Aus der gastronomischen Szene des Donau-Ries ist Uli Großmann nicht wegzudenken. Der 77-Jährige hat mit seiner Kochausbildung im Jahr 1961 Neuland betreten und seitdem die weiße Jacke nicht mehr ausgezogen. Als Mitbegründer des Clubs der Köche Donau-Ries sowie der Initiative Geopark Ries kulinarisch und seiner jahrzehntelangen Ausbildertätigkeit hat er die kulinarische Landschaft im Landkreis geprägt wie kaum ein anderer. Dabei waren für ihn immer zwei Sachen wichtig: Wissen muss weitergegeben werden und gekocht wird regional.
Wie sieht bei Ihnen ein Frühstück aus?
Ich bin ein Frühstücksmuffel. (lacht) Mir reicht meistens eine Buttersemmel mit Marmelade und ein Tee mit Milch.
Bereiten Sie als Koch lieber Fleisch oder Fisch zu?
Als Koch arbeite ich mit allen Arten von Lebensmitteln gern. Aber für mich persönlich Fisch.
Sind Sie als Küchenchef laut oder leise?
Eher der ruhige Typ.
Und persönlich: Essen Sie lieber daheim oder auswärts?
Ich esse sehr gerne bei Kollegen, die ich kenne. Aber klar koche ich auch in der eigenen Küche. Da kann ich auch öfters was Neues ausprobieren.
Bei Ihnen spielt Regionalität eine große Rolle. Stand das bei Ihnen von Beginn an schon im Fokus?
Durch das Ferienland Donauries und die Gründung des Geopark Ries kulinarisch wurde das nochmal verstärkt, weil viele Partner hier in der Region produzieren. Aber allein damit kommt man nicht aus. Man braucht auch überregionales. Reis wächst nun mal nicht im Donau-Ries. Trotzdem gilt es, das Regionale zu forcieren. Ich bin auch im Komitee für das Siegel “Ausgezeichnete Genussküche” vom Landwirtschaftsministerium und Gaststättenverband. Da geht es um Regionalität und dass mit wenig Geschmacksverstärkern gekocht wird – so wie früher.
Da Sie den Geopark Ries kulinarisch schon erwähnt haben. Welche Bedeutung haben solche Initiativen für Sie?
Wir haben da sehr viel Wissen angesammelt. Wichtig ist es, dieses in den Schulen an die Kinder weiterzugeben. Es muss nicht immer ein exotisches Gemüse sein, wir haben in der Region auch viel zu bieten. Das ist das Ziel dieser Initiative.
Und wie stehen Sie zur Sterneküche?
Gastronomisch ist das eine andere Schiene. Natürlich brauchen wir jede Art von Gastronomie. Dazu gehört die Edel-Gastronomie, aber auch normale Gastronomie und Wirtshäuser, wo man gemütlich ein Bier trinken kann. Die Sterne-Gastronomie ist fachlich hochklassig. Es macht auch Spaß, solchen Sterneköchen zuzuschauen. In jungen Jahren war ich in diesem Bereich etwas unterwegs. Es ist beeindruckend, was da beim Wareneinkauf und Anrichten abläuft. Das ist Pinzettenküche. In Deutschland gibt es aktuell nur zehn Restaurants mit drei Sternen, 280 Restaurants haben einen Stern. Das ist schon eine Hausnummer.
War für Sie ein Stern mal ein Thema?
Nein, nie im Leben. Ausschlaggebend ist die Nachfrage und meine Stationen haben sich immer im gutbürgerlichen Bereich abgespielt.
Aber zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie für ein Novum im Donau-Ries gesorgt. Sie waren der erste Kochlehrling im Landkreis.
Damals in den 60er Jahren war das hier noch kein Beruf in dem Sinne. Aber ich wollte Koch werden und habe in Wemding eine Stelle bekommen. So bin ich der erste Kochlehrling geworden, der bei der Industrie- und Handelskammer Augsburg für den Landkreis Donauwörth eingetragen war.
Wie kam bei Ihnen der Wunsch auf, Koch zu werden?
Als Kind habe ich meiner Mutter über die Schulter geschaut und mitgeholfen. Da kam die Lust auf. Diese Freude am Kochen habe ich auch in der Lehrzeit nicht verloren. Es war eine harte Zeit damals, aber wir haben durchgehalten und es hat Spaß gemacht. In der Augsburger Berufsschule hat man auch die großen Häuser kennengelernt wie das Drei Mohren, das heutige Maximilian’s. Meine Lehrzeit habe ich mit einer sehr guten Gesellenprüfung abgeschlossen und seit dieser Zeit habe ich die weiße Jacke nicht mehr ausgezogen.
