Bild: Jenny Ehrhardt/farbGESTOERT PHOTOGRAPHY
Seit ihrer Geburt sitzt die 21-Jährige Nina Berger aus Flotzheim im Rollstuhl. Grund dafür ist eine unheilbare Muskelkrankheit: Die spinale Muskelatrophie. Die lebenslustige junge Frau hat gelernt damit zu leben und meistert ihren Alltag und ihr Berufsleben auf vier Rollen. Seit knapp einem Jahr arbeitet sie bei Donau-Ries-Aktuell in Harburg als Grafikerin. Wie das funktioniert und was es für ein junges Start-Up bedeutet, einen Menschen mit Behinderung einzustellen.
Harburg - Zwei Bildschirme, die auf einem großen, höhenverstellbaren Schreibtisch stehen, dazu eine Tastatur und eine Maus. Auf den ersten Blick ist an diesem Schreibtisch nichts Besonderes zu sehen. Am meisten fällt der Luftballon in Einhorn-Form auf, der an diesem Arbeitsplatz zu finden ist. Hier, mitten im Großraumbüro von Donau-Ries-Aktuell, arbeitet Nina Berger seit knapp einem Jahr. Während sie an ihrem Schreibtisch sitzt, fällt vor allem ein Tattoo an ihrem Handgelenk auf. „Scheiß auf den Rollstuhl, heute wird getanzt!“ Das Motto der jungen Frau, denn trotz ihrer Erkrankung lässt sie sich den Spaß am Leben nicht nehmen. Im Dezember 2016 hat sie nach ihrer erfolgreich absolvierten Ausbildung als „Mediengestalterin Digital und Print“ hier einen neuen Arbeitsplatz gefunden. In ihrem Ausbildungsbetrieb, einer Druckerei, wollte und konnte sie zum damaligen Zeitpunkt nicht bleiben.
Bevor sie allerdings ins Team von Donau-Ries-Aktuell kam, hatte die Flotzheimerin einen regelrechten Bewerbungsmarathon hinter sich gebracht. „Ich habe viele Bewerbungen geschrieben, auf die nicht mal eine Absage zurückkam“, erzählt Nina Berger. Um nicht in der Luft zu hängen beschloss die 21-Jährige ihr Abitur nachzuholen. „Gleichzeitig bin ich über Facebook auf Donau-Ries-Aktuell aufmerksam geworden und habe beschlossen mich auf gut Glück zu bewerben. Es hat keine zwei Tage gedauert bis die Einladung zum Vorstellungsgespräch kam. Kurz darauf bekam ich dann auch schon die Zusage. Darüber habe ich mich sehr gefreut“, erinnert sich Nina Berger. Wie das Team von Donau-Ries-Aktuell sie aufgenommen hat, beschreibt Nina Berger folgendermaßen: „Ich wurde super aufgenommen. Bei Donau-Ries-Aktuell ist das Klima toll - familiär und freundschaftlich. Man wird als neues Teammitglied sofort akzeptiert mit allen Macken die man hat.“  Ihre Behinderung, so Nina Berger weiter, sei nie ein großes Thema im Team gewesen. „Eigentlich war und ist das nur dann Thema, wenn es um Umbaumaßnahmen geht. Es musste ja der Eingangsbereich umgebaut werden und auch beim Thema Behinderten-WC stehen noch Maßnahmen an. Ein zwischenmenschliches Thema war es aber nie“, erzählt Berger. „Rückblickend war es die beste Entscheidung bei Donau-Ries-Aktuell anzufangen. Ich würde es immer wieder tun“, ist sich die Flotzheimerin sicher.
„Für mich zählen zuerst die Menschen“
Für Matthias Stark, Geschäftsführer und Gründer von Donau-Ries-Aktuell, spielte die Behinderung von Nina Berger auch nie eine Rolle: „Für mich zählen zuerst die Menschen und ich habe im Einstellungsgespräch sofort erkannt, dass Nina in unser Team passen würde. Das ist für mich die primäre Entscheidungsgrundlage. Mit Nina haben wir einen tollen Menschen gefunden, der sich super in unser Team integriert hat und mit einer tollen Leistung die Einstellung rechtfertigt. Sie hat oft eine andere Sicht auf die Dinge und ihre Kreativität begeistert Kunden und Kollegen“, so Stark.
Ganz ohne Probleme lief die erste Zeit dennoch nicht ab: „Gerade am Anfang mussten erst die ganzen Umbaumaßnahmen genehmigt und durchgeführt werden. Deshalb musste ich in der ersten Zeit über eine Rampe ins Büro fahren, um eine Stufe zu überbrücken. Auch als die Steinerne Brücke in Harburg saniert wurde, dort befindet sich das Büro von Donau-Ries-Aktuell, mussten wir manchmal ganz schön improvisieren, damit ich ins Büro kam. Aber da haben dann alle angepackt und so hat auch das geklappt“ erinnert sich Nina Berger zurück. Eine größere Umbaumaßnahme steht außerdem noch aus: Da die derzeitige Toilette unzureichend ist, muss diese umgebaut werden. Allerdings läuft hier noch der Genehmigungsprozess. „Das ist einfach Bürokratie. Aber ich bin mir sicher, dass das auch noch wird“, ist sich die 21-Jährige sicher. Auch Stark sieht hier noch Verbesserungsbedarf: „Natürlich wurde von Anfang an Unterstützung gewährt. Dies bedarf allerdings vieler Schreiben und Termine. Hier wünscht man sich mehr Flexibilität und auch Einfühlungsvermögen für die Branche, in der man sich befindet. Auch das Stadium der Firma, zum Beispiel Gründungsphase, sollte stärker berücksichtig werden.“ Dennoch würde Matthias Stark jederzeit wieder einen Menschen mit Behinderung einstellen, sofern es zwischenmenschlich stimmt: „Wir haben in der Zusammenarbeit mit Nina nur positives festgesellt. Mit den Ämtern lernt man den Umgang.“
Mit dem eigenen Auto zur Arbeit
„Unterstützung für alle Maßnahmen kam vor allem auch von der Agentur für Arbeit. „Die Agentur für Arbeit hat mich auch bei der Finanzierung meines Autos unterstützt. Das benötige ich nämlich, damit mich meine Arbeitsassistenz zur Arbeit fahren kann“, so Nina Berger. Zum Begriffe Inklusion, der immer wieder fällt, wenn es darum geht, Menschen mit Behinderung in den „normalen“ Arbeitsalltag zu integrieren, sagt Nina Berger: „Wenn es nach mir ginge, würde es das Wort Inklusion gar nicht geben, weil es selbstverständlich sein sollte Minderheiten zu integrieren. Inklusion ist ein nettes Thema, das oft falsch angegangen wird.“
Am 03.12.2017 war der internationale Tag der Menschen mit Behinderung. „Mit diesem positiven Beispiel von Nina Berger und Donau-Ries-Aktuell wollen wir auf die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen aufmerksam machen. Denn Menschen mit Behinderung haben es im Vergleich zu Menschen ohne Handicap, oftmals schwerer eine Arbeitsstelle zu bekommen. Auch wenn es manchmal komplizierter wird, unterstützen wir gerne mit allen rechtlichen Möglichkeiten die Arbeitsaufnahme“, ermuntert Richard Paul, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Donauwörth, Firmen die Arbeitskräfte suchen sich bei der Agentur zu melden. „Denn Menschen mit Behinderung sind auch ein Gewinn für die Unternehmen“.