20. März 2019, 10:00
Interview

Regionalgespräch mit Erna Dischinger

Mutter Maria Eisenwinter und Tochter Erna Dirschinger vom "Buchdorfer Zwoigsang" Bild: Günther Dambauer
Für jede blättle-Ausgabe treffen wir uns mit einer bekannten und interessanten Persönlichkeit aus dem Landkreis Donau-Ries. Unsere Redakteurin Mara Kutzner hat Erna Dirschinger in Buchdorf besucht. Dirschinger ist Musikerin und gemeinsam mit ihrer Mutter Maria Eisenwinter als „Buchdorfer Zwoigsang“ längst über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt. Außerdem ist die 62-Jährige als Betroffene bei der Krebs-Selbsthilfegruppe Donauwörth tätig, sitzt im Kreistag und engagierte sich jahrelang beruflich für Menschen mit Behinderung.

Liebe Frau Dirschinger, schön, dass Sie sich die Zeit nehmen für unser Regionalgespräch.

1. Wo sind sie geboren und wie sind Sie aufgewachsen?

Ich wurde 1956 in Donauwörth geboren und bin in Buchdorf auf dem elterlichen Bauernhof aufgewachsen. Bäuerin zu werden war damals auch immer mein Berufswunsch. Aber der Pfarrer hat gesagt, dass ich was im Köpfchen hätte. Deshalb wurde ich aufs musische Internat nach Dillingen geschickt.

2. Welchen Stellenwert hatte Musik in Ihrer Kindheit?

Musik war immer präsent. Meine Eltern haben beide musiziert, mein Vater hat im Chor gesungen und meine Mama hat Zither gespielt. Sie hat viel mit uns gesungen. Als ich mit 11 Jahren in Dillingen im Internat war, hatte ich großes Heimweh. Mein Vater hat mir da die erste Gitarre geschenkt. Die habe ich bis heute.

3. Seit 40 Jahren stehen Sie gemeinsam mit Ihrer Mutter als „Buchdorfer Zwoigsang“ auf der Bühne. Können Sie sich noch an Ihren ersten Auftritt erinnern?

Ja, das kann ich. Außerhalb unseres Dorfes war das im März 1979 bei einer Wallfahrergruppe in Wemding und im Oktober 1979 bei einer Hochzeit in der Heilig Kreuz Kirche in Donauwörth.

4. Wie würden Sie jemandem, der ihn noch nicht kennt, den „Buchdorfer Zwoigsang“ beschreiben?

Ich singe mit meiner Mama alte Schlager, die echten Volkslieder, Operetten, Klassik und am allerliebsten in der Kirche. Da fühlen wir uns wohl. Es reicht von einfachen Kirchenliedern bis hin zu den alten Liedern, die schon fast in Vergessenheit geraten sind.

5. Über die Jahre haben Sie unzählige Auftritte gespielt. Welcher ist Ihnen bis heute in Erinnerung geblieben?

Da gibt es einen, bei dem mir heute noch die Tränen kommen. Eine Schülerin der Heilerziehungspflegeschule hat mich einmal gefragt, ob ich für eine Frau am Sterbebett singen könnte. Die Dame hat sich mitten im Sommer „Stille Nacht“ gewünscht. Das Lied singe ich sonst nur an Heilig Abend, aber sie sagte, das Lied würde sie sonst nicht mehr hören, weil sie Weihnachten nicht mehr erleben wird. Für sie beginne bald die stille Nacht. Da wurde mir klar, wie tief die ganz einfache Musik die Menschen berühren kann. Am nächsten Tag schlief die Frau für immer ein.

6. Was ist das Erfolgsgeheimnis des „Buchdorfer Zwoigsangs“?

Ich gehe auf die Menschen zu und nehme sie ernst. Wenn jemand Seemannslieder hören will, dann singe ich eben die. Und wenn sich mal jemand den Anton aus Tirol wünschen würde, dann lache ich ihn nicht aus, sondern sage: Mensch, das habe ich ja schon ewig nicht mehr gehört und beginne zu singen – auch wenn ich dieses Lied sonst sicher nicht singen würde.

7. Die Einnahmen der Auftritte spenden Sie für soziale Zwecke. Welche Projekte werden unterstützt?

Der Glühwürmchen e.V., die Hospizgruppe Donau-Ries, die Palliativstation Nördlingen oder Humanitas e.V. – selbstverständlich spenden wir auch an die Kirchen, in denen wir singen.

8. Ist für das 40-jährige Bühnenjubiläum 2019 eine besondere Veranstaltung geplant?

Am 14. Juni geben wir ein Jubiläumskonzert im Kaisersaal in Kaisheim mit echter Volksmusik und Klassik. Am Sonntag, 16. Juni, feiern wir dann einen Dankesgottesdienst in der Heilig Kreuz Kirche in Donauwörth.

9. Das Jahr 1992 haben Sie selbst einmal als Ihr „Schicksalsjahr“ beschrieben? Wollen Sie erzählen warum?

Bis dahin war ich hier in Buchdorf sehr aktiv, in der Kirche als Organistin zum Beispiel. Das habe ich dann alles angezweifelt, weil Lügen und Unwahrheiten über mich erzählt wurden. In Buchdorf habe ich dann alles niedergelegt. Zudem habe ich in diesem Jahr die Scheidung beantragt und bei mir wurde Unterleibskrebs diagnostiziert.

10. Heute sind Sie Leiterin der Krebs Selbsthilfegruppe Donauwörth. Wie wichtig ist es für Betroffene, sich mit anderen Erkrankten auszutauschen?

Wenn man die Diagnose Krebs bekommt, dann kann man das erstmal gar nicht fassen. Da kommt eine große Leere. Es ist, als ob man einen Tunnel in einer Einbahnstraße entlangfährt und man nicht aus dem Auto aussteigen kann, weil die Wände immer näherkommen. Über so etwas kann man eigentlich nur mit jemandem sprechen, der selbst betroffen ist und das Gleiche erlebt. Es hilft, über Erfahrungen und Erlebnisse mit anderen zu reden. Wir machen auch Ausflüge und Wallfahrten zusammen. Unser Gruppenmotto heißt: „Gib jedem Tag die Chance, der schönste in deinem Leben zu werden!“ – und ich erinnere immer wieder daran: „Wir sind stark, wir sind die Überlebenden!“

Wer alle 40 Fragen des Regionalgesprächs mit Erna Dirschinger lesen möchte, sollte einen Blick in die 25. Ausgabe des "blättle" werfen.