Interview

„Die Donau-Rieser sind ein ganz ,eigener’ Menschenschlag“

„Das wichtigste Gebot Jesu ist die Nächstenliebe. Das steht gegen jeglichen Hass und Menschenverachtung, die in jeder Form von Ext remismus zu finden ist.“ Bild: privat
Elke Dollinger war für insgesamt sieben Jahre evangelische Pfarrerin in der Gemeinde Donauwörth. Im gemeinsamen Interview spricht sie u.a über ihre Zeit im Landkreis, gemachte Erfahrungen und ihren außergewöhnlichen Weg zur Pfarrerin.

Guten Morgen Frau Dollinger, vielen Dank, dass Sie sich für unser Gespräch Zeit genommen haben. Zwei kurze Fragen zum Einstieg. Was hat Sie in den vergangenen Tagen besonders beschäftigt und wie gestaltet sich Ihr Tag nach unserem Interview?

Elke Dollinger: Der Umzug, das Einräumen und Einrichten. Hier und da Lampen aussuchen, entscheiden, wohin was kommt oder was doch weggeschmissen wird. Im Anschluss an das Interview habe ich eine Zoom-Konferenz zur Vorbereitung eines Fortbildungstages und am Nachmittag leite ich einen Gottesdienst in einem Seniorenheim. In der Karwoche – also vom 14. bis 18. April – folgen noch weitere Gottesdienste in den Seniorenheimen und in einer Kindertagesstätte. Die anderen Gottesdienste an den Fest- und Feiertagen in der neuen Gemeinde darf ich mitfeiern und damit die Gemeinde näher kennenlernen.

Um sie besser kennenzulernen, zunächst einige Entweder-Oder-Fragen

Tee oder Kaffee?
E. D.: Tee – am liebsten schwarzen Tee oder Kräutertee-Sorten.

Optimistin oder Pessimistin?
E. D.: Optimist = Christin (lacht)

Ein gutes Buch oder ein neuer Kinofilm?
E. D.: Beides!

Nach einem langen Tag ab auf die Couch oder doch lieber aktive Abendgestaltung?
E. D.: Couch – leider. Oft wäre wohl Aktivität die bessere Lösung.

Vervollständigen Sie bitte folgenden Satz. Typisch für mich ist …
E. D.: ... laut zu lachen, kreativ zu sein, zu teilen.

Was würde Ihre Familie sagen, wenn man ihnen die gleiche Frage stellt?
E. D.: Im Großen und Ganzen das Gleiche. Meine Schwester würde hinzufügen, dass ich ehrgeizig und leidensfähig bin, und die jüngere Generation würde das Kreative wohl als „Verrücktheit“ der alten Tante bezeichnen.

Wann haben Sie Ihre Gemeinde über den Arbeitsortwechsel informiert?
E. D.: Während eines Epiphanias-Gottesdienstes mit toller Jazz-Musik an Silvester. Dabei eröffnete ich den Gemeinden in Rain am Lech und Donauwörth auch, dass ich die Stelle wechsle. Der Gottesdienst ist immer noch online auf dem YouTube-Kanal „Evangelische Kirche Donau-Ries“ verfügbar.

Haben Sie ein Lebensmotto? Wenn ja, möchten Sie dieses kurz erklären?
E. D.: Bibelverse begleiten mich. „Leben in Fülle“ würde ich sagen – spiegelt sich in einem mir wichtigen Spruch wider.

Nun zu Ihrer Person

Wo sind Sie geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen?
E. D.: In Nürnberg – dort habe ich die ersten 19 Jahre meines Lebens verbracht.

Wann haben Sie sich entschieden, Pfarrerin zu werden, und wie kam es zu diesem Berufswunsch?
E. D.: Nach meinem ersten Beruf bei der Deutschen Bundespost bin ich erstmals durch meine ehrenamtliche Tätigkeit in meiner Heimat-Kirchengemeinde in Nürnberg-Nikodemus zu diesem Berufswunsch gekommen. Aber auch durch die Beratung und Begleitung einer tollen Ehrenamtlichen, eines Pfarrers und eines Diakons vor Ort.

Einem Großteil unserer Leser*innen ist womöglich nicht gänzlich bekannt, wie der klassische „Karriereweg zur Pfarrerin“ aussieht. Können Sie uns hier einen kleinen Einblick geben?
E. D.: Da ich keinen klassischen Weg gewählt habe, kann ich da keinen Einblick geben. Normalerweise wären es allerdings fünf bis acht Jahre Studium mit den Schwerpunkten Sprache (Griechisch, Latein, Hebräisch), Bibelkunde, Dogmatik, Ethik und vieles mehr. Danach dann circa zwei Jahre Vikariat – also die praktische Ausbildung, vergleichbar mit dem Referendariat im Lehramt.

