Bild: Matthias Stark
Bei der Arbeit und zu Hause ist mir letztens aufgefallen, wie oft ich am Tag Klebeband benötige. Da habe ich einmal überlegt, wie viele verschiedene Klebebänder es so gibt: Einseitiges Klebeband und doppelseitiges Klebeband, durchsichtiges und buntes, welches,das möglichst für die Ewigkeit halten soll, und wieder anderes, das sich rückstandsfrei entfernen lässt.Doch wie kommt eigentlich der Kleber auf die Folie? Und wie wird daraus dann die praktische Rolle, die ich zu Hause verwende? Dieser Frage bin ich für euch nachgegangen, und zwar bei den Experten von Gerlinger Klebeband in Nördlingen.
Nördlingen - Doppelseitiges Klebeband – das findet man vermutlich in jedem Haushalt. In Deutschland gibt es nur noch wenige Hersteller. Einer davon hat seinen Sitz in Nördlingen. Nach der Gründung in Wiesbaden im Jahr 1961 und kontinuierlicher Weiterentwicklung des Unternehmens, produziert Gerlinger Klebeband seit Mitte der 80er Jahre die verschiedensten Klebebänder in Nördlingen – natürlich auch doppelseitige. Also habe ich mir angeschaut, wie aus verschiedenen Trägermaterialien und Kleber am Ende die vielseitigen Haushaltshelfer und hochspezialisierten Industrieprodukte werden.
Wer von Donauwörth über die Augsburger Straße nach Nördlingen fährt, kommt an den großen Hallen der Firma Gerlinger vorbei. Am Hauptsitz des Unternehmens, in der Dietrich-Gerlinger-Straße, werde ich von Friedrich Gerlinger, dem Junior-Chef der Firma, erwartet. Er führt das Unternehmen mittlerweile in der dritten Generation und nimmt mich mit in die Produktion. Nur wenige Besucher dürfen diese betreten. Als ich die Feststellung treffe, dass Klebeband im Endeffekt ja nichts anderes sei, als eine Folie, die mit Kleber bestrichen ist, ernte ich ein freundliches Lachen von Friedrich Gerlinger. Damit habe ich nicht Unrecht. Aber wie ich feststelle, braucht es viel mehr um Klebeband herzustellen. Deshalb führt mich Friedrich Gerlinger als erstes in das Lager.
Hier kommen die Rohstoffe für die Produktion an. „Ein Klebeband besteht in erster Linie aus zwei, manchmal auch aus drei offensichtlichen Komponenten“, so der Unternehmenschef. „Unsere Produkte bestehen aus dem Träger, dem Kleber und in manchen Fällen noch einer Trennlage auf dem Kleber“, erklärt er mir. Im Lager der Firma liegen hunderte verschiedene Träger. Folie, Papier oder sogar Aluminium eignen sich beispielsweise als Träger. „Es kommt immer auf den Anwendungsfall an. In den vergangenen zehn Jahren hat vor allem das energieeffiziente Bauen von Gebäuden dazu beigetragen, dass wir viele neue Produkte entwickelt haben. So bieten wir zahlreiche Klebebänder an, welche die Luftdichtheit von Bauwerken ermöglichen“, sagt Friedrich Gerlinger.
Neben den Trägermaterialien lagern hier in großen Tanks auch die Rohstoffe für die Produktion des Klebers. Neben Wasser kommen verschiedene Chemikalien, unter anderem Harze, in der Produktion zum Einsatz. „Es gibt in der Produktion von Klebebändern mehrere Klebersysteme. Neben dem von uns verwendeten Dispersionskleber auf Wasserbasis, produzieren andere Hersteller Klebstoffe, die in Lösungsmittel gelöst sind“, erfahre ich von Friedrich Gerlinger. In einem Rührbehälter – er kann bis zu 5500 Liter Kleber fassen – wird die Mischung angesetzt. Ist diese fertig, wird sie in einen der Lagertanks gepumpt. Von dort geht es über Rohre weiter in die Produktionshalle.
Die Produktionsmaschinen in der Beschichtung erinnern an Druckmaschinen. Statt Papier gibt es das Trägermaterial, statt Farbe den Klebstoff. Die Rollen mit dem Trägermaterial sind in unserem Fall meist 1,630 Meter breit. „Ein Standardmaß, woraus man alle gängigen Größen an Rollen schneiden kann“, erklärt mir Friedrich Gerlinger. Je nach Menge des Klebers pro Quadratmeter – es können bis zu 300 gr/m2 sein – braucht es bis zu zwei Durchgänge, um die nötige Menge aufzutragen. In unserem Fall hat das doppelseitige Klebeband je Seite eine Klebstoffmenge von ca. 90gr/m2. Die Menge des Klebers, der aufgebracht wird, muss laufend überwacht und bei Bedarf nachjustiert werden. Nach dem Auftragen des Klebers läuft das Klebeband durch einen beheizten Trocknungskanal. Hier ist die jahrelange Erfahrung der Firma gefragt.
