Seit 2019 beschäftigt ein Thema die Gremien des Kreistags immer wieder: Soll der Landkreis Donau-Ries einem möglichen Großverbund aus dem Augsburger Tarif- und Verkehrsverbund (AVV) und dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) beitreten? Gemeinsam mit dem Landkreis Dillingen wurde eine Studie in Auftrag gegeben, um die Vor- und Nachteile eines Verbundbeitritts zu prüfen. Das Gutachten sprach im November 2024 die klare Empfehlung aus dem AVV beizutreten.
Der Kreistag im Nachbarlandkreis Dillingen folgte dieser Empfehlung bereits am 28. November 2025 und beschloss, zunächst dem AVV beizutreten. Hintergrund ist: Noch immer steht nicht fest, ob die Fusion von AVV und MVV zum 1. Januar 2027 tatsächlich kommt. Auch im Landkreis Donau-Ries stand nun die Entscheidung an, diesen ersten Schritt zu gehen und vorerst allein dem AVV beizutreten. In mehreren Ausschusssitzungen wurde das Thema zuletzt intensiv diskutiert – und erneut heute in der Vollversammlung des Kreistags.
Landrat Stefan Rößle hob hervor, warum eine zeitnahe Entscheidung aus seiner Sicht notwendig sei. Zwar stehe der Landkreis nicht mehr unter akutem Zeitdruck, da der Freistaat die Förderfristen für einen möglichen Beitritt um zwei Jahre verlängert und damit über 2026 hinaus geöffnet habe. Doch gleichzeitig plane der Landkreis, DoRies-mobil, das Rufbussystem des Landkreises, flächendeckend einzuführen. Dafür müssten zeitnah Hintergrunddienste – etwa ein Callcenter – ausgeschrieben werden. Bei einem Beitritt zum AVV entfiele dies, da der Verbund diese Dienstleistungen übernehmen könnte.
Rößle verwies zudem darauf, dass der Landkreis außen vor wäre, sollte er dem AVV nicht beitreten und die Gespräche zwischen AVV und MVV weiter voranschreiten. Sein drittes Argument: Es sei ungewiss, ob der mögliche Großverbund aus AVV und MVV den Landkreis nach einer Fusion noch aufnehmen würde.
Sollte der Landkreis dem AVV beitreten, würde dies einmalige Kosten in Höhe von rund 400 000 Euro bedeuten. Dazu kämen jährliche Kosten von 1,2 Millionen Euro. Die Förderung des Freistaates würde allerdings einen Teil übernehmen, womit die einmaligen Kosten auf 40 000 Euro sinken würden, zudem würde sich der jährliche Kostenbetrag auf rund eine Million Euro reduzieren.
Welche Vorteile hat ein Beitritt?
Welche Vorteile der Beitritt mit sich bringe, erklärte Jürgen Kunofsky, Teamleiter des Bereichs ÖPNV und Schülerbeförderung am Landratsamt. Insgesamt ergäben sich aus dem Beitritt Vorteile in drei Bereichen: Ein Tarifverbund bedeute für die Fahrgäste, dass sie künftig von einem großen, durchgehenden Tarifgebiet mit einem einheitlichen Tarifsystem profitieren könnten. Tarifliche Zugangshemmnisse würden so abgebaut. Trotz Deutschlandticket bestünden diese Vorteile auch für Gelegenheitsnutzer, Besucher und Touristen.
Durch die Zugehörigkeit zu einem Verkehrsverbund profitierten die Fahrgäste zudem künftig von einer durchgängigen elektronischen Fahrplanauskunft mit aktuellen Ist-Daten sowie von durchgehenden elektronischen Buchungs- und Bezahlmöglichkeiten. Darüber hinaus stehe ihnen das Kundencenter des AVV mit telefonischem und persönlichem Service zur Verfügung.
Auch für die Verwaltung ergäben sich durch den Beitritt Vorteile. So bleibe der Landkreis weiterhin zuständiger Aufgabenträger und entscheide auch künftig über das Verkehrsangebot im Kreisgebiet. Für die Umsetzung könne die Verwaltung im Gegenzug jedoch auf den tariflichen, planerischen und juristischen Sachverstand des Verbundes zurückgreifen. Zudem ließen sich die Ressourcen des AVV in den Bereichen Werbung und Vermarktung nutzen.
