Vanessa Eßmann (rechts) ist ins Geschäft ihrer Eltern eingestiegen. Bild: Marco Kleebauer
Sie sind Händler aus Leidenschaft, haben Geschäfte in der Region, neue Ideen, kennen ähnliche Probleme, sind online und offline gut aufgestellt, erfolgreich und alle unter 35. Sarah Eberhardt, Andreas Schäfer und Vanessa Eßmann erzählen von jungen Strategien im Einzelhandel.
Innovation aus dem Internet im Nördlinger Geschäft
Die Geschichte des Nördlinger Männerausstatters Lettenbauer reicht bis ins Jahr 1905 zurück. 2016 ist die 27-Jährige Vanessa Eßmann in die Geschäftsführung des elterlichen Modehauses mit eingestiegen. „Das Geschäft fit für die Zukunft machen“, ist ihr Motto.
Eßmann möchte Abläufe im Geschäft digitalisieren, im Warenein- und verkauf auf Papier verzichten. Alles soll nur noch auf elektronischem Weg laufen. Sie hat die Homepage auf Vordermann gebracht und Social-Media-Accounts für das Modehaus eingerichtet. Für die junge Geschäftsführerin ist der große Modemarkt im Internet kein Grund zur Verzweiflung. Ganz im Gegenteil: Sie nimmt die Trends aus dem Netz mit in ihr Geschäft. „Wenn Online-Shops immer stärker werden, müssen wir eben auch nachziehen“, sagt Eßmann. Sie denkt dabei an „Personal Shopping“ – also individuelle Beratungstermine mit den Verkäuferinnen, die selbstverständlich online vereinbart werden können und Kundenservice über die Chatfunktion WhatsApp.
Der Trend geht mittlerweile hin zum Verkauf von kompletten Outfits, weiß Eßmann. Sie greift auch hier die Idee von großen Online-Shops auf und ergänzt sie mit individueller Beratung. Vanessa Eßmann ist mit Leidenschaft Geschäftsfrau und mit Herzblut Nördlingerin, wie sie selbst sagt. Im Nördlinger Stadtmarketingverein bringt sie Ideen für eine weiterhin belebte Fußgängerzone ein. Ihre Vision ist zum Beispiel eine Homepage, auf der sich die Händler gemeinsam präsentieren und jeweils einen kleinen Teil des Sortiments in einem Online- Shop anbieten. Auch für ihren Laden könnte sich die junge Geschäftsführerin das vorstellen.
Sarah Eberhardt in ihrem verpackungsfreien Landen in Nördlingen. Bild: Mara Kutzner
Einkaufen ohne Verpackungsmüll
Im April 2017 eröffnete die 24-jährige Sarah Eberhardt ihren Laden am Nördlinger Schäfflesmarkt. Angefangen hat alles aber mit der Bachelorarbeit der damaligen Innenarchitekturstudentin. Dafür hat sich Eberhardt ein Konzept für einen Laden überlegt, in dem Lebensmittel lose und ohne Plastikmüll verkauft werden. Mittlerweile gibt es den Landen wirklich. Auch weil sie innerhalb kürzester Zeit über eine Online-Crowdfunding-Kampagne 300 Unterstützer gefunden hat, die gemeinsam 28 000 Euro in den Laden „Ohne Umweg“ investieren wollen. Wäre beim Crowdfunding weniger als 27000 Euro zusammengekommen, wäre das Geld wieder an die Unterstützer zurückgefallen. Die Idee von Crowdfunding ist auch, dass es sich um eine Art Vorverkauf handelt. Als Gegenleistung erhielten die Unterstützer Jutetaschen, Glasbehälter oder Einkaufsgutscheine im Wert von bis zu 1100 Euro.
Bei Ohne Umweg gibt es Getreideprodukte wie Mehl, Müsli oder Nudeln, die man sich in selbst mitgebrachte Behältnisse abfüllen kann. Obst und Gemüse gibt es lose und saisonal, Molkereiprodukte in Gläsern. Nach einem Jahr haben sich über 450 Artikel ohne Plastikverpackungen im Sortiment fest integriert.
„Wir haben super Resonanzen. Die Nördlinger freuen sich an unserem verpackungsfreien und regionalen Angebot. Auch besonders unser Cafébereich und das täglich wechselnde Mittagessen wird sehr gut angenommen“, so Sarah Eberhardt. Die Ladeninhaberin ist froh, sich mit ihrer Geschäftsidee in Nördlingen niedergelassen zu haben: „Die Straßen, Häuser und öffentliche Plätze in Nördlingen wurde in den letzten Jahren stark renoviert, was wiederum auch Geschäftsleute vermutlich dazu animierte, hier Läden zu eröffnen. Für Bewohner ist diese Stadt interessant, da sie sehr viel Geschichte hat und zum anderen, durch viele Cafés sehr verlockend ist. Die Nördlinger schätzen kleine Geschäfte, die etwas Besonderes mit sich bringen.“
Eine attraktive Innenstadt für junge Leute
Im Fashion Store Ohlàlà gibt es junge Mode. Bild: Mara Kutzner
Eine attraktive Innenstadt muss es auch für junge Leute geben, sagen der 33-jährige Andreas Schäfer und seine 27-jährige Lebens- und Geschäftspartnerin Elvira Bauer. Und daran arbeiten die beiden in ihren mittlerweile zwei Geschäften in Donauwörth. Im Ohlàlà Fashion Store und bei Men’s Streetfashion gibt es junge, außergewöhnliche Mode, Trendteile, Glitzeroberteile, auffällige Prints und Jeans im Used-Look. Das Damemodegeschäft ist seit März 2017 in der Reichsstraße zu finden, ein halbes Jahr vorher eröffnete es in der Eichgasse. Dort ist jetzt der MännerStore.
„Für junge Männer gab es kaum was“, meint Schäfer und seine Freundin ergänzt: „Es gibt viele Kunden, die einfach mal andere Mode wollen“. Ihre Läden kommen gut an – besser könne es aber natürlich immer laufen, schmunzeln sie. Viele Kunden werden über Instagram auf die Läden aufmerksam. Fast täglich posten Schäfer und Bauer dort neue Outfits und stellen Looks vor. Stammkunden werden auch mal direkt Fotos von neuer Ware zugeschickt. „Bei uns läuft alles online“, erzählen sie.
Die Lage in der Donauwörther Innenstadt gefällt den beiden gut und sie loben die Events der City-Initiative-Donauwörth. Wie ihre erfahrenen Kollegen auch, sehen sie aber Probleme auf die Reichsstraße zukommen. Die Öffnungszeiten aller Geschäfte sollten gleich sein, schlägt Andreas Schäfer vor. Elvira Bauer meint, der Wochenmarkt sollte in die Reichsstraße wandern. Dass die Straße verkehrsberuhigt oder zeitweise nur für Fußgänger freigegeben werden soll, finden die beiden gut. Am meisten wünschen sie sich aber Aufenthaltsqualität für junge Menschen. Mehr Cafés und Bars als Treffpunkte sollte es geben, dann kämen die jungen Leute automatisch auch wieder in die Innenstadt.