Wie hat Ihr Umfeld auf den Berufswunsch reagiert?
Meine Eltern standen hinter mir. Es gab aber auch die Ansage, dass ich es durchziehen muss. Belächelt worden bin ich eher von den Schulkollegen. Als Lehrling hat man nichts verdient. Freunde und Bekannte sind direkt in die Arbeit eingestiegen und hatten dementsprechend viel mehr Geld als ich. Dazu gab es schon auch immer wieder Sprüche, dass das doch kein richtiger Beruf sei. Der Beruf Koch ist eigentlich erst in den 70er Jahren mit Eckart Witzigmann und später den TV-Köchen bekannt geworden.
Was macht für Sie bis heute diese Faszination Kochen aus?
Die Vielzahl und die Möglichkeiten. Man kann sich in alle Richtungen austoben. Wenn ich auf dem Wochenmarkt die Produkte sehe, fange ich im Kopf direkt mit dem Kochen an.
Die Leidenschaft am Kochen haben Sie über mehrere Jahrzehnte an Auszubildende weitergegeben. Wie sehen Sie da die Entwicklung?
Wir leben in einer ganz anderen Zeit. Die Jungen haben heutzutage viel breitere Interessen. Gleichgeblieben sind die Ausbildungskriterien. Aber natürlich kochen die Auszubildenden heute viel moderner. Es wird nicht mehr so fett und schwer gekocht. Es gibt andere Geräte in der Küche. Mittlerweile gibt es Kombi-Dämpfer und Thermomix.
Ist das für Sie noch richtig kochen?
Das muss man schon auch beherrschen. Und es hat auch vieles erleichtert. Früher haben in einer Küche mit 100 Mittagessen acht Leute geschafft. Jetzt machen das zwei. Die Technik sorgt hier für Entlastung und hat durchaus seine Berechtigung – genauso wie vorproduzierte Gerichte. Der Koch muss aber noch seine persönliche Note hinzufügen und nicht einfach nur das Päckchen aufreißen. Selbst verfeinern ist hier das Zauberwort.
Sehen sie die Qualität der Ausbildung immer noch auf dem neuesten Stand?
Die Qualität ist sehr gut. Das Problem ist, dass zu wenige ausbilden. Stellen wären da, aber dem Beruf eilt ein schlechter Ruf voraus, der allerdings nicht stimmt. Die Lehrlinge haben wie überall eine 40-Stunden-Woche, wir haben früher noch 60 Stunden geschafft. Natürlich muss man auch am Wochenende oder abends arbeiten, da muss jedoch ein Umdenken stattfinden. Im ländlichen Bereich ist am Wochenende das Hauptgeschäft. Man muss sich den Freundeskreis dann vielleicht in diesem Bereich suchen.
Würden Sie die Entscheidung wieder so treffen?
Ob ich es wieder genauso machen würde, weiß ich nicht. Aber ich würde auf jeden Fall wieder Koch werden.
Wie war bei Ihnen der berufliche Werdegang?
Nach der Lehre bin ich nach Bad Wörishofen in ein Kurhotel. Dort habe ich Diätküche kennengelernt und die gehobenere Küche. Nach zwei Jahren bin ich nach Mannheim und später Mittenwald weitergezogen. Ich war auch noch kurz in Garmisch, das habe ich während der Bundeswehr mitgemacht. Beim Bund war ich natürlich auch in der Küche. In Mittenwald waren es damals drei oder vier Köche für über 2 000 Soldaten. Als Koch war man da der King. (lacht)
Haben Sie sich bei der Bundeswehr für die Küche gemeldet?
Vorher war ich eine Sechs-Tage-Woche gewohnt und jetzt war ich nur herumgestanden und habe mich gelangweilt. Als wir dann das erste Mal im Gelände waren, ist ein Jeep angefahren gekommen. Ein Offizier stieg aus und sagte zu meinem Zugführer, dass er den Großmann Ulrich sucht. Der hat mich gefragt, ob ich in die Küche wolle. Am nächsten Tag war ich als Koch im Dienst. Das war meine Grundausbildung. Es war eine schöne Zeit, wo ich auch wieder viel gelernt habe. Neben dem Kantinendienst bin ich viel herumgekommen, habe bei den Offizieren und unter anderem für Olympiasieger gekocht.
Klingt nach einer spannenden Zeit.
Auf jeden Fall. Mittenwald und Garmisch waren damals schon Tourismusziele, wo viel los war. Dementsprechend gut war auch die Gastronomie aufgestellt. Da hat man sehr gut gekocht und vor allem noch viel selbst gemacht.
Vermissen Sie diese Zeit oder ist es als Selbstständiger schöner?
