Bild: Heidi Källner
Die ehemalige Residenzstadt Oettingen hat sich in den letzten Jahren zur wahrhaften Storchenhauptstadt in Schwaben entwickelt. Heuer gibt es wieder 18 Nester in der Stadt. Heidi Källner kennt sie alle, weiß welche Störche Nisthilfen benötigen und wo gebrütet wird. 
Die ehemalige Residenzstadt Oettingen hat sich in den letzten Jahren zur wahrhaften Storchenhauptstadt in Schwaben entwickelt. Heuer gibt es wieder 18 Nester in der Stadt. Heidi Källner kennt sie alle, weiß welche Störche Nisthilfen benötigen und wo gebrütet wird. 
Bild: Heidi Källner
Oettingen - Für meinen Spaziergang durch Oettingen treffe ich die Storchenbeauftragte direkt am Marktplatzbrunnen in der Schloßstraße. Unsere Blicke schweifen nach oben zu den Hausdächern. „Das gibt´s doch nicht! Schauen Sie sich das mal an. Die klauen sich das Nistmaterial“, ruft mir Heidi Källner zu und zeigt auf den Schornstein vom Haus in der Schloßstraße 16 (1). Und tatsächlich! Als sich ein Storch aufmacht, um neues Nistmaterial zu sammeln, kommen sofort zwei andere Störche angeflogen und sammeln die wenigen Äste mit ihren langen Schnäbeln auf, die ihr Artgenosse kurz vorher mühevoll gesammelt und abgelegt hatte. „So wird das nichts mit dem Nest“, meint Källner und schüttelt verzweifelt den Kopf. Als Storchenbeauftrage der Naturschutzbehörde hat sie schon weitergemeldet, dass der Storch auf dem Hausdach gegenüber vom Marktplatzbrunnen Hilfe beim Nestbau braucht. Eine Nisthilfe, also eine Konstruktion als Unterbau für das Nest, wird in den nächsten Tagen auf dem Kamin aufgebaut. Mit unseren Blicken verfolgen wir jetzt die beiden „Diebe“. Beide fliegen quer über die Schloßstraße und landen jeweils auf dem Gebäude der Hof- und Stadt-Apotheke (2) und auf dem Röttgerhaus (3). Dort sind große Nester, in denen seit März schon fleißig gebrütet wird. Einen Grund, das Nistmaterial ihres Nachbarn zu stehlen, haben die beiden eigentlich nicht. Wir laufen die Schloßstraße in Richtung Schloss entlang, an den beiden Nestern vorbei. Ein Stückchen weiter auf der rechten Straßenseite, auf dem Gebäude Schloßstraße 13 (4) gibt es ebenfalls ein Nest. „Im letzten Jahr war es besetzt, jetzt sind noch keine Störche da“, weiß Källner. Weißstörche überwintern zum Teil in Westafrika, viele wählen aber auch häufig einen kürzeren Weg ins Winterquartier und fliegen bis nach Spanien. Zum Teil gibt es aber auch Störche, die sich über den Winter in Deutschland aufhalten.
Bild: Heidi Källner
Heidi Källner und ich sind mittlerweile am Schloßplatz angekommen und ich entdecke gleich die nächsten Nester. Am Haus in der Schloßstraße 2 (5) wird wild geklappert. Zwei Störche bewachen dort ihre Eier. Auf dem rötlichen Haus der Volkshochschule (6 und 7) gibt es zwei Nisthilfen samt Nestern. Mitte April war erst eines davon von einem Storchenpaar besetzt, gebrütet wurde damals aber noch nicht. Im zweiten Nest auf dem Dach sitzt nur ein Storch. „Seine Partnerin ist noch nicht da“, weiß Heidi Källner. Störche bleiben ihrem Horst treu – wenn der Neststandort gut war. Meist kehrt das Männchen als Erstes zurück und beginnt mit den Renovierungsarbeiten, denn die Jungtiere vom vergangenen Jahr und auch der Winter haben den Nestern zugesetzt. Lange wartet Adebar auf seine Störchin aber nicht. Wenn sie nach einigen Tagen nicht ankommt, muss er annehmen, dass seine Partnerin von der langen anstrengenden Reise aus dem Süden nicht zurückkehrt. Der Storch wird aber nicht alleine bleiben, sondern sucht sich eine andere Störchin, um einen Familie zu gründen. Taucht seine Partnerin aus dem Vorjahr doch noch verspätet am Nest auf, kann es gut sein, dass es unter den Damen zu Rivalitätskämpfen kommt.
„Kommen Sie, jetzt zeige ich Ihnen die Nester aus einem ganz besonderen Blickwinkel“, schlägt Heidi Källner vor. Wir laufen zum Kirchturm von St. Jakob, denn von dort oben kann sie die Störche der Stadt am besten beobachten. „So bin ich fast direkt in den Nestern“, lacht Källner. Oben weht ein zugiger Wind und die Störche fliegen uns im wahrsten Sinne des Wortes um die Ohren. Wir stehen an der schmalen Aussichtsplattform und blicken tatsächlich direkt in die Nester in der Schloßstraße. Heidi Källner kann von dort nicht nur beobachten, in welche Nester die Vögel fliegen. Sie hat auch einen guten Überblick, wo gerade gebrütet wird, welche Nester nicht besetzt sind und wo es die ersten Jungstörche gibt.
