Die Bürgerversammlung der Stadt Nördlingen war erstmals ausschließlich online zu verfolgen. Bild: Maximilian Bosch
Erstmals fand eine Nördlinger Bürgerversammlung ausschließlich online statt. Die Veranstaltung am vergangenen Mittwoch wurde hervorragend angenommen und konnte viele Fragen zu drängenden Themen der Stadt beantworten.

Aufgrund der Corona-Pandemie ließ die Stadtverwaltung nur einen kleinen Kreis aus Verwaltungsmitgliedern und Pressevertretern im Stadtsaal Klösterle zu, interessierte Bürgerinnen und Bürger konnten ausschließlich online zuschauen. Darin lag laut Oberbürgermeister David Wittner auch ein Vorteil: Über den Livestream konnten alle diejenigen teilnehmen, die bei den bisherigen Versammlungen nicht dabei sein konnten oder wollten. Der Zuspruch war groß: 1.415 zugeschaltete Empfangsgeräte zählte die Werbeagentur Huckleberryking Media GmbH über den Verlauf der gut zweistündigen Veranstaltung.

Zu Beginn äußerte sich David Wittner zum aktuellen Pandemiegeschehen. Er fühle Betroffenheit und auch eine gewisse Wut, dass die ab Montag geltenden Maßnahmen gerade die treffen würden, die sich bisher so vorbildlich verhalten hätten. Dennoch müssten jetzt alle solidarisch sein, so schwer und unverständlich es im Einzelfall auch sei. Wittner meinte, er sei dankbar, dass trotz des Lockdowns viele Dinge doch weiter funktionieren, weile viele ihren Beitrag leisten, zum Beispiel im Gesundheitssystem, in den Schulen und bei der Kinderbetreuung. Er bleibe verhalten optimistisch, weil die Solidarität der Leute vorhanden sei.

Wittner zu den Nördlinger Zukunftsthemen

Die Stadtverwaltung habe laut dem OB versucht, Zukunftsprojekte trotz Corona umzusetzen. So sei das Radwegekonzept beschlossen worden, man habe sich beim Stadtradeln beteiligt, das Freibad geöffnet und Kunstaktionen in der Stadt durchgeführt. Auf Seiten der Wirtschaft habe man sich über die großen Investitionen des Bundes und des Freistaats Bayern in den Standort der Firma Varta gefreut. Als langwierig gestalte sich das Eger Viertel, „hier befinden wir uns in zielorientierten Gesprächen“, meinte der OB. In der nächsten Vollsitzung des Stadtrats am 26. November wolle man Genaueres dazu präsentieren können.

Des Weiteren habe man für klimastabile Wälder die Weichen gestellt, den Neubau des Hallenbads im Rieser Sportpark auf den Weg gebracht und sich in Sachen Digitalisierung mit Gigabit-Förderung und Ausstattung der Schulen betätigt. Darüber hinaus habe man im Stadtrat erst diese Woche die Kinderbetreuung z.B. in der Kita St. Josef gestärkt, einen Zuschuss für die Tagespflege der Sozialstation St. Vinzenz bewilligt und einen ersten Schritt für ein Quartierszentrum für das Wemdinger Viertel getan.

Die Diskussionen um den Flächenverbrauch des Wohnparks Ost, die seit Präsentation der Planungen am Montag in der Öffentlichkeit und auch im Livechat des Streams lebhaft geführt wurden, kommentierte Wittner so: Das Prinzip „Innen vor Außen“ gelte in der Stadtentwicklung natürlich weiter, aber man stoße an Grenzen, weshalb man mit Augenmaß auch in die Fläche wachsen müsse.

Wohnen und Leben in Nördlingen

Stadtbaumeister Hans-Georg Sigel ging im Folgenden näher auf den geplanten Wohnpark Ost, auch bekannt als „Gartenstadt“, ein. Er betonte wiederholt, dass die Fläche nicht auf einmal, sondern Stück für Stück und nach Bedarf über viele Jahre hinweg entwickelt werde. „Wir sind in der Innenentwicklung weiter stark unterwegs“, so Sigel. Man wolle nicht Natur zerstören, sondern von innen heraus Nördlingen entwickeln. Denn entgegen von Prognosen des Bevölkerungsrückgangs steige die Einwohnerzahl der Stadt seit zehn Jahren steil an. „Wir sind hier eine aufsteigende Stadt“, so Sigel, und er hoffe, dass man das beibehalten könne.

Im Weiteren warf der Stadtbaumeister einen Blick auf die für den Wohnungsbau aktivierten Flächen im Stadtgebiet und die Baugebiete in den Ortsteilen. Auch aktuelle Bauprojekte der Stadt beleuchtete er: So sei das Hallenbad auf einem guten Weg, von November 2020 bis Februar 2021 laufe nun der Architektenwettbewerb mit 20 Teilnehmern. Die Erweiterung der Mittelschule in der Squindostraße sei im Rohbau fertig, für das Wohnbauprojekt der Stadt mit 51 kostengünstigen Wohneinheiten auf dem BayWa-Gelände sei im März 2021 der Baubeginn. In Kleinerdlingen stehe außerdem die Sanierung der Mehrzweckhalle kurz vor dem Ende, im Januar wolle man diese wieder zur Nutzung freigeben.

