Bild: Matthias Stark
In der aktuellen Ausgabe von „Matthias macht mit“ haben wir einen Sonderfall. Wir haben uns dafür entschieden, einen Blick in die Palliativstation am Nördlinger Stiftungskrankenhaus zu wagen. Da die Tage in dieser Station häufig sehr emotional und persönlich sind, haben wir in der Redaktion beschlossen, nicht im Arbeitsalltag der Station mitzuarbeiten, sondern nur einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Nördlingen - „Wer ins Krankenhaus muss, der verzichtet häufig auf Alkohol, das Rauchen oder bestimmte Nahrungsmittel, um gesund zu werden. Auf unserer Station ist es anders. Hier geht es nicht mehr um das gesund werden. Es geht einzig und allein darum, dem Patienten bis zuletzt das Leben erträglich zu machen, Symptome und Schmerzen zu behandeln und den ein oder anderen Wunsch zu erfüllen“, erklärt mir der Dr. Thomas Handschuh der Chefarzt der Palliativstation, der mich im 4. Stock des Nördlinger Stiftungskrankenhauses begrüßt. Seit 2013 ist die Palliativstation auf dem kompletten Stockwerk untergebracht. Insgesamt sechs Patientenzimmer stehen zur Verfügung.
Dr. Handschuh lädt mich in die Sitzgruppe am Eingang der Station ein. Dort erzählt er mir zuerst von der Geschichte der Palliativstation, die unter seiner Führung vor rund zehn Jahren am Nördlinger Stift eingerichtet wurde. „Auf der Station kümmern sich neben Ärzten und Pflegern auch ehrenamtliche Hospizhelfer um die Patienten. Daneben sind auf der Station aber noch verschiedene Therapeuten im Einsatz wie Musik-, Mal-, und Tiertherapeuten. Außerdem unterstützen uns Psychologen und Seelsorger bei der Arbeit auf der Station“, so Handschuh. Anders als auf den üblichen Stationen gibt es hier ausschließlich Einzelzimmer, dazu ein Wohnzimmer und sogar eine Dachterrasse. In einer Küche können sich Patienten und Angehörige versorgen. „Das wäre ohne Spenden nicht möglich. Glücklicherweise werden wir immer wieder von den Menschen in der Region mit Spenden bedacht und können so die eine oder andere Annehmlichkeit für die Patienten ermöglichen“, erklärt mir der Chefarzt. Auf die Palliativstation kommen Menschen, deren Krankheit in einem so fortgeschrittenen Zustand ist, dass eine Heilung aussichtslos ist.
„In den häufigsten Fällen leiden die Menschen an Krebs. Wenn es soweit ist, dann geht es darum, die Symptome zu bekämpfen und die Schmerzen zu reduzieren“, erklärt Dr. Handschuh. „Eine der häufigsten Begleiterscheinungenist Übelkeit. Und diese ist zudem noch sehr unangenehm, weshalb wir hier natürlich ansetzen. Außerdem geht es darum, den Menschen die Schmerzen zu nehmen“, so Handschuh weiter. Unter anderem kommt hier auch in medizinisch begründeten Fällen Morphium zum Einsatz. Dabei werden Medikamente – egal gegen welche Begleiterscheinung – nach einem Stufenplan gegeben, um nicht zu früh mit unerwünschten Nebenwirkungen konfrontiert zu werden. „So könnte es bei einem zu starken Einsatz von Morphium zum Versagen von Nieren und Leber kommen“, erklärt mir der Chefarzt.
Als nächstes zeigt mir Dr. Handschuh die Station. Unser erster Weg führt uns auf die Dachterrasse. Die drei Stufen dahin werden von einem Aufzug überbrückt, damit auch Patienten im Rollstuhl an die frische Luft können. „Das ist etwas, was wir unseren Patienten ermöglichen wollen“, erklärt mir der Arzt. In der Station selbst hängen zahlreiche Bilder an den Wänden. Diese wurden von den Schülern der Realschule Maria Stern gestaltet und erfüllen die ganze Station mit Leben und Farbe. Die Patientenzimmer sind groß, hell und freundlich eingerichtet. Die Zimmer sind außerdem groß genug, um ein bis zwei weitere Betten unterzubringen. „Es kommt sehr häufig vor, dass die Angehörigen die letzten Tage mit ihren Lieben verbringen möchten. Das ist natürlich möglich“, erklärt Dr. Handschuh und fügt hinzu: „Außerdem können in unserem Wohnzimmer ebenfalls Angehörige übernachten.“ In der Küche der Station steht für die Patienten und Angehörigen eine Kaffeemaschine sowie ein prall gefüllter Kühlschrank. Darin steht auch Bier. „Wie anfangs erwähnt, geht es nicht mehr um das gesund werden. Es geht darum, die letzten Tage noch zu genießen. Und wenn die Patienten ein Bier möchten, dann wollen wir ihnen das nicht verwehren“, sagt Dr. Handschuh. An die Küche schließt sich das Wohnzimmer der Station an. Hier können sich die Patienten und Angehörigen CDs und Bücher nehmen und damit die Zeit verbringen. In einem Regal stehen außerdem zahlreiche Erinnerungsbücher. Die Angehörigen haben hier nicht nur Erinnerungen an die auf der Station Verstorbenen hinterlassen, sondern auch teilweise die Sterbebilder und Nachrufe eingeklebt. „Manchmal vergehen nur wenige Wochen, bis die Angehörigen uns besuchen kommen und diese Erinnerung hierlassen. Aber manchmal dauert es auch Monate, bis die Angehörigen die Kraft finden, die Palliativstation erneut aufzusuchen“, erklärt Dr. Thomas Handschuh. Wichtig dabei sei die Seelsorge. Für die Patienten gibt es die Möglichkeit, von Geistlichen besucht zu werden. „Dazu gehört natürlich ebenso die letzte Salbung sowie die Möglichkeit, dass die Angehörigen von unseren Psychologen bei der Bewältigung der Situation unterstützt werden“, so Handschuh.
Dabei ist es für die Ärzte und Pfleger wichtig, den nötigen Abstand zu halten. „Es ist hier deutlich schwerer als auf den normalen Stationen, die Distanz zu wahren“, erklärt mir der Chefarzt. „Wir haben einen viel intensiveren und engeren Kontakt zu den Patienten als auf den anderen Stationen. Wir empfinden Mitgefühl, aber kein Mitleid. Das Sterben gehört auf dieser Station dazu“, erläutert Dr. Handschuh die Situation.
Bevor ich mich von Dr. Handschuh und der Palliativstation verabschiede, gibt er mir noch eine Sache mit auf den Weg: „Auch ein Mensch, der im Sterben liegt, kann glücklich sein. Es kommt nur immer darauf an, welche Sichtweise man hat. Vielleicht ist der Mensch glücklich, weil er seine letzten Tage im Kreise seiner Liebsten verbringen kann.“