Als Angestellter ist es einfacher. Man träumt zwar immer davon, selbstständig zu sein, aber es bedeutet auch eine große Verantwortung. Das kriegt man erst später mit.
Und trotzdem haben Sie bei all dem Stress noch Zeit gefunden, den Verein der Köche im Donau-Ries mitzugründen.
Ich habe mich 1970 mit sechs Kollegen im Café Engel zusammengesetzt. Da haben wir darüber gesprochen und 1971 dann den Kochclub Donauwörth gegründet. Mit der Gebietsreform kamen viele Kollegen aus dem Ries dazu, weswegen wir uns in Donau-Ries umbenannt haben. Von 1980 bis 2023 war ich der erste Vorstand.
Wie aktiv sehen Sie die Gastro-Szene im Donau-Ries?
Der Landkreis hat um die 140 000 Einwohner. Wenn wir mit dem Geopark kulinarisch oder dem Kochverein unterwegs waren, kommt schon immer wieder die Frage auf, wie wir das hier in der Region alles auf die Beine stellen. Es ist beeindruckend, was bei uns geboten ist im Verhältnis zu einer Großstadt. Da hatten wir auch Glück, dass uns das Ferienland Donauries von Anfang an mit ins Boot genommen hat.
Und wie ist das Donau-Ries kulinarisch aufgestellt?
Sehr gut. Da ist einmal die Rieser Festtagssuppe. Die gibt es so nirgendwo anders. Dann ist unser regionales Wild im Herbst eine ganz tolle Sache und auch das Lamm von der Heideallianz hat eine hervorragende Qualität. Es gibt den Spargel und die Schwörsheimer Kartoffeln, an Weihnachten das Geflügel. Jetzt haben wir in der Region auch noch Wollschweine. Es gibt hier schon sensationelle Sachen.
Spielt in Ihren Augen auch der Kochtrend im Fernsehen eine Rolle, dass Essen und Regionalität immer mehr in den Fokus rückt?
Es ist auf jeden Fall eine gute Werbung für den Kochberuf. Ob man es nun in der Vielzahl braucht, sei mal dahingestellt. Mittlerweile hat ja jeder sein eigenes Kochbuch. Ob da immer die fachliche Voraussetzung gegeben ist, das zu beurteilen möchte ich mir nicht anmaßen.
Wäre TV-Koch für Sie eine Möglichkeit gewesen?
Ich hätte es gemacht. Aber das Thema hat sich bei mir nie gestellt. Einerseits braucht man die Zeit dazu und andererseits ist der große Trend auch erst in den vergangenen Jahren aufgekommen.
Aber auch ohne TV-Karriere waren Sie immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Es wurden Ihnen mehrere Auszeichnungen verliehen. Wie stehen Sie dazu?
Auszeichnungen gibt es viele. Das zeigt eigentlich nur, dass man älter wird. (lacht) Wichtig sind mir immer die persönlichen Kontakte gewesen. Schön finde ich, wenn ich Menschen was beibringen kann und das auch angewendet wird. Aber die Auszeichnungen bekommt man natürlich nicht umsonst. Das sind auch schöne Momente.
Unter anderem haben Sie das Bundesverdienstkreuz für Ihre Lehrtätigkeiten bekommen.
Meine Lebensphilosophie ist es, dass ich meine Kocherfahrung weitergeben will. Mit der Meisterprüfung kam dieser Gedanke bei mir auf, dass auch andere von meinem Wissen profitieren sollen.
Wie viele Kurse waren es mittlerweile, die Sie an der Volkshochschule gegeben haben?
Seit 1980 werden es bald 900 gewesen sein mit ein paar Tausend Leuten. Mein Schwerpunkt ist natürlich die regionale Küche - modern präsentiert. Lange Zeit habe ich den ganzen Landkreis an den Volkshochschulen bekocht. Mittlerweile habe ich es auf Nördlingen beschränkt. Dazu kommen noch Kochkurse für Kinder. Neben den Ferienkursen machen wir seit Jahren ein Erntedankkochen im Haus des Kindes. Das ist für die Kinder immer das tollste Event.
Zum Abschluss: Gibt es ein Gericht, das Sie als persönliches Markenzeichen sehen würden?
Ein schön gebratenes Saiblingsfilet, dazu braune Butter, Kartoffeln und Gemüse. Das schaut leicht aus, aber der Trick ist es, den Fisch perfekt hinzubekommen. In der Zeit, wo man die Beilagen anrichtet, brät man den Fisch in der heißen Pfanne auf der Hautseite für zwei Minuten an. Dann ist er fertig. Es kommt halt auf die Erfahrung an.
Herr Großmann, ich danken Ihnen für das Gespräch.