Zucker, Zimt, Kakao, ganz fein gehacktes Orangeat, Zitronat, Rosinen und Biskuitbrösel gemischt mit Apfelmus“, beschreibt Bäckermeister Willi Weißgerber die besondere Füllung des gedeckten Apfelkuchens. Seit er 14 Jahre alt ist, und damals seine Lehre zum Bäcker begann, steht er in der Backstube. Erst in seinem Lehrbetrieb in Donauwörth, später in der eigenen Bäckerei in Wallerstein. 1971 kauften er und seine Frau Friedel die Fürstliche Hofbäckerei in Wallerstein. Wie viele Rieser Bauerntorten Willi Weißgerber seit dieser Zeit wohl gebacken hat? Es sind unzählige, und bis heute entstehen meistens täglich zwei bis drei Stück, die schon in den frühen Morgenstunden vorbereitet werden. „Ich komme nur zum Kontrollieren“, sagt Weißgerber schmunzelnd. Der über 80-Jährige steht tatsächlich noch täglich in der Backstube und stellt vor allem feine Konditorware her, denn für diese reicht es, wenn er erst um 8 Uhr morgens beginnt. Die Rieser Bauerntorte überlässt er meist seinen jüngeren Mitarbeitern – doch wenn er selbst noch einmal Hand anlegt, merkt man sofort: Das sitzt.
Mit geschultem Augenmaß rollt Willi Weißgerber im Handumdrehen den Hefeteig perfekt kreisrund für das große Backblech aus, das er vorher großzügig mit viel Margarine bestrichen hat. „Fast schon ein Geheimtipp“, kommentiert er. Danach geht es an den Deckel der Rieser Bauerntorte. Der ebenfalls große und rund ausgerollte Teig wird mit verquirltem Ei eingestrichen und anschließend kunstvoll eingeschnitten – und zwar auf seine ganz individuelle Weise.
Ein Kuchen - zwei Varianten
Das Besondere an der Bauerntorte ist, dass es sie in zwei Varianten gibt. Ihre Wurzeln hat der Rieser Apfelkuchen bereits im 16. Jahrhundert.
Schon damals gab es offenbar zwei Versionen – eine evangelische und eine katholische. „Meine Großeltern haben immer erzählt, dass die Konfessionen früher eben sehr stolz waren und deshalb wollten sie, dass man gerade an einem Festtag auf den ersten Blick erkennen kann, ob evangelisch oder katholisch“, erzählt Lena Scherer, ebenfalls Bäckermeisterin und Enkelin von Willi Weißgerber.
Die Unterschiede sind bis heute sichtbar: Die katholische Version wird klassisch mit mehreren Teigstreifen mit einem Rautenmuster versehen, während die evangelische Variante durch einen geschlossenen Teigdeckel auffällt, der individuell eingeschnitten und verziert wird. Die Bäckerei Weißgerber in Wallerstein stellt meistens die evangelische Variante her – auf Bestellung wird auch die katholische Variante gebacken. Die sei allerdings etwas aufwendiger, verrät Willi Weißgerber. „Ich schneide immer Ähren ein, aber das kann natürlich jeder Bäcker machen, wie er möchte“, sagt der Bäckermeister. „Die Evangelische hat den Vorteil, dass sie geschlossen ist und das Apfelmus dadurch saftiger bleibt.“
Nachdem die Apfelmusmasse auf dem Boden gleichmäßig verteilt wurde, wird der eingeschnittene Deckel auf den Kuchen gelegt. Eine Angelegenheit, bei der man Fingerspitzengefühl braucht und Lena Scherer ihrem Großvater zur Hand geht. Dann geht es für die Rieser Bauerntorte gut eine Stunde in den Ofen.
Die Rieser Bauerntorte ist im Trend
Entstanden ist die Rieser Bauerntorte aus der Notwendigkeit, im Herbst die reichen Apfelernten haltbar zu machen. Das Obst wurde zu Apfelmus verarbeitet und eingekocht, um es zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten, Kommunionen, Firmungen oder Konfirmationen zu verwenden. Lange Zeit blieb die Torte den Festtagen vorbehalten. „Sie war die ‚Torte‘ der einfachen Leute. Aber Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre konnten sich dann viele Leute auch richtige Torten leisten und in dieser Zeit ist die Bauerntorte mehr und mehr verschwunden“, erzählt Lena Scherer.
Heute gehört sie in der Bäckerei Weißgerber in Wallerstein wieder zum Alltag. Viele Kund*innen kommen gezielt dafür vorbei und täglich gehen zahlreiche Stücke über den Ladentisch. „So gut wie jedes Brautpaar, das bei uns eine Hochzeitstorte bestellt, bestellt auch eine Bauerntorte, weil sie einfach dazu gehört“, erzählt die Bäckermeisterin. Die Rieser Bauerntorte ist in den letzten Jahren wieder stärker gefragt und bleibt damit eine echte Spezialität aus dem Ries.