5. Februar 2022, 08:00
Heimatgeschichte

Ebermergen erinnert sich

Die zerstörte Wörnitzbrücke bei Ebermergen. Sie wurde von Pionieren der US-Armee behelfsmäßig wieder in Stand gesetzt. Bild: Wolfang Widemann
2020 jährte sich das Ende des 2. Weltkriegs zum 75. Mal. Zu diesem Anlass hat der Heimatgeschichtliche Verein Ebermergen das Buch "Diktatur. Krieg. Vertreibung. Der Nationalsozialismus und seine Folgen in Ebermergen, Brünsee und Marbach" veröffentlicht.

Andreas Rau, Georg Ostertag, Johann Göttler, Johann Kalteis, Karl Röthinger, Frieda Steffl, Herwig Peschke, Othelia Rosten – sie alle stehen stellvertretend für die Menschen, die durch die Wirren und Grauen des 2. Weltkriegs für immer mit Ebermergen verbunden bleiben werden. 2020 jährte sich das Ende des 2. Weltkriegs zum 75. Mal. Anlässlich dieses Gedenktages veröffentlichte der Heimatgeschichtliche Verein Ebermergen im selben Jahr das Buch "Diktatur. Krieg. Vertreibung. Der Nationalsozialismus und seine Folgen in Ebermergen, Brünsee und Marbach". "Wir wollten diesen wichtigen Teil der Weltgeschichte für jeden einzelnen erlebbar machen und hatten das Gefühl, dass Ebermergen mittlerweile auch dazu bereit ist, dieses dunkle Kapitel der eigenen Geschichte aufzuarbeiten", erklärt Bernhard Röthinger, 1. Vorsitzender des Heimatgeschichtlichen Vereins Ebermergen die Beweggründe.

Recherche dauerte über zwei Jahre

Vor der Veröffentlichung lag jedoch viel Arbeit vor den Vereinsmitgliedern. Um die Geschichte an konkreten Orten und handelnden Personen nachvollziehen zu können, wurden zwei Jahre lang Fotos und Dokumente gesammelt, ausgewertet und Gespräche mit Zeitzeugen geführt. Ein glücklicher Zufall führte den Verein sogar bis in die USA.

Othelia Rosten, eine amerikanische Krankenschwester, war Ende des 2. Weltkriegs in einem Feldlazarett auf den Wörnitzwiesen zwischen Ebermergen und der heutigen B 25 stationiert. Dabei entstanden Fotos, die sie nach Kriegsende mit in ihre Heimat nahm.

Viele Jahre später entdeckte ein Vereinsmitglied die Bilder online. Irgendjemand hatte die Fotografien aus Ebermergen auf einer Seite für historische Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg veröffentlicht. "Wie sich herausstellte, war das der Sohn der Krankenschwester. Innerhalb kürzester Zeit schickte er uns alle verfügbaren Bilder, darunter das einigen bekannte Bild der zerstörten Wörnitzbrücke, eine echte Rarität", erzählt Röthinger stolz. Der 1. Vorsitzende ist sich sicher, dass das entgegengebrachte Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger auch darauf beruht, dass der Verein bereits seit 1954 existiert und schon im Vorfeld immer wieder historische Bücher über die Gemeinde verfasst hat. Hauptverantwortlich für den Großteil der Texte und gleichzeitig auch Initiator des Projekts war Wolfgang Widemann.

Gedenkkreuz. Bild: Wolfgang Widemann

Unangenehme Wahrheiten und spannende Einzelschicksale

Entstanden ist letztendlich ein Buch, das die Vergangenheit kritisch aufarbeitet und viele Einzelschicksale erzählt – nicht nur von Soldaten, sondern auch der Zivilbevölkerung, von Alliierten und auch Heimatvertriebenen, die nach dem Krieg nach Ebermergen kamen und dort später sesshaft worden waren. Durch die Recherche kamen außerdem Geschichten ans Licht, die in dieser Form mittlerweile vergessen oder bewusst verschwiegen wurden, wie etwa die Tatsache, dass die NSDAP 1933 in Ebermergen überproportional viele Wahlstimmen erhalten hat, auch im bayernweiten Vergleich. Außerdem ernannte die Gemeinde Adolf Hitler noch im selben Jahr zum Ehrenbürgermeister – eine Ehrung, die erst 2014 vom Harburger Stadtrat aufgehoben wurde.

Mit Heimatpreis ausgezeichnet

Die unzähligen Arbeitsstunden haben sich gelohnt, auch weil das Buch bis heute großen Anklang findet und die erste Auflage mittlerweile restlos ausverkauft ist. "Wir haben im Anschluss an unser Projekt noch viele weitere Zuschriften und Bilder bekommen. Daraus ist jetzt ein Beilegheft entstanden, das die 2. Auflage unseres Buches ergänzen wird", erzählt Röthinger. „Die neue Auflage soll bereits Anfang 2022 erscheinen. Außerdem wurde der Verein für sein Werk mit dem 10. Heimatpreis Donau-Ries in der Kategorie "Kultur und Gemeinschaft" ausgezeichnet. In der Laudatio begründet Paul W. Ritter, Kreisverbandsvorsitzender der VR-Banken im Landkreis Donau-Ries, die Entscheidung der Jury passend: "Schreckliche, tragische, aber auch berührende Geschichten und einmalige Fotos in einem attraktiven Buch, das man trotz der Thematik gerne in die Hand nimmt."