Dieter Münch hat viele Jahre abhängig getrunken, heute versucht er Schüler vor Suchtkrankheiten zu schützen Bild: privat


Dieter (66) ist ehemaliger Berufssoldat. Er hilft Bundeswehrangehörigen, die Alkoholprobleme haben und unterstützt den Arbeitskreis Suchtprävention. Obwohl – oder gerade weil er selbst trockener
Dieter (66) ist ehemaliger Berufssoldat. Er hilft Bundeswehrangehörigen, die Alkoholprobleme haben und unterstützt den Arbeitskreis Suchtprävention. Obwohl – oder gerade weil er selbst trockener Alkoholiker ist.
Donauwörth- „Jede Suchtkrankheit ist unheilbar, man kann sie lediglich zum Stillstand bringen“, beginnt Dieter das Gespräch. „Ich bin zufrieden abstinent!“, verkündet er gleich darauf stolz. Dass der 66-Jährige über Jahre hinweg „Problemtrinker“ war, daraus macht er kein Geheimnis. „Dass ich offen darüber spreche, ist mein Weg, mit meiner Vergangenheit umzugehen“, sagt Dieter. „Ich war ein Spiegeltrinker“, erklärt er, „erst bei einem gewissen Alkoholspiegel konnte ich meinen Alltag bewältigen.“
Der Unfalltod seines Kindes, an dem Dieter sich subjektiv selbst eine Teilschuld gab, war wohl einer der Gründe, warum der Ex-Soldat ab 1979 schließlich begann, zuerst missbräuchlich zu trinken, immer mehr, um irgendwann dem Alkohol total zu verfallen und in die Abhängigkeit abzurutschen. „Als Jugendlicher hatte ich in Festzelten und Partys meine ersten Berührungen mit Alkohol, wie viele andere Jungs auch“, erzählt Dieter. Dann hat er aber angefangen, immer häufiger über die Stränge zu schlagen. „Irgendwann habe ich aber alles getan, ,meinLeben‘ mit dem Alkohol auf meine Art zu leben. Es war ein Überlebenskampf“, beschreibt der Hauptmann a. D. seinen Einstieg in die Sucht.
Dieter sagt selbst, dass er überwiegend „hartes Zeug“ getrunken habe: „In meinen schlimmsten Zeiten, waren es eineinhalb Flaschen Schnaps und acht oder neun Bier an einem Tag.“ Das sind etwa 340 – 400 Gramm Alkohol am Tag. Der Körper eines erwachsenen Mannes kann maximal 20 Gramm am Tag vertragen, alles andere schadet der Gesundheit. „Es kam auch mal vor, dass ich Mundwasser zu mir genommen hatte, das hatte den Vorteil, dass man meine Fahne weniger riechen konnte“, blickt er zurück. Dieter hat sich über die Jahre hinweg als Alkoholabhängiger verändert, sagt er selbst. Obwohl er immer zu seiner eigenen Meinung stand, sei er devot geworden, sein Wesen habe sich verändert. Alles drehte sich nur darum, wie er an neuen Stoff kommt. Sein Körper zeigte äußerliche Erscheinungen der Krankheit: „Mein Gesicht war aufgedunsen und an meiner Nase waren rote Äderchen zu sehen.“
„Bei einer Suchtkrankheit ist nicht nur der Betroffene betroffen, sondern auch seine Familie“, so Dieter. Das sei auch bei ihm so gewesen: „Natürlich gab es da unschöne Situationen im Eheleben.“ Dieter ist nun 42 Jahre mit seiner Frau verheiratet. Fast die Hälfte der Zeit, hat er übermäßig getrunken. „Ich mache meiner Frau im Nachhinein keinerlei Vorwürfe, Angehörige haben bei einem Suchtkranken in der Familie meist keine Chance“, erklärt er. Bei ihm war es schließlich ein Vorgesetzter bei der Bundeswehr, der ihn wach gerüttelt hat. „Meine Chefs wussten teilweise von meiner Sucht, solange ich aber keine größeren Probleme gemacht habe, zogen die mich einfach mit“, berichtet Dieter wieder ohne Vorwürfe zu machen. „Als ich dann aber versetzt wurde, stattete mir mein neuer Vorgesetzter nach einer Woche am neuen Arbeitsplatz einen Besuch in meinem Büro ab. Er hielt mir die Pistole auf die Brust. Auf der anderen Seite bot er mir aber ein Gespräch mit einer Sozialarbeiterin der Bundeswehr an, dem ich sofort zustimmte. Als dieses Gespräch zwei Tage später stattfand, entschied ich mich, mich in eine achtwöchige Therapie in einer Fachklinik zu begeben. Ich hatte vor meiner Krankheit kapituliert.“
Mittlerweile ist Dieter seit über 18 Jahren trocken. In einer Excel-Datei zählt er sogar die Tage, es sind jetzt bereits über 6.000. Seit 2007 ist der ehemalige Berufssoldat Suchtkrankenhelfer und Ansprechpartner für Sucht bei der Soldatenselbsthilfe gegen Sucht e. V. In diesem Verein arbeiten überwiegend
Personen aus ihrer eigenen Betroffenheit heraus, um Soldaten, Soldatinnen sowie alle anderen Beschäftigen bei der Bundeswehr und deren Angehörigen bei allen stoffgebundenen und stoffungebunden Suchterkrankungen zu beraten, begleiten und betreuen.
Auch beim Arbeitskreis Suchtprävention im Landkreis ist Dieter aktiv. Zum Beispiel unterstützt er die Fachleute beim Suchtparcours an den Schulen. „Die Schüler schauen mich natürlich mit großen Augen an, wenn sie erfahren, dass ich von meinen eigenen Erlebnissen als Betroffener spreche. Aber gerade das macht ja den Suchtparcours aus. Sie sprechen dort mit einem Polizisten, einem Therapeuten,
einer Ärztin und eben auch mit mir über die Ursachen und Konsequenzen von Suchterkrankungen. Dass er nun selbst hilft, ist für ihn selbstverständlich: „Ich hatte sehr viel Glück im Leben, und so möchte ich durch mein soziales Engagement einfach etwas Gutes zurückgeben, auch wenn es für manchen nur schwer zu begreifen ist.“