Im Bereich Tiefbau werde die Brücke Nördlingen 27, die in den Sportpark führt, ersetzt, was leider nicht ohne Beeinträchtigung möglich sei. Sigel stellte zudem die Erneuerung der Straße bei den Kaiserwiesen vor, wo es jetzt einen Gehweg gibt, und die Planungen für die Sanierung des „Bleichgraben“ inklusive des Parkplatzes vor dem Baldinger Tor. Für die Straßensanierung „Am Emmeransberg“ stellte der Stadtbaumeister eine Verkehrsfreigabe für den folgenden Freitag, 30. Oktober, 17 Uhr, in Aussicht.

Der große Finanzknall bleibt noch aus

Stadtkämmerer Bernhard Kugler gab Auskunft, wie es um die Finanzen der Stadt bestellt ist und wie sich die Pandemie auf das Steueraufkommen auswirkt. Bei der Einkommensteuer werden der Stadt voraussichtlich jährlich 1,2 Millionen Euro fehlen, insgesamt sechs Millionen Euro bis 2024. Tatsächlich sei der aktuelle Stand der Einkommensteuer besser als erwartet, bei einem Aufkommen von 11,636 Millionen Euro in 2020 fehlen Nördlingen laut Kugler „nur“ 725.000 Euro gegenüber dem Vorjahr. Bei der Gewerbesteuer, die in Nördlingen den mit Abstand wichtigsten Einnahmeposten bildet, sieht es vordergründig besser aus, denn laut verschiedener Effekte habe man zum 28. Oktober 2020 mit 18,8 Millionen Euro recht genau das Ergebnis des Vorjahres erzielt. Was allerdings bis zum 31. Dezember noch geschehe sei fraglich, so Kugler.

Insgesamt sei Nördlingen finanziell bisher überraschend gut durch die Krise gekommen, doch die Frage sei, „ob im nächsten Jahr das dicke Ende kommt“, so der Stadtkämmerer. Massive Steuerausfälle bei der Gewerbesteuer seien im Jahr 2021 sehr wahrscheinlich.

Schwerpunktinvestitionen und Zukunftsmusik

Anschließend kam Bernhard Kugler auf die Schwerpunktinvestitionen Nördlingens in den kommenden Jahren zu sprechen. Diese belaufen sich auf insgesamt knapp 80 Millionen Euro und fließen u.a. in die Ausstattung der Feuerwehren (1,2 Millionen Euro), die Schulen (8,8), Kindertagesstätten (13,4), die Stadtmauer (1,9), St. Georg (3,2), das neue Hallenbad (18,0) und die Sanierung von Turnhallen (2,5) sowie Grunderwerb und Erschließung von Wohn- und Gewerbegebieten. Zukunftsprojekte habe man auch im Blick, aber noch nicht im Haushalt festgesetzt. Dazu gehören die Sanierung des Tanzhauses, ein neues Feuerwehrgerätehaus, die Offene Ganztagsschule an der GS Mitte und der Schillerschule, die Kita Grosselfingen, die Hortplätze der Kita St. Josef, die Sanierung der Sporthallen, Einrichtung neuer Parkplätze bei Bebauung des Döderlein-Geländes, die Sanierung der Hochwegbrücke, das neue Quartierszentrum im Wemdinger Viertel und der Glasfaserausbau. Eine Priorisierung von Maßnahmen sei unverzichtbar, „der Handlungspielraum tendiert gegen null“, so Kugler.

Resümee des Oberbürgermeisters

Laut David Wittner werde die Stadt kein schlechtes Jahr haben, man wolle weiter den Blick über Corona hinausheben. Es fehle aber die Planungssicherheit. Es sei wichtig, weiter klare Ziele vor Augen zu haben – das sei in Nördlingen mit den genannten Zukunftsprojekten gegeben, nur die zeitliche Abwicklung habe man nicht mehr in der Hand. Man werde sich auf dem eingeschlagenen Weg jedoch nicht beirren lassen.

Abschluss mit Fragerunde

Am Ende stand, wie bei einer „normalen“ Bürgerversammlung auch, die Fragerunde. Die Fragen dafür konnten zuvor per Brief oder E-Mail an die Stadt geschickt werden oder live im Chat gestellt werden. Dabei kamen verschiedene Themen zur Sprache. Zum Beispiel werde das Beförderungskonzept „Nö-Mobil“ laut Wittner im Frühjahr starten und neben den Stadtteilen auch die äußeren Teile der Kernstadt und die Nachbargemeinden besser anbinden. Im Zeitmanagement bei städtischen Baustellen wolle man besser werden. Bei der Bebauung von Freiflächen im Stadtgebiet bemühe sich die Verwaltung um ein Einsehen der privaten Eigentümer, allerdings sei das schwierig, da bei der momentanen Zinslage die Bereitschaft, Immobilien zu verkaufen, sehr niedrig sei.

Abschließend zeigte sich David Wittner positiv überrascht von der qualitätvollen Diskussion online, es sei „sehr fair miteinander umgegangen worden“. Auch im Chat war viel Lob für das neue Format zu lesen – eine Wiederholung im nächsten Jahr dürfte sicher sein, dann hoffentlich mit Live- und Online-Publikum.