„Wir haben hunderte unterschiedliche Rezepturen und bei jeder brauchen wir einen genau abgestimmten Trocknungsprozess. Die Kunst ist es, den Kleber so zu trocknen, dass der Kleber nicht mehr flüssig ist. Aber auf der anderen Seite darf er auch nicht zu trocken werden, sonst würde er am Ende wegbröseln“, erklärt mir der Unternehmer. Nachdem unser doppelseitiges Klebeband den Ofen verlassen hat, wird in diesem Fall ein ultradünnes Kunststoffgewebe auf die Klebefläche aufgebracht. „Diese Zwischenschicht ist nötig, um bei der Verarbeitung des Klebebands den Klebefilm nicht zu überdehnen“, sagt Gerlinger. In einem weiteren Produktionsdurchlauf wird auf das Gewebe eine weitere Schicht Kleber aufgetragen und auch dieser anschließend getrocknet. Fertig sind rund 2000 Meter Klebeband. Es hat aber noch eine Breite von 1,63 Meter. So entstehen am Tag bis zu 70000 Meter Klebeband. Die breiten Klebebahnen werden in der nächsten Halle weiterverarbeitet. Hier werden sie auf „Maß“ geschnitten. Die Rolle wird in die Schneidemaschine eingehängt, welche das Klebeband abrollt. Es durchläuft eine erste Arbeitsstation. „Es gibt unter anderem Klebebänder, bei denen eine Perforation der Trennlage nötig ist. Auch das können wir hier. Bei unserem doppelseitigen Klebeband ist das allerdings nicht nötig“, so Gerlinger. Nachdem das Klebeband über zwei Walzen gelaufen ist, wird das Klebeband mit scharfen Schneidmessern in die handelsüblichen Breiten und Längen geschnitten. „Im aktuellen Fall produzieren wir 50 mm breite und 50 m lange Rollen“, erklärt Friedrich Gerlinger. Aus den ursprünglichen 1630 mm x 2000 Metern Klebeband werden so 1280 Rollen Klebeband. Nach dem Schneiden auf die Breite von 50 mm laufen die Einzelstreifen getrennt weiter. So werde verhindert, dassdiese wieder aneinanderkleben. In einem vollkommen automatisierten Prozess wird das Klebeband nun auf die Innenkerne gewickelt,“ beschreibt Gerlinger den Vorgang. „Ist die gewünschte Länge erreicht, wechselt die Maschine auf die nächsten Kerne und gibt die fertigen Klebebandrollen über ein Förderband aus der Maschine aus. Diese müssen anschließend nur noch in Kartons verpackt werden. Und fertig ist unser Klebeband“, erfahre ich von Friedrich Gerlinger. Damit ist der Weg des Klebebands aber noch nicht zu Ende. Weiter geht es in das große Hochregallager. Das vollkommen automatisierte Lager hat Platz für Millionen Rollen Klebeband. „Wenn der Kunde anruft und sagt, er braucht einen Karton Klebeband, bringen die computergesteuerten Regalbediengeräte diesen an die Ausgabestelle. Dort wird er dann von den Mitarbeitern versendet“, so Friedrich Gerlinger. Unsere letzte Station ist das Obergeschoss im Vorbau des Lagergebäudes. Hier befinden sich die Labore. „Für uns ist die Qualitätssicherung sehr wichtig. Ohne diese könnten wir beispielsweise nicht für die Klebkraft garantieren. Dazu führen wir zahlreiche Tests vor, während und nach der Produktion durch, um die Produkteigenschaften kontinuierlich vom Rohstoff bis zum Endprodukt zu überwachen“, erklärt mir der Geschäftsführer.
Mit vielen Eindrücken und zwei Rollen des Gerlinger Klebebands verabschiede ich mich von Friedrich Gerlinger. Meine Vermutung, Klebeband sei eine Folie mit Kleber, hat sich bewahrheitet. Aber es gibt sehr viele Varianten und die Produktion ist deutlich aufwändiger als gedacht. Mit der Firma Gerlinger haben wir wirklich Klebeband-Profis in unserem Landkreis.