Wir gehen um die Aussichtsplattform herum und blicken jetzt direkt aufs Residenzschloss. Auf dem Dach des sogenannten Prinzessinnenbaus (8 und 9) hat das Fürstliche Haus ebenfalls Den Störchen auf der Spur zwei Nisthilfen angebracht. Wir können deutlich sehen, dass in beiden Nester Eier liegen, die Jungen werden bestimmt bald schlüpfen. Im Nest auf dem Dekanat (10) wurde bei meinem Besuch in Oettingen zwar noch nicht gebrütet, aber es geht geschäftig zu. Die beiden Störche fliegen abwechselnd los, um Material für die Reparaturen am Horst zu sammeln. Heidi Källner und ich lassen unsere Blicke über die Stadtgrenze hinaus zur Wörnitz und die weiten Felder und Wiesen schweifen. Dass sich gerade in der Stadt im Nordries so viele Störche ansiedeln, ist sicherlich den feuchten Wiesen rund um Oettingen zu verdanken. Dort fühlen sich die großen Vögel sichtlich wohl und finden genug Mäuse, Regenwürmer und Insekten, von denen sie sich ernähren. Heidi Källner erklärt außerdem, dass Störche nun mal gerne in Kolonien leben, das Leben auf dem Land genießen aber trotzdem die Nähe zum Menschen suchen – Oettingen ist dadurch ein perfektes Zuhause für Störche.
Bild: Mara Kutzner
Vom Kirchturm aus habe ich jetzt einen guten Überblick über die meisten Nester in der Innenstadt bekommen, die wollen wir uns jetzt aber noch aus der Nähe ansehen. Wir steigen die Treppenstufen wieder hinab und laufen über den Fußweg am Schloss vorbei aus der Altstadt hinaus und biegen in die Georg-Friedrich-Steinmeyer- Straße ein. Am Orgelhof bleiben wir stehen und blicken in Richtung Stadt. Auf dem Orgelhaus (11), wo bis 2001 die bekannte Orgelherstellung von G.F. Steinmeyer zu Hause war, gibt es seit diesem Jahr ein neues Storchennest. Auf unserem Weg zurück in die Innenstadt erzählt mir Heidi Källner, dass sie nicht nur die Oettinger Störche beobachtet, sondern im ganzen Ries den Störchen auf der Spur ist. Auch in Harburg, Möttingen, Nördlingen, Deiningen, Alerheim, Wörnitzostheim, Bühl, Rudelstetten, Holzkirchen, Wemding, Munningen, Auhausen, Pfäfflingen und Löpsingen haben sich in diesem Jahr wieder Störche niedergelassen. Wir biegen beim Schloss in den Fürstlichen Hofgarten ein. Im Park mit zum Teil 200 Jahre altem Baumbestand hat der Frühling längst Einzug gehalten. Gleich hinter dem Nest in der Schloßstraße 2 entdecke ich Störche in ihrem Horst auf einem Strommast (12). Gemeinsam schlendern Heidi Källner und ich den Weg an einem Bach entlang. Ich frage meine Gesprächspartnerin, warum und seit wann sie sich für die Störche in der Region einsetzt. Heidi Källner erzählt von der Zeit, als sie noch Leiterin des Nördlinger Tierheims war. Damals wurde sie zu einem Notfall gerufen, als ein Jungstorch bei seinen ersten Flugversuchen in einen Hinterhof stürzte. Källner wickelte den verletzten Storch in eine Decke und brachte ihn später in eine Storchenauffangstation in Baden-Württemberg. „Das war das erste Mal, dass ich einem Storch so nahe war“, erinnert sich Källner. Als Natur- und Tierfreund ist sie seitdem von den Tieren beeindruckt.
Ein Stückchen weiter unten im Hofgarten sehen wir ein Nest in einem Baum (13) – das einzige in Oettingen, welches sich nicht auf Kaminen oder Strommasten befindet. Wir spazieren noch kurz durch den Hofgarten, wieder in die Schloßstraße und über die Hofgasse und die Manggasse zum Klosterplatz (14). Auf einem der Häuser ist wieder ein Nest. Wir sind uns zuerst nicht sicher, ob das Nest von einem Storch bewacht wird. Heidi Källner zeigt mir den besten Platz, um das Nest zu beobachten, aber der Vogel im Nest will sich nicht zeigen. Erst als wir umkehren und wieder Richtung Stadt laufen, richtet er sich auf und gibt sich zu erkennen. Wenn die Störche lange im Nest sitzen, ist das ein gutes Zeichen dafür, dass sie bereits brüten, erklärt die Storchenexpertin. Auf dem Rückweg laufen wir noch an der Kirche St. Sebastian und dem Marienbrunnen vorbei in die Pfarrgasse. Das Nest auf dem Strommast (15) in der Gasse haben wir bereits vom Kirchturm aus gesehen. Nach gut zwei Stunden kommen wir wieder an unserem Ausgangspunkt an. Die Nester am Schloßbuck (16), in der Gartengasse (17) und am Grafenfeld (18) werde ich mir bei meinem nächsten Besuch in Oettingen genauer ansehen.
Bild: DRA