Da ich ursprünglich „nur“ einen Realschul-Abschluss habe, musste ich allerdings zunächst den Weg einer Ausbildung gehen. Es gibt hierbei die Möglichkeit zur doppel-qualifizierenden Ausbildung zur Diakonin. In meinem konkreten Fall zur Erzieherin und Diakonin. Zusätzlich ist dabei das Fachabitur integriert. Dafür absolvierte ich fünf Jahre Ausbildung zur Diakonin in Rummelsberg. Als solche habe ich dann 19 Jahre auf drei Stellen gearbeitet, vornehmlich in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Danach habe ich noch einmal dreieinhalb Jahre Theologie studiert, die praktische Ausbildung erhalten (z. B. wie gestaltet man Taufen, Hochzeiten etc.) und dann das zweite Examen als Pfarrerin im Quereinstieg absolviert.

Sie waren für insgesamt sieben Jahre evangelische Pfarrerin in Donauwörth. Wenn Sie zurückblicken: Was waren Ihre ersten Gedanken, als Sie die Stelle angetreten haben, und wie blicken Sie jetzt auf Ihre Zeit hier zurück?
E. D.: Meine erste Stelle als Diakonin war in Augsburg. Meine erste Stelle als Pfarrerin im Quereinstieg war dann also wieder im Schwäbischen. Es war ein bisschen wie heimkommen, aber doch neu und anders. Denn die Donau-Rieser sind wieder ein ganz „eigener“ Menschenschlag. Es gab neben den vielen Menschen, die ich kennenlernen durfte, wieder neue, schöne Landschaften und Kulturdenkmäler zu entdecken. Froh war ich außerdem, dass zur Stelle „nur“ eine Wohnung gehörte und kein großes Pfarrhaus – das hätte nicht zu mir gepasst.

Sie treten jetzt Ihre neue Stelle in Herzogenaurach an. Welche konkreten Herausforderungen kommen jetzt auf Sie zu und was waren die Gründe für den Wechsel?
E. D.: Neu muss ich mich in zahlreiche geschäftsführende Tätigkeiten einarbeiten. Die Kirchengemeinde Herzogenaurach ist z. B. für fünf Kindertagesstätten mit unterschiedlichen Profilen in Träger-Verantwortung. Das ist Neuland. Der Hauptgrund für meinen Wechsel war die Nähe zur Familie und Freunden. Vor allem aber, um Kontakt zu meiner Mutter zu halten. Sie wird im Juli dieses Jahres 89 Jahre. Nun kann ich sie in circa 20 Auto-Minuten erreichen – vorher hat die einfache Wegstrecke bereits eineinhalb Stunden gedauert.

In der jüngeren Vergangenheit nahmen Sie u. a. an der großen Demonstration gegen Extremismus, Hass und Hetze in Donauwörth teil. Wie wichtig ist es aus Ihrer Sicht, sich für diese Belange einzusetzen?
E. D.: Oftmals wird kritisiert, wenn Geistliche Stellung nehmen oder zu „politisch“ sind. Doch wenn ich die Botschaft Jesu ernst nehme, meine ich verstanden zu haben, dass der Glaube Christinnen und Christen aufruft, Zivilcourage zu zeigen, sich für den Frieden einzusetzen. Das wichtigste Gebot Jesu ist die Nächstenliebe. Das steht gegen jeglichen Hass und Menschenverachtung, die in jeder Form von Extremismus zu finden ist.

Wie wichtig ist Religion aus Ihrer Sicht noch immer für die heutige Gesellschaft?
E. D.: Neben den bereits genannten Aspekten wie Nächstenliebe und Frieden ist Religion ein „Unterbrecher“ in atemloser Zeit. Wir sind sehr fremdbestimmt und begeben uns in das Diktat von zahlreichen Terminen – in der Arbeit wie in der Freizeit. Wenn man Religion – egal welcher Konfession, ja sogar (fast) egal welcher Weltreligion – wahrhaftig ausübt, führt das zu Luft: Atem holen, Ruhe finden, zum Nachdenken gelangen. Das gibt neue, lebensförderliche Perspektiven.

Für junge Menschen scheint Religion eine immer geringere Rolle zu spielen. Wie kann es gelingen, Folgegenerationen für Kirche zu begeistern?
E. D.: Indem kirchlich Mitarbeitende – auch Ehrenamtliche – ehrlich mit Kindern und Jugendlichen umgehen und dabei stets verlässlich sind. Die richtige Abstimmung von Nähe und Distanz mitbringen. Authentisch von eigenen Glaubenserfahrungen erzählen, nichts erzwingen, sondern einladen. Dabei Zeit und Beziehung anbieten. Dann zieht auch das scheinbar „Altmodische“ immer noch junge Menschen an!

