Am vergangenen Freitag ist Dr. Alfred Böswald verstorben . Bild: privat
Das Beste für die Stadt suchen – und zu finden. Dieser Wahlspruch hat Dr. Alfred Böswald in den vielen Jahrzehnten seines kommunalpolitischen Wirkens als Richtschnur gedient. Am vergangenen Freitag ist er 86-jährig verstorben. Ein Nachruf. 
Donauwörth - Ein Mann, dessen Denken und Arbeit von drei grundlegenden Charakterzügen geprägt war: Die Einordnung der eigenen Zeit zwischen Vergangenheit und Zukunft, die Bereitschaft zur Verantwortung und Machtausübung und die Zuwendung zu einem christlich-humanistischen Weltbild. Böswald war aber auch kein einfach zu handhabender Mensch. Oder wie er es immer wieder mal selbst formulierte: „… lieber einer mit Ecken und Kanten, als ein formloses Etwas.“
Im Februar 2002 hatte Böswald seinen insgesamt 33. und zugleich letzten Stadt-Haushalt als Rathauschef vorgelegt – und es war zudem der erste Euro-Etat. Es war keine Sitzung im üblichen Sinne, denn dazu hätte es traditionsgemäß gehört, dass die Aussprache über Einnahmen und Ausgaben zunächst von ihm mit einem speziellen, vielseitigen Thema eingeleitet worden wäre. Er verzichtete darauf, vielmehr legte er bei seiner Verabschiedung einige Wochen danach, am 25. April 2002, ein Zahlenwerk jener Ausgaben vor, durch die seine Visionen seiner einstigen Bürgermeister-Antrittsrede vom 5. Mai 1970 Realitäten geworden sind. So erreichten die Etats, alle addiert, die Höhe von 1,78 Milliarden D-Mark und es wurden insgesamt 207 Millionen D-Mark investiert. 59 Betriebe haben sich in dieser Ära in Donauwörth angesiedelt, 48 erweiterten sich. Noch eine Zahl beeindruckte: Unter der Ägide von Böswald  waren seit 1970 für Wohngebiete mit einer Fläche von 667000 Quadratmetern 33,32 Mio. D-Mark ausgegeben worden.
Der Donauwörther Alt-Oberbürgermeister – dieser Titel wurde ihm vom Stadtrat im Juli 2002 offiziell verliehen – wählte als gelernter Historiker und vielfacher Buchautor gerne ein umschreibendes Schlagwort aus. „Nordschwabens freundliche Mitte“ oder „Brückenstadt“ galten als Synonym für die Große Kreisstadt. Böswald hat zweifelsfrei „seiner Stadt“ – aus einem gebürtigen Röglinger war ein „Donauwörther aus Überzeugung“ geworden – in seiner Amtszeit mit Geschick und Fortune Profil verliehen.
Dafür lassen sich unzählige, konkrete Beispiele finden. Angefangen von der Altstadtsanierung über den Bau von Parkhäusern, Sportzentrum, Südspange  bis hin zu den vielen Brunnen. Für die wirtschaftliche Prosperität der heute fast 20000 Einwohner zählenden Kommune stehen indes zwei Entscheidungen fundamental: Die Stadtratssitzung im Oktober 1991, in der der „Kreuzhof-Kauf“ beschlossen wurde. Dadurch konnte der Standort des damaligen MBB-Werkes vergrößert und der entscheidende Schritt in eine gesicherte Zukunft als Hubschrauberbauer getan werden.  Und vielleicht noch historisch bedeutsamer war die sog. Hochwasserfreilegung der Kernstadt samt Insel Ried, die in den Jahren zwischen 1984 und 1995 erfolgte. Über 16,4 Mio. D-Mark kostete damals das Projekt. Die Kommune selbst war daran mit einer Summe von 4,2 Millionen beteiligt. Von herausragender weil nachhaltiger Bedeutung ist sicher ebenso die Wiedergutmachung ehemaligen NS-Unrechts, sprich die Zurückerhaltung des Status‘ „Große Kreisstadt“ gekoppelt mit dem Titel „Oberbürgermeister“ (1998).
