Von links: Kassiererin Elfriede Roth (Sonthofen), Beisitzer für Digitalsierung Markus Schnitzler (Augsburg), Beisitzer für kommunalpolitische Vernetzung Albert Riedelsheimer (Donauwörth), Beisitzerin für Vielfalt Sabrina Harper (Augsburg), Bezirkssprecher Alpay Artun (Neu-Ulm) und Bezirkssprecherin Eveline Kuhnert (Burgau) Bild: Benedikt Rapp
Die Grünen Schwaben haben sich ausführlich mit dem neuen Koalitionsvertrag beschäftigt. Nach einer Diskussion über die einzelnen Punkte empfehlen sie ihren Mitgliedern jetzt einstimmig, dem Vertrag zuzustimmen. 

Bezirkssprecherin Eveline Kuhnert haderte lange mit den Ergebnissen des Koalitionsvertrags. "Ohne echte Mobilitätswende fehlt ein grünes Herzstück, das nicht nur wesentlich für den Klimaschutz, sondern auch wesentlich für die Lebensqualität der Menschen ist", so Kuhnert. Allerdings sehe sie auch, dass zu den Themen Artenvielfalt, Landwirtschaft und Naturschutz Großes erreicht wurde, gibt aber zu bedenken, dass noch so schöne Ausgleichsflächen den Schaden, der durch immer neue und breitere Straßen entstehe, nicht ausgleichen können. "Wir werden uns noch stärker gegen die Politik durch die Windschutzscheibe positionieren müssen und unsere Städte und Dörfer wieder zu Orten der Begegnung machen", fügte sie hinzu. 

Große Fortschritte in Gesellschaftlichen Fragen

Bezirkssprecher Alpay Artun sieht im Koalitionsvertrag viele Vereinbarungen, die ein besseres Leben für Millionen Bürger*innen bedeuten. Besonders freut ihn die Bekämpfung der Kinderarmut, die Bleibeperspektive für Geflüchtete in Ausbildung, die Entbürokratisierung der Behörden, der konsequente Glasfaserausbau, der starke Ausbau der Erneuerbaren Energien oder der Umbau zur klimaneutralen Wirtschaft, die nun möglich wird. „Großartige Fortschritte sehe ich in gesellschaftlichen Fragen, wie der Bekämpfung der Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern, der Unterstützung unterschiedlicher Lebensmodelle und der Queer-Politik, welche ich als echten Meilenstein bezeichnen würde. Dafür müssen wir leider in Kauf nehmen, dass die Besteuerung von Superreichen zur Entlastung von niedrigen und mittleren Einkommen den Weg in den Koalitionsvertrag nicht geschafft hat", resümiert er. 

Sabrina Harper: "Kompromisse immer Teil einer Koalition"

Vorstandsmitglied Sabrina Harper formuliert ihre Haltung kurz und prägnant: "Kompromisse sind immer Teil einer Koalition, insbesondere in einer Konstellation mit drei Parteien. Grundlegend zeigt der Koalitionsvertrag, dass eine zukunftsweisende Richtung eingeschlagen wird - raus aus dem Stillstand und hin zu einer Politik, die für die zukünftigen Generationen Verantwortung trägt. Zentrale Grüne Themen, wie der Klimaschutz und die Bekämpfung von Kinderarmut, sowie sozialer Ungerechtigkeit haben ihren festen Platz gefunden und können nun angegangen werden."

Klimaschutz eine Aufgabe aller Beteiligter 

Albert Riedelsheimer, Beisitzer und Umweltbeauftragter des Bezirkstags bedauert, dass das Verkehrsministerium nicht von den Grünen besetzt wird: „Andererseits wird dadurch aber deutlich: Klimaschutz ist eine Aufgabe von allen Beteiligten in der Koalition und nicht nur von uns Grünen.“ Ein entscheidender Punkt in der Verkehrspolitik ist für ihn die klare Festlegung zu mehr Investitionen in die Schiene als in die Straße. „Wir werden die Umsetzung dieser Leitlinie in Schwaben kritisch beobachten.“, kündigt er an. Konkret sieht Riedelsheimer Schienenprojekte wie die Elektrifizierung der Bahnstrecken im Allgäu, die Wiederinbetriebnahme der Hesselbergbahn im Donau-Ries sowie den barrierefreien Ausbau aller Bahnhöfe als Aufgaben in Schwaben. Zurückgestellt werden müssen aus seiner Sicht überdimensionale Straßenbauprojekte wie der Ausbau der B 12 von Buchloe nach Kaufbeuren.

Gesellschaftlicher Aufruf spürbar 

Elfriede Roth, Bezirksschatzmeisterin, sieht viele Punkte, die von den Grünen schon seit Jahren gefordert werden, vor der Realisierung: „Die Istanbulkonvention "Gewalt gegen Frauen" soll -endlich - vorbehaltlos und wirksam - umgesetzt werden. Der Paragraf 219a wird abgeschafft. Die Kindergrundsicherung wird kommen. Die Leistungen gemäß SBG II (Hartz IV) werden neu geregelt und später in ein Bürgergeld überführt. Der Familiennachzug soll erleichtert werden, die zivile Seenotrettung soll nicht mehr behindert werden, Menschen die nach Deutschland kommen, haben einen Anspruch auf einen Integrationskurs. Arbeitsverbote und Kettenduldungen sollen wegfallen. Das Staatsbürgerschaftsrecht wird neu aufgestellt. Hier wird ein gesellschaftlicher Aufbruch spürbar, auch wenn die konkreten gesetzlichen Maßnahmen noch formuliert werden müssen.“

Auch Vorstandsmitglied Markus Schnitzler sieht nicht alle Wünsche erfüllt, steht aber hinter dem Vertragsentwurf: „Auf lokaler Ebene haben wir die Wochen der Koalitionsverhandlungen gespannt und mit großen Erwartungen verfolgt. Dass es dabei auch Kompromisse wie bei der Verkehrspolitik geben würde, gehört dazu - gerade bei einer Dreierkonstellation mit deutlichen Unterschieden in den Programmen.“ Für ihn ist der politische Neuanfang wichtig: „Unter dem Strich steht der Koalitionsvertrag aber für den so wichtigen Aufbruch, der nach 16 Jahren mit einer konservativ geführten Bundesregierung gar nicht schnell genug kommen kann. In wichtigen Bereichen verspricht der Vertrag eine deutliche Verbesserung und erste Schritte in die richtige Richtung. Dennoch kann das erst der Anfang sein und wir dürfen als Parteibasis nicht damit aufhören, immer wieder an unsere Werte und Ideale zu erinnern und das Streben danach einzufordern." (pm)