26. September 2017, 22:24

Eine Straße spaltet ein Dorf

Mit großem Interesse verfolgten rund 400 Besucher die Bürgerinformation in der Schmutterhalle. Bild: DRA
Wie wird man in Zukunft von Mertingen nach Asbach-Bäumenheim fahren? Diese Frage wurde im Rahmen einer Bürgerinformation erörtert. Wie berichtet möchte die Firma GEDA Dechentreiter die Ortsverbindungsstraße verlegen lassen, um in Zukunft ein zusammenhängendes Firmengelände zu haben. 
Asbach-Bäumenheim – Wenn man in die Reihen der Zuschauer blickt, erkennt man schnell, dass die jeweiligen Seiten ihre Mitarbeiter mobilisiert haben, die nun einen großen Teil der Plätze einnehmen. Das Interesse der Besucher ist so groß, dass vor Beginn der Veranstaltung weitere Tische und Stühle aufgestellt werden mussten. Im Vorfeld hatten sich zwei Lager gebildet. Die Firma GEDA Dechtenreiter auf der einen, die Firmen Himmlisch Wohnen, Autohaus Schnuse und Seel Mineralöl auf der Anderen. Mit einigen Minuten Verspätung startete dann auch die Veranstaltung.
"Variante 1" mit der Verlegung der Mertinger Straße. Bild: Gemeinde Asbach-Bäumenheim
Der Abend begann mit einer Präsentation unter dem Titel „Mertinger Straße – Beibehaltung oder Verlegung". Mit dieser wurde zunächst der Sachverhalt dargelegt: Die Firma GEDA möchte auf einer Fläche von 50.000 Quadratmetern ihren Betrieb auf insgesamt 90.000 Quadratmeter erweitern. Dies setzt jedoch eine Verlegung der Mertinger Straße voraus. Das wollen die Anlieger der Mertinger Straße und der Rudolf-Diesel-Straße jedoch nicht hinnehmen und haben deswegen Einspruch erhoben. Bürgermeister Martin Paninka machte klar, dass diese Veranstaltung dazu dienen solle, den aktuellen Sachstand objektiv, sachlich und neutral darzulegen. 
 
Pro und Contra
GEDA ist natürlich für eine Verlegung der Straße. Um wettbewerbsfähig zu sein, so die Meinung des Unternehmens,  müsse der Produktionsfluss gewährleistet sein. Überführungen/Unterführungen hätten einen großen Flächenverbrauch und Kosten zur Folge, eine Ampelanlage würde den Verkehr negativ beeinflussen. Mit der Erweiterung plane das Unternehmen eine offene Kantine für das Gewerbegebiet. Durch die neue Straße könne man außerdem ein neues Gewerbegebiet erschließen.
  Die Anlieger der Ortsverbindungsstraße führten an, dass sie die Grundstücke bewusst entlang der gut frequentierten Straße gekauft hätten. Bei der Verlegung der Straße werde es zu einer Änderung des Verkehrsflusses kommen. Das habe eine geringere Kundenfrequenz zur Folge. Die bisherige 1a-Lage werde, so argumentieren die Anlieger, dann zu einer 1-C-Lage und damit nahezu entwertet. Die Sanierung der Straße wäre zudem kostengünstiger.
Drei Planungsvarianten 
Variante 1: Mertinger Straße endet am GEDA-Areal. Die alte Mertinger Straße wird eine Einbahnstraße. Die Kosten für den Straßenbau liegen bei ca. 1,6 Millionen Euro 
 
Variante 2: Mertinger Straße trennt GEDA. Eine Ampel sorgt für eine Querung. Eine Umfahrung wird ebenfalls gebaut. Die Kosten für den Straßenbau liegen hier bei ca. 1,8 Millionen Euro.
 
Variante 3: Mertinger Straße trennt GEDA . Eine Ampel sorgt für eine Querung. Die Erschließung der Gewerbefläche erfolgt mit einem Wendehammer. Die Kosten für den Straßenbau liegen bei ca. 1,3 Millionen Euro. 
 