Eine Fluchtburg der Seele hatte Theodor Heuss, der erste deutsche Bundespräsident, einst (1952) Museen genannt. Böswald sah dies ebenso. Er initiierte das Käthe-Kruse-Puppenmuseum und die Werner-Egk-Begegnungsstätte, das Archäologische Museum und sanierte das Heimatmuseum. Mit der Heimholung des gebürtigen Auchsesheimer Komponisten und Dirigenten Werner Egk (1901-1983), der Donauwörther Ehrenbürger (1971) wurde, gingen einher die Gründung der jährlichen Kulturtage, der Egk-Kulturpreis (Böswald selbst wurde 2002 damit ausgezeichnet) und der Kunstpreis. Reaktiviert aus historischen Wurzeln wurde von ihm der „Schwäbischwerder Kindertag“, für dessen Spiel im Heilig-Kreuz-Garten er auch die Texte verfasst hatte.
Der einstige Studienrat und promovierte Historiker führte sein Amt als Rathauschef überparteilich – und hat aber nie verschwiegen, dass er aus der CSU komme und in ihr Verantwortung getragen habe – als Orts- wie Kreisvorsitzender und als Landesvorsitzender der Jungen Union (1967-1971). Gerade als Bayerns JU-Chef hatte er Begegnungen und Gespräche mit vielen, vielen Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Bleibend in Erinnerung war für ihn die Privataudienz bei Papst Paul VI. in Rom, der gerade (1968) seine umstrittene Enzyklika „Humanae vitae“ veröffentlich hatte. Böswald war nicht nur dankbar dafür, dass er sechsmal als „Stadtoberhaupt“ nominiert wurde, sondern auch, dass die Bürger/innen für die Wahlen in den Kreistag (1966-1996) und für 28 Jahre in den schwäbischen Bezirkstag ihm ihr Vertrauen schenkten.
Beziehungen zwischen Menschen sind etwas Sensibles. Nicht weniger trifft dies auf Städtepartnerschaften zu. Daher war ihm die Beziehung zur niederösterreichischen Marktgemeinde Perchtoldsdorf eine Herzensangelegenheit. Zum 25-jährigen Bestehen dieser engen Bindung wurde Böswald im Mai 1998 zum dortigen Ehrenbürger ernannt. Der Christsoziale hat viele Auszeichnungen und Ehrungen erfahren: Bayerischer Verdienstorden und Bundesverdienstkreuz, Ehrenbürgermeister von Jerusalem (1993) und schließlich folgte die Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Donauwörth anlässlich seines 70. Geburtstags – das für ihn „größte Geschenk“, wie er stets betonte.
Nachdem Böswald sein Amt 2002 an seinen Nachfolger Armin Neudert übergeben hatte – der war ebenfalls wie er damals, 1970, mit 57,9 Prozent gewählt worden – hoffte er auf einen ruhigen, erfüllten Lebensabend, gepaart mit „dem Glück des Zufriedenen“. Doch der war ihm zunächst nicht vergönnt: Er geriet ins Visier der Justiz und damit wieder in die Schlagzeilen. In dieser nicht einfachen Phase seines Lebens fand er Stütze und Rückhalt in seiner Familie, insbesondere bei seiner Frau Ria, mit der 60 Jahre verheiratet war und Mutter seiner drei Kinder ist, und bei seinen Freunden. Letztlich akzeptierte er den Strafbefehl, allerdings ohne Eingeständnis einer Schuld. Denn: „Ich habe niemanden wissentlich Schaden zugefügt.“
Alfred Böswald hielt sich an eine Lebensregel, die der ihm gut bekannte Schriftsteller Martin Walser formuliert hatte: „Wenn Du kein Virtuose im Vergessen bist, verblutest Du auf der Intensivstation der Erinnerung.“ Und der mittlerweile über 70-Jährige fand in einer neuen Tätigkeit Erfüllung und Anerkennung: Als Reiseleiter und Dozent bei der heimischen Volkshochschule, bei der er einige Perioden auch Kuratoriumsvorsitzender war. Die  Fahrten führten ihn 30mal in sein überaus geschätztes Italien, insbesondere dort nach Rom. Sein Vhs-Seminar „Geschichte, wie sie (nicht) im Buche steht“ erlangte bald Kultstatus. Nach 20 Semestern beendete der da bereits 84-Jährige seine Dozententätigkeit und zog sich nun definitiv ins Privatleben zurück …
Dr. Alfred Böswald (1931-2018) hat die Stationen der Stadtentwicklung Donauwörths hin zu einem modernen Dienstleistungszentrum als längst gedienter Bürgermeister in der Geschichte der ehemals  Freien Reichsstadt maßgeblich und nachhaltig geprägt. Er hat, um den Titel eines seiner Publikationen zu zitieren, „das Rad bewegt“. (pjs)