3. Oktober 2020, 11:00
Schwerlastverkehr

In Dürrenzimmern ist die Hölle los

Solche und noch weit größere landwirtschaftliche Maschinen sind in Dürrenzimmern viel unterwegs, gerade während der Mais- und der Zuckerrübenernte. Zusammen mit dem anderen Schwerlastverkehr ist das den Anwohner mittlerweile zu viel. Bild: Maximilian Bosch
Der viele Schwerlastverkehr im Nördlinger Ortsteil Dürrenzimmern ist den Anwohnern schon lange ein Dorn im Auge, jüngste Entwicklungen aber bringen das Fass nun zum Überlaufen.

Für die Zunahme des Verkehrs im Ort in den letzten Jahren sind verschiedene Faktoren verantwortlich. Da ist zunächst die Biogasanlage bei Maihingen, die von Landwirten der Region mit Material beliefert wird, gerne über die Kreisstraße DON 5, auch bekannt als Dürrenzimmerner Ortsdurchfahrt Zimbernstraße. Für weitere Fahrten schwerer Gespanne sorgt die Erdaushubdeponie Maihingen, die seit 2011 vom Abfallwirtschaftsverband Nordschwaben gepachtet wird. Dieser plant, die Deponie weiter auszubauen, von aktuell 90.000 m³ Maximalvolumen auf 250.000 m³, was wiederum ein gesteigertes Verkehrsaufkommen befürchten lässt. Ganz unabhängig davon ist Dürrenzimmern für viele Langholzlaster auf dem Weg in die Holzwerke Ladenburger in Kerkingen eine beliebte Abkürzung, die während der Sperrung der Ortsdurchfahrt Benzenzimmern entdeckt wurde und fleißig weiter genutzt wird.

Mit dem Radlader werden die Zuckerrüben in Dürrenzimmern in die Eisenbahnwaggons verladen. Die Anlieferung durch das Dorf erregt derzeit die Gemüter. Bild: Maximilian Bosch

Jetzt auch noch Zuckerrüben

Als wäre das alles nicht genug, hat sich nun auch noch die BayernBahn an ihr altes Gelände am ehemaligen Bahnhof Dürrenzimmern erinnert und dieses zur Verladestation für Zuckerrüben ausgebaut. Hier werden derzeit Güterzüge mit jeweils 1200 Tonnen Zuckerrüben beladen, was bis vor einem Jahr noch in Nördlingen stattfand. Während der zeitlich eng begrenzten Bio-Zuckerrübenkampagne wird die Station am laufenden Band von schweren landwirtschaftlichen Maschinen angefahren, die ihre Rüben abladen. Ortssprecher Markus Hager zählte an einem Mittwochabend fünf Traktoren mit Anhänger innerhalb von zwei Minuten.

Für die Anwohner bringt die Verladestation das Fass zum Überlaufen. Bei einer Ortsversammlung am 19. September machten vor allem die Bewohner der Zimbernstraße ihrer Wut Luft. „Ich finde den vielen Verkehr total überzogen, weil heutige Fahrzeuge nicht aneinander vorbeikommen, die müssen auf den Gehweg ausweichen“, sagt Friedrich Gloning. Er fürchte besonders um die Sicherheit von Kindern und von Fußgängern im Allgemeinen. „Die machen außerdem die ganzen Gehwege kaputt, die werden komplett zusammengefahren“, so der Anwohner der Zimbernstraße weiter. Auch Karl Hertle, Hagers Vorgänger als Ortssprecher, bezeichnet das Ganze als „unzumutbare Situation.“ Er gehöre ebenfalls zu den direkt betroffenen und bekomme den vielen Verkehr hautnah mit.