Das Gebiet östlich der Mertinger Straße wurde bereits im Jahr 2000 als Gewerbegebiet ausgewiesen. Das gesamte Areal besteht aus über 171.000 Quadratmeter, von denen GEDA bereits 50.000 Quadratmeter erworben hat.
  Die Polizei und das Landratsamt haben sich ebenfalls bereits geäußert. Eine Querungshilfe (Ampel) ist zwingend nötig, im Idealfall aber eine Unterführung oder Überführung. 
 
"Variante 3" mit Beibehaltung der Mertinger Straße und dem Wendehammer. Bild: DRA
Nach der Präsentation erläuterte der Geschäftsführer von GEDA, Johann Sailer, die aktuelle Situation seines Unternehmens. Er ging besonders auf die hohe Fertigungstiefe und damit die hohe Wettbewerbsfähigkeit ein: „Für die Sicherung des Unternehmensstandorts ist die Verlegung der Straße unumgänglich. Wir haben hier am Standort nicht nur entwickelt, sondern auch produziert. Wir stehen zum Standort Asbach-Bäumenheim. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass wir von Anfang an den Kontakt zu unseren Nachbarn gesucht haben. Und ich sage es nochmal. Lasst uns gemeinsam Lösungen suchen. Das ist leider bis heute noch nicht passiert. Wir haben viele Ideen, wie wir die Gemeinde Asbach-Bäumenheim mit in die Zukunft zu führen. Ich bin nach wie vor daran interessiert, Gespräche zu führen.“
 
Adolf Franke, Geschäftsführer von Himmlisch Wohnen meldete sich als nächstes zu Wort: „Für uns ist es existenzbedrohend. Für den einen mehr, für den anderen weniger. Wir machen sicher nur einen Bruchteil des Umsatzes von GEDA, aber auch wir stehen loyal zur Gemeinde. Bei der finanziellen Stärke von GEDA sollte es möglich sein, eine Überführung zu bauen und so die Gemeinde zwingt, zwischen zwei Interessen zu wählen. Für uns ist Variante 3 wünschenswert, einen Wendehammer braucht es aber aktuell nicht. Die Frage die sich mir stellt: Wieviel Geld muss die Gemeinde in dieses Projekt stecken, welches für andere Projekte dann nicht zur Verfügung steht? Bäumenheim und Mertingen sind zwei Gemeinden, die nicht immer einer Meinung sind. Beide Gemeinden profitieren von der guten Frequenz. Und im gesamten Gemeindegebiet wird dieser Frequenzrückgang spürbar. Wir brauchen diese Straße, wir treten dafür ein und haben auch die Bevölkerung befragt.
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Ein Kreisverkehr wird nicht favorisiert
Martin Paninka erklärte außerdem auch noch die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens, dass Adolf Franke ins Spiel brachte. Falls man mit der Entscheidung des Gemeinderats nicht einverstanden sei, wäre das eine weitere Möglichkeit. Die Frage einer Bürgerin nach einem möglichen Kreisverkehr beantwortete der Bürgermeister damit, dass dieser nicht favorisiert werde. Die Erfahrung zeigt, dass Lkw die nach Mertingen kommen gerne über diese Straße fahren, vor allem weil es keine Kreisverkehre gibt. Auch auf die Kostenfrage ging der Bürgermeister kurz ein. Bei einer Sanierung der Deckschicht bezahlt das die Gemeinde, bei einer kompletten Sanierung der Straße müssten die Anlieger rund 20% der Kosten tragen. Bei einem Neubau würde der Anlieger etwa 90% der Kosten tragen, die Gemeinde 10%. 
 
