13. Juli 2021, 07:37
Hans Raidel

Oettingens erster Bürgermeister wird 80

Hans Raidel durfte sich anlässlich seines 80. Geburtstag ins Goldene Buch der Stadt Oettingen eintragen. Bild: Doris Dollmann
Im Alter von 29 Jahren wurde der aus Rothenburg o.d.T. kommende Hans Raidel 1970 als erster berufsmäßiger Bürgermeister in Oettingen vereidigt und war damals Schwabens jüngstes Stadtoberhaupt. Beim Empfang anlässlich seines 80. Geburtstages war er der Erste, der sich auf Seite eins des neuen Goldenen Buches der Stadt eintragen durfte.

„Das Geheimnis des Glücks ist es, statt der Geburtstage die Höhepunkte des Lebens zu zählen", zitierte Bürgermeister Thomas Heydecker den amerikanischen Autor Mark Twain. Doch gerade das Zusammenfassen der Höhepunkte in der 20-jährigen Amtszeit Raidels sei nicht einfach gewesen, und so habe er sich für eine Zeitreise in Bildern entschieden. Angefangen von der Vereidigung 1970 bis zur Verabschiedung 1990 gab es für die geladenen Gäste, darunter MdB Ulrich Lange, MdL Wolfgang Fackler, Landrat Stefan Rößle, Kreisrätin Petra Wagner und Kreisrat Erwin Taglieber, seine Durchlaucht Fürst Albrecht zu Oettingen-Spielberg, Vertreter der Kirchen, zahlreicher Vereine, der Feuerwehr und Bildungseinrichtungen, eine von Heydecker kommentierte interessante Bilderschau.

In Raidels Amtszeit fielen unter anderem umfangreiche Baumaßnahmen, die Ansiedelung von Gewerbebetrieben wie z. B. der Firma Moralt (heute Jeld-Wen), das Ausweisen neuer Wohngebiete, die Stärkung Oettingens als Bildungsstandort sowie im Zuge der Gebietsreform die Eingemeindung der Stadtteile Erlbach, Heuberg, Lehmingen, Niederhofen und Nittingen und die damit verbundene Dorferneuerung. Raidel war außerdem Vorsitzender der Bayerischen Rieswasserversorgung, Kreis- und Bezirksrat. Ihm sei es auch zu verdanken, dass Oettingen ins Städtebauförderprogramm aufgenommen wurde, wovon die Stadt noch heute profitiere, so Heydecker in seiner Laudatio.

Käse, Wurst und Störche

Viele kulturelle Veranstaltungen gehen auf Raidel zurück. So hatte er beispielsweise 1985 die Idee für Bayerns erstes Käsefest, oder die längste Wurst und nicht zuletzt das Storchenfest. Mittlerweile trägt Oettingen den Beinamen „Storchenstadt“ und beheimatet derzeit 69 Jungstörche. Auch für die Residenzkonzerte und die Rieser Kulturtage habe er die Grundsteine mit gelegt. Das Kulturelle und das Vereinsleben seien ihm immer am Herzen gelegen. 2020 wurde durch eine Spende anlässlich des Geburtstages seiner Frau der Marktplatzbrunnen saniert. Von 1990 bis 2009 war Raidel Mitglied des Deutschen Bundestages und leitete ab 2005 die deutsche Delegation zur Euromediterranen Parlamentarischen Versammlung. Außerdem gehörte er der Interparlamentarischen Union und der Parlamentarischen Versammlung der OSZE an. 2011 erhielt er die Ehrenbürgerwürde der Stadt. Außerdem trägt er diverse Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz am Bande 1. Klasse und den Bayerischen Verdienstorden.

„Des hätt's net braucht“

„So sagt man das auf Rieserisch!“ Mit diesen Worten bedankte sich der Jubilar und verdeutlichte, dass es nicht sein alleiniger Verdienst gewesen sei. Auch der Stadtrat und vor allem die Bürger seien maßgeblich beteiligt gewesen. Wichtig sei immer der funktionierende Kontakt in der aufsteigenden und absteigenden Linie gewesen. Nicht immer sei das „Vitamin B“ ausschlaggebend gewesen, sondern dass man miteinander rede und manchmal auch „über die Bande spiele“. Getreu seinem Leitspruch „Suchet der Stadt Bestes“ (Jeremia 29,7) ging es immer um die Erfüllung des Auftrages der Bürger im Bereich des finanziell Machbaren. „Wir sind Oettingen!“, appellierte er an alle Bürger, Ideen zu haben und sich einzubringen, „denn jeder hat Talent und kann was tun!“ Oettingen solle nach wie vor eine Perle in der Perlenkette des Landkreises sein und nicht nur geographisch ganz oben, wandte er sich an den Donau-Rieser Landrat.

Stupfelruss und schwarzer Zigeuner

Zu Beginn seiner Amtszeit habe er es als gebürtiger Siebenbürgener nicht leicht gehabt. In der einen Wirtschaft habe man über den „Stupfelruss aus Besarabien“ gelästert, in der anderen über den „schwarzen Zigeuner“. Beide Namen waren seiner damaligen Frisur geschuldet. Ihm sei klar gewesen, dass er sofort etwas dagegen unternehmen müsse. So ging er in die beiden Gaststätten und fragte, was es denn gäbe. Danach sei man bestens miteinander ausgekommen. Manchmal müsse man als Bürgermeister auch findig sein, erzählte Raidel.

Konzert statt Manöver

Als im Ries noch die großen Manöver stattfanden, fürchtete Oettingen den Durchgangsverkehr der Amerikaner, die mit ihren schweren Fahrzeugen bei der Fahrt durch die Altstadt wohl alles kaputt gemacht hätten. Wie Raidel weiter erklärte, hatten die US-Streitkräfte eine ganz spezielle Schrift, mit der ihre Hinweis-Schilder beschriftet waren. Also ließ er kurzerhand Schilder mit der Aufschrift „Off Limits“ (Zutritt verboten) beschriften und rund um Oettingen aufstellen. Die Amerikaner seien aber nicht mal böse gewesen. Im Gegenteil – das in Stuttgart stationierte Orchester der US-Armee gab ein Konzert in Oettingen. Auf die Frage, warum er eigentlich nicht aus Oettingen weggegangen sei, antworte er immer: „Weil ich hier glücklich und zufrieden bin!“

Noch vor dem offiziellen Empfang überraschte der Oettinger Posaunen-Chor den Jubilar mit einem Ständchen. Musikalisch umrahmt wurde die kleine Feierlichkeit von den Lehminger Wirtshausmusikanten. Bewusst zünftig sollte die Musik nach den Worten von Bürgermeister Heydecker sein, wenn aufgrund Corona schon nicht gebührend gefeiert werden könne. Wieder einmal musste man auf die Aula der Grund- und Mittelschule ausweichen, weil dort genügend Platz ist, um die Hygieneauflagen zu erfüllen. Nachdem das Wetter mitspielte, konnte der anschließende Umtrunk draußen stattfinden.