Politische Debatten zum Thema Einwanderung etc. gehören mittlerweile zum Alltag. Wie sehen Sie die Rolle der evangelischen Kirche in dieser Diskussion?
E. D.: Die evangelische Kirche sollte dem biblischen Zeugnis folgen. Im Alten Testament wird immer darauf verwiesen, dass das Volk Israel auch als „Fremdlinge“ in Ägypten schlecht behandelt wurde und sie es anders machen sollen (2. Mose 23,9). Im Neuen Testament steht, in jedem Fremden, den wir aufnehmen, nehmen wir Jesus selbst auf (Matthäus 25,35). Deshalb müssen wir uns als Kirche weiter politisch einsetzen und möglichst gute neue Gesetze schaffen. Kirchenasyl ist oft sehr schwierig umzusetzen, aber eventuell in so manchem Fall und wenn die Gegebenheiten passen, ein durchaus gangbarer Weg.

Was würden Sie sich diesbezüglich von der Bundespolitik wünschen?
E. D.: Nicht mehr und nicht weniger, als dass die Prämisse beachtet wird, dass Asyl ein Menschenrecht ist.

Ein Bibelvers, der sie auf ihrem weg stets begleitet hat, ist: „Du tust mir kund den weg zum leben: vor dir ist Freude, die fülle und Wonne zu deiner rechten ewiglich.“ (Psalm 16,11) Was verbinden Sie mit diesem Vers?

E. D.: Er wurde mir bei meiner Einsegnung als Diakonin 1996 mit auf den Weg gegeben. In allem Schlimmen und Argen, das uns im Leben begegnet, gibt es Gottes Macht. Sie hat das Leben in Fülle im Sinn. Wir dürfen und sollen es mit Freude genießen. Es ist eine Tradition bei den Evangelischen, dass zu wichtigen Lebensstationen ein Bibelvers zum Segens-Ritual dazu kommt. Außerdem legte ich den Vers bei meiner letzten schriftlichen Andacht im Gemeindebrief der Kirchengemeinde Donauwörth aus und gestaltete dazu meine erste Predigt in Herzogenaurach.

Sprechen wir zum Ende unseres Interviews gerne noch über die Privatperson Elke Dollinger

Der berufliche Alltag als Pfarrerin wirkt nach außen hin recht einnehmend. Wie wichtig ist deshalb eine gesunde Work-Life-Balance und wie kann diese gelingen?

E. D.: Pastor Martin von Gerlach hat dazu bereits 1904 vierzehn Punkte herausgearbeitet, die bis heute nachklingen. Ich greife fünf für mich sehr wichtige Punkte heraus: Mit Kirchenbann soll belegt werden: 

  • wer nicht mehr mit (seinen) Kindern spielt
  • wer aus Zeitgeiz nicht mehr an die See oder in die Berge will
  • wer kleinlich ist
  • sich selbst für unentbehrlich hält wer Unordnung einreißen lässt (etc.)

    Kurzum bedeutet das für mich: Eine gesunde Work-Life-Balance kann gelingen, in dem ich Zeit mit Kindern verbringe, immer wieder in die Natur gehe, großzügig bin, ich mich entbehrlich mache und ein gewisses Maß an Ordnung und wiederkehrenden Ritualen einhalte. Diese Leitsätze helfen mir. 

Welchen Hobbies gehen Sie in Ihrer Freizeit nach?

E. D.: Besuch von Kunstausstellungen, Malen, Spazieren gehen, Radl fahren, Schwimmen, Kochen. 

Sieben Jahre Donauwörth: Haben Sie Ihrer Gemeinde einen Lieblingsort, den Sie unseren Lesern empfehlen können? 

E. D.: Ich habe ja in Mertingen gewohnt – da bin ich immer wieder eine schnelle Runde ins „Schmuttergrün“ gelaufen, dort um den Badesee, oder dann zur schön angelegten Wasser-Tret-Anlage und habe die Erwachsenen-Outdoor-Sportgeräte ausprobiert. Wenn ich mehr Zeit mitgebracht habe, bin ich sehr gerne auf der ehemaligen Bahnstrecke in die „Mertinger Höll“ gelaufen, um dort Biber und zahlreiche Vögel zu beobachten oder habe den weiten Himmel von der ehemaligen Bahn-Signal-Anlage aus genossen.

Bewerten sie folgende persönliche Eigenschaften bitte auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 10 (sehr gut)

Zuhörerin?
E. D.: 10 Punkte.
Musikerin?
E. D.: 1 Punkt.
Rednerin?
E. D.: 8 Punkte.
Meinungsstärke?
E. D.: 8 Punkte.
Zuversicht?
E. D.: 10 Punkte.

Vielen Dank, Frau Dollinger, für das interessante Gespräch!

Redakteur. Schreibt bei uns für Online und blättle. Ist in Donauwörth geboren und aufgewachsen und der Stadt sehr verbunden. In seiner Freizeit als Spieler und Trainer auf den Fußball - und Tennisplätzen der Region zu finden.

Telefon: 0906 / 977 598 - 25

toesterer@donau-ries-aktuell.de