Ein weiterer Anlieger kritisierte, dass die Verkehrsbelastung in der Meyfeldsiedlung aktuell bereits sehr groß sei. Durch die Verlegung befürchtet er eine Verschlimmerung der Lage. Auch nach der Haltung von Mertingen wurde geragt.  Paninka beantworte die Frage  mit dem letzten ihm bekanntem Sachstand, dass man in der Nachbarkommune aus ökologischen Gründen eine Verlegung ablehne. Er verwies aber darauf, dass man als Gemeinde die Planungshoheit habe. Der Gründer von Himmlisch Wohnen, Schmid, ging nochmals darauf ein, dass er vor 30 Jahren ein Grundstück bewusst an der Ortsverbindungsstraße gekauft habe. Sailer, so Schmids Ausführungen weiter, habe ein Grundstück auf der anderen Straßenseite gekauft und müsse das nun zu akzeptieren. "Eine Einbahnstraße werden wir nicht akzeptieren," so Schmid.
Angebot oder Bestechung
Renate Schnuse, Inhaberin eines KFZ-Betriebs, erzählt von einem unglaublichen Angebot eines Gemeinderates, dass am 24. Juli 2017 an ihren Mann ging. Das wurde von Bürgermeister Martin Paninka bestätigt. Laut diesem Angebot wäre Herr Seiler dazu bereit den Hof des Autohauses pflastern. In den Augen von Schnuse, sei das Bestechung. Ein Gemeinderat mache sich so zum Handlanger einer Firma, meint Renate Schnuse. Johann Sailer so die Ausführungen weiter, habe diese Aussage in einer losen Unterhaltung bestätigt.
Paninka erklärte den Anwesenden, dass es verschiedene Wünsche und Ideen zu diesem Thema gäbe. „Für uns als Gemeinderat ist es sicher die schwerste Entscheidung seit langem. Deshalb gab es auch Gespräche mit der Firma GEDA und es wird eben darüber gesprochen und verhandelt," so Paninka. Seiner Meinung nach sei die Bezeichnung "Bestechung" nicht zutreffend.
Manfred Seel, Anlieger und Gemeinderat, nannte den Gemeinderat, der das Angebot überbracht hatte beim Namen: „Es ist ganz legitim, dass eine Firma sich Gedanken macht und Angebote macht. Dann aber der Unternehmer. Für mich ist es ein Skandal, dass der 2. Bürgermeister Roland Neubauer als Entscheidungsträger Angebote von Herrn Seiler übermittelt. Das ist ein Skandal, der Folgen haben wird! Meiner Ansicht nach müsste Herr Neubauer sofort zurücktreten!"
Erneute Vermittlungsversuche
Nico Hippe ist Gemeinderat und arbeitet bei der Firma GEDA. Er forderte alle Betroffenen auf, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und eine Lösung zu suchen: "Das Thema spaltet Bäumenheim, es spaltet Nachbarn. Es muss doch eine Lösung geben, mit der alle leben können. Ich denke, hier spreche ich im Namen aller Betroffenen." Darauf erwiderte Franke: „Meines Erachtens kann der Tisch eckig oder rund sein, wir haben Argumente mehrfach ausgetauscht. Für uns gibt es keine Straßenführung, die allen Bedürfnissen gerecht wird.“ Auch Schnuse sieht keine Option. „Als wir gemeinsam zusammengesessen sind, wurde ich von Herrn Sailer abgekanzelt. Er sagte, dass er sich meine Meinung anhören werde, diese ihn aber nicht interessiere." Sailer wies diese Anschuldigung zurück und konterte mit der Aussage, dass seine Nachbarn keine Kompromissbereitschaft zeigen würden.
Franke kritisiert außerdem die Doppelrolle von Nico Hippe und fragte, ob er bei dieser Abstimmung überhaupt abstimmen dürfe. Ein Bürger stellte die Frage, warum GEDA ein Grundstück kauft, ohne vorher die Anbindungsproblematik zu lösen. „Wir hatten einen gewissen Zugzwang, das Grundstück zu kaufen. Es war auf dem Markt und wir haben zugegriffen," so Sailer. Christian Scholz versuchte nochmals zu vermitteln: „Wir als Gemeinderat sehen beide Lager. Ganz ehrlich wird es eine Lösung aber keinen Kompromiss geben. Außerdem werden wir mit dem Landratsamt klären, wer bei dieser Abstimmung mit abstimmen darf.“
Nach rund zwei Stunden beendete Martin Paninka die Veranstaltung. Wie es weitergeht wird sich am 10.10 zeigen, wenn der Bäumenheimer Gemeinderat das Thema behandeln wird.
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