrau wurden festgenommen und verurteilt.
Wegen Makalics Zivilcourage war der Landwirt und seine Familie nach der Inhaftierung der Peiniger selbst heftigen Drohungen ausgesetzt. Die Familienangehörigen von Bettinas Stiefvater hätten Cazim Makalic, seine Frau und vor allem den damals 7-jährigen Sohn massiv bedroht. Der Bruder des Täters habe angerufen und gesagt, er würde den Jungen entführen. Auch auf seinem Schulweg wäre das Kind aufgegriffen worden und mit Messern und Fäusten bedroht worden. Aus Angst hat die Familie Makalic in Deutschland Zuflucht gesucht. Mittlerweile sind die Peiniger des Mädchens nach zwei Jahren Haftstrafe wieder auf freiem Fuß.
Von den schrecklichen Drohungen hat sich der Sohn der Familie bis jetzt nicht erholt. "In der Nacht kann er nicht alleine schlafen, manchmal wacht er auf und denkt sie sind wieder hinter ihm her", berichtet der besorgte Vater. Dzanan war bereits in stationärer psychologischer Behandlung, in regelmäßigen Therapiestunden soll das Kind die Erlebnisse nun aufarbeiten. Auch Emina Makalic nimmt es sichtlich mit, sich die Geschichte wieder und wieder anzuhören. Unter Tränen gibt sie sie zu verstehen, welche Sorgen sie sich um ihr Kind macht.
Die neue Wohnung und die Aufenthaltsgenehmigung geben aber allen neue Hoffnung. Emina Makalic ist momentan auf der Suche nach einer weiteren Stelle, um noch mehr Stunden in der Woche zu arbeiten. Ihrem Sohn ist trotz seines Traumas anzumerken, wie glücklich und zufrieden er in seinen eigenen vier Wänden ist. Das Leben im Asylbewerberheim ist für ihn Geschichte, er kommt nur noch zum Spielen mit seinen Freunden dort vorbei. Seinem Vater ist die Dankbarkeit gegenüber der vielen Helfer und Unterstützer anzusehen. Ein Bericht über ihn dürfe nur dann veröffentlicht werden, wenn dort ausdrücklich zu lesen sei, wie froh er über alle Unterschreiber, ehrenamtliche Unterstützer und politischen Fürsprecher ist.
Fragt man die Familie, welche Wünsche sie nun haben oder ob es noch etwas gibt, das sie dringend für ihre Wohnung benötigen, lehnen alle bescheiden ab. Nach langem Überlegen fällt ihnen dann doch etwas ein: ein stromsparender Kühlschrank soll den alten des Vormieters ablösen. Vom Cazim Makalics Verdienst bleibt sogar noch etwas übrig, um sich den Wunsch schon bald zu erfüllen.