Intensive Diskussion über Beitritt
Sehr skeptisch zeigt sich die CSU/AL-JB-Fraktion gegenüber einem Beitritt – das machte Fraktionsvorsitzender Steffen Höhn in seinen Ausführungen deutlich. Man sei zwar nicht grundsätzlich gegen den Verbund und erkenne Vorteile wie einheitliche Tickets, eine moderne App sowie das Know-how des AVV an. Dennoch sehe die Fraktion gewichtige Nachteile, etwa den hohen Gesellschafterbeitrag, ohne dass dadurch auch nur ein zusätzlicher Bus im Landkreis unterwegs wäre.
Aus Sicht seiner Fraktion mache ein Beitritt zum AVV derzeit keinen Sinn. Höhn kritisierte, dass der Kreistag eine Entscheidung treffen solle, obwohl sich die Rahmenbedingungen in absehbarer Zeit noch grundlegend ändern könnten. Die Fraktion plädiere daher für einen „echten“ Beitritt – also eine Entscheidung, bei der zuvor alle offenen Punkte verhandelt und geklärt seien.
Zudem gab Höhn zu bedenken, dass doppelte Kosten entstehen könnten, falls der Landkreis zunächst dem AVV und später auch dem MVV beitreten müsse. Ein weiterer zentraler Kritikpunkt sei die Verzögerung beim Start von DoRies-Mobil: Durch den AVV-Beitritt würde sich die Einführung des Angebots um rund fünf Monate nach hinten verschieben – ein aus seiner Sicht schwerwiegendes Argument gegen den Schritt.
Deutlich positiver bewertet die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Frauenliste den möglichen Beitritt. Für Kreisrätin und Landtagsabgeordente Eva Lettenbauer steht die Grundsatzfrage im Raum, „ob man eine einsame Eisscholle oder ein vernetzter Landkreis sein wolle“. Ein Verbund, so Lettenbauer, stärke die individuelle Freiheit und verbessere die Lebensqualität im Landkreis, weil er das Mobilitätsangebot ausbaue und leichter zugänglich mache. Gleichzeitig müsse man die Verbindungen in Richtung Franken und Baden-Württemberg weiter verbessern. Durch die Zugehörigkeit zum Verbund würden Fahrgäste besser über das bestehende Angebot informiert – das erhöhe die Nutzung und damit auch den Beitrag zum Klimaschutz.
Helmut Beyschlag (PWG/ÖDP/FDP) signalisierte die Zustimmung seiner Fraktion zum Beitritt. Man müsse den ÖPNV stärken, so gut es geht. Man müsse sich auf den Weg machen und mit dem Beitritt mache man einen Schritt in Richtung Großverbund.
Auch Claudia Müller (SPD) kündigte die Zustimmung ihrer Fraktion an. „Wann, wenn nicht jetzt?“, fragte sie. Der Landkreis wolle weder eine isolierte Insel noch „das letzte gallische Dorf“ bleiben, das in keinem Verbund organisiert sei. Die Verzögerung beim Start von DoRies-Mobil nehme man dafür in Kauf.
Florian Riehl (Freie Wähler) sicherte ebenfalls die Unterstützung seiner Fraktion zu. Der Beitritt eröffne eine Chance, mehr Fahrgäste in die Busse zu holen und das Angebot über die Landkreisgrenzen hinweg auszubauen.
Ulrich Singer (AfD) hingegen plädierte dafür, abzuwarten. Durch die verlängerte Förderfrist bestehe kein Zeitdruck, argumentierte er. Zudem könne der Landkreis am Ende Geld sparen. Aus seiner Sicht sei das Deutschlandticket eine bessere Lösung als der Beitritt zu einem Verbund.
Mit 29 Ja- und 22 Nein-Stimmen votierte die Mehrheit des Kreistags für den Beitritt zum AVV. Der Anschluss soll zum 1. Januar 2027 erfolgen. Einstimmig hingegen fiel der Beschluss aus, dem möglichen Großverbund aus AVV und MVV beizutreten – sofern es zu einer Fusion kommt.