24. Oktober 2020, 09:00
Heimatgeschichte

Dieser Brunnen erzählt Stadtgeschichte

Der Harburger Marktplatzbrunnen Bild: Mara Kutzner
Vor einem Jahr wurde der Harburger Marktplatzbrunnen durch einen Lastwagen beschädigt. Jetzt konnte das Kunstwerk, welches historische Ereignisse der Stadt darstellt, repariert werden. Nicht zum ersten Mal in Harburgs Geschichte war der Brunnen ein Verkehrshindernis.

Als im letzten Jahr die B25 zwischen Hoppingen und Harburg saniert und gesperrt war, bahnte sich trotz Verbotsbeschilderung immer wieder Schwerlastverkehr den Weg durch die enge Harburger Altstadt. In der Nacht zum 26. September rammte ein Lkw den städtischen Brunnen am Marktplatz und riss ihn komplett aus der Verankerung.

Der Brunnen, welchen der in Oettingen-Lehmingen wohnende Künstler und Bildhauer Fred Jansen 1996 gestaltet hatte, konnte nun vollständig repariert werden.

Jansen ist es gelungen die erhaltenen Teile des Bronzebrunnens zu reinigen und beschädigte Stücke neu zu gießen. Der Brunnen erstrahlt nun in neuem Glanz – die Harburger haben ihren Marktplatzbrunnen wieder!

Schon 1928 prallte ein Wagen gegen den Brunnen

Die Harburger Innenstadt ohne einen Brunnen wäre undenkbar gewesen. Schon 1890, als sich der Harburger Verschönerungsverein gründete, beschloss man, auf dem Marktplatz einen neuen Brunnen zu errichten – und die Idee wurde auch umgesetzt. Seit 1893 schmückte ein Monumentalbrunnen aus Untersberger Marmor den Marktplatz. Wie Heimathistoriker Fritz Leimer in Band 3 der Harburger Hefte schreibt, störte sich noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts niemand am Standort des Brunnens. Doch umso mehr Verkehr durch die Altstadt führte, desto ungünstiger wurde der Standort. Der Brunnen erwies sich als lästiges Hindernis.

Im Sommer 1928, so dokumentiert es Leimer, prallte das Fuhrwerk eines Landwirtes gegen den Brunnen und beschädigte ihn stark – dass sich ein ähnliches Ereignis fast 100 Jahre später wiederholen sollte, ahnte damals wohl noch keiner. Eigentlich beschloss der Stadtrat, den Brunnen reparieren zu lassen. Allerdings wurde man sich nie einig darüber, wer die Kosten dafür zu tragen habe. 1930 wurde der Brunnen schließlich komplett entfernt und sollte am Friedhof wiederaufgebaut werden. Doch selbst dieses Vorhaben wurde nie umgesetzt.

Bildhauer Fred Jansen verarbeitet Stadtgeschichte

1982 stieß man dann durch Zufall bei Bauarbeiten auf die sehr gut erhaltene Brunnenstube des alten Markplatzbrunnen. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis Fred Jansen im Rahmen der Altstadtsanierung in den 90er Jahren den Markplatzbrunnen, wie wir ihn heute kennen, schaffen und dabei Harburger Stadtgeschichte verarbeiten sollte.Der gut drei Meter hohe Brunnen baut sich über einem Ablaufbecken aus Wachenzeller Dolomit auf und setzt sich aus drei Teilen zusammen. Die Außenseite des unteren Beckens zeigten im Flachrelief stilisierte aussterbende Harburger Zünfte, wie Hufschmiede, Flachsbrecher, Fassbinder, Korbflechter, Schlosser, Wörnitzfischer, Hafner und Schuhmacher.

Das zweite Becken befindet sich etwa auf Kopfhöhe. Hier wird die Stadtgeschichte Harburgs dargestellt. Ein Mühlenrad mit Hochwassersteg symbolisiert die Harburger Brückmühle und die Verbindung zur Wörnitz. Dargestellt sind auch die 1612 neuaufgebaute Barbara-Kirche und die 1754 erbaute Synagoge. Die Figur eines Bürgermeisters mit Urkunde erinnert an die Stadterhebung 1849. Erwähnt wird außerdem das glimpfliche Ende der französischen Belagerung gegen die in der Burg verschanzten Österreicher. Plastisch dargestellt ist zudem Schweden-König Gustav Adolf, wie er in Harburg speist und hohe Kreisabgaben einforderte. An der Außenseite des mittleren Brunnenbeckens werden Harburger Sagengestalten dargestellt. Zu sehen sind Figuren wie der Schäfer vom Hüllenloch, der feurige Hund von Eisbrunn und sogar die letzte Harburger Hinrichtung, welche im Jahr 1809 stattgefunden hat. Als vollplastische Figuren zieren der Nachtwächter mit Hellebarde, eine Marktfrau, ein Polizeidiener und Graf Ludwig III, an den 1251 König Konrad IV. die Stadt Harburg übertrug, den Brunnen.

Am oberen Becken sieht man als Flachrelief die Silhouette der Burg und liest wichtige historische Daten und Fakten der Burg- und Stadtgeschichte. Ganz oben am Brunnen ist die sogenannte Blutglocke, auch Sühneglocke genannt, angebracht. Im Original hängt diese Glocke am First des Rathauses. Wenn ein Todesurteil gesprochen wurde, wurde das durch das Läuten dieser Glocke bekanntgegeben.

Seit Juni steht der Harburger Marktbrunnen nun wieder an seinem alten Platz und lädt Vorbeikommende ein, innezuhalten und sich an längst vergangene Szenen aus der Stadtgeschichte und alte Sagen rund um Harburg zu erinnern.