Bisher keine entscheidende Hilfe

Ortssprecher Hager will diese Ausnutzung seines Ortes nicht klaglos hinnehmen. Dazu hat er bereits zur BayernBahn, dem AWV Nordschwaben, der Stadt Nördlingen, Landrat Stefan Rößle und MdB Ulrich Lange Kontakt aufgenommen. Die Ergebnisse waren ernüchternd. AWV-Werkleiter Gerhard Wiedemann bezeichnet die Erweiterung der Deponie Maihingen als nötig, da wegen Gesetzesänderungen und einer erhöhten Bautätigkeit das vorhandene Volumen schon nach sechs statt nach 20 Jahren ausgeschöpft sei. Für den Deponie-Verkehr in Dürrenzimmern sei künftig von März bis November mit durchschnittlich sechs Lkw-Fahrten pro Tag zu rechnen. „Herr Wiedemann zeigt sich extrem unkooperativ und schönt seine Zahlen enorm“, berichtet Hager. Er zieht zudem grundsätzlich in Zweifel, ob sinnvoll ist, einen Schuttberg mitten im Ries aufzutürmen.

Noch ärgerlicher aber sei das Vorgehen der BayernBahn. Diese hat sich für die Einrichtung der Verladestation keine Genehmigungen einholen müssen und auch niemanden über ihr Vorhaben informiert – weder die Stadt noch der Kreis noch das Verkehrsministerium und schon gar nicht die Dürrenzimmerer. Möglich macht das die Tatsache, dass schon in den 50er Jahren drei Gleisstränge in Dürrenzimmern lagen und dafür auch nach einem zwischenzeitlichen Rückbau Baurecht besteht. Das Geschäftsgebahren der BayernBahn kritisiert Hager scharf: „Ich finde das sehr bedenklich, dabei niemanden zu informieren. Das ist im Jahr 2020 nicht mehr zeitgemäß.“ Große Sorgen mache ihm außerdem, dass die BayernBahn neben den Zuckerrüben noch weitere Nutzungsmöglichkeiten für die Verladestation sucht. So sei es vorstellbar, dass Langholz oder Dünger hier einmal verladen werden.

Anwohner wollen die Umgehung

Eine Umgehungsstraße wäre die Lösung für alle genannten Probleme, der Wunsch danach wird im Ort immer lauter. Doch dafür besteht kaum Hoffnung. Laut einer Machbarkeitsstudie von 2010, die dem Landratsamt Donau-Ries vorliegt, wäre eine Umfahrung 1,3 Kilometer lang und würde die Bahntrasse Nördlingen-Gunzenhausen kreuzen, was eine Brücke notwendig machen würde. Die damals berechneten Kosten von 2,7 Millionen Euro würden laut Landrat Rößle heute doppelt bis dreifach so hoch ausfallen. Als besonders hoch wird die Belastung von offizieller Seite aus auch nicht wahrgenommen: Eine 2015 durchgeführte Verkehrszählung ergab ein Verkehrsaufkommen von knapp 1500 Kfz pro Tag, was im Durchschnitt läge.

Mit einer Umgehung sollte also so schnell niemand rechnen. Wie blanker Hohn klingt da eine Aussage, die im Zusammenhang mit dem Bau der Brücke zwischen Dürrenzimmern und Pfäfflingen getroffen wurde: Diese würde schon jetzt in Richtung einer künftigen Umgehungsstraße zeigen, hieß es damals, wie sich Karl Hertle erinnert.

Es regt sich Widerstand

In Dürrenzimmern ist die Empörung groß: Muss man sich das alles gefallen lassen, nur weil man ein kleines Dorf ist? Über Protestaktionen wird schon nachgedacht. Zum Beispiel ist eine Kundgebung wie vor Kurzem in Hainsfarth vorstellbar. Oder aber die Zimbernstraße wird mit Autos zugeparkt, was es für den Schwerlastverkehr unmöglich machen würde, durch den Ort zu fahren. Das wäre eine drastische Maßnahme, aber je mehr sich der Ort im Stich gelassen fühlt, desto mehr wird die Bereitschaft dazu steigen.