3. Oktober 2021, 07:49
Organspenden im Donau-Ries

Eine Entscheidung, die Leben rettet

Bild: DSO/Andreas Steeger
Im Juni 2021 fand im Stiftungskrankenhaus in Nördlingen erstmals eine Organentnahme statt. Leber, Nieren und Augengewebe eines hirntoten Patienten konnten erfolgreich entnommen werden, um im Anschluss gleich mehreren Menschen in Bayern eingesetzt zu werden. Als Direktor der Klinik für Innere Medizin am Nördlinger Krankenhaus kennt sich Prof. Dr. Bernhard Kuch mit dem Thema bestens aus. Seine Botschaft: Organspenden retten Leben.

Herr Prof. Dr. Kuch, welche Voraussetzungen müssen in einem Krankenhaus gegeben sein, damit eine Organentnahme überhaupt möglich ist?

Prof. Dr. Bernhard Kuch. Bild: Szilvia Iszo

Grundsätzlich könnte in jedem Krankenhaus mit einer OP-Abteilung eine Organentnahme stattfinden, da hierfür lediglich die Logistik (OP-Säle mit zugehörigem Personal der Anästhesie, d.h. Ärzten und Pflegefachkräften) vorliegen muss. Die Operateure, die die Organentnahme vornehmen, werden von der DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) gestellt. De facto kann dies allerdings nur in Kliniken durchgeführt werden, in denen zum einen „geeignete“ Patienten überhaupt eingeliefert werden, d.h. Personen, die z. B. einen plötzlichen Herztod überlebt haben oder Unfallopfer, die in der Folge einen Hirntod bereits erlitten hatten oder bei denen absehbar ist, dass dieser in Kürze eintritt. Zum anderen muss die Klinik als Zentrum mit Intensivstation und entsprechender Logistik etabliert sein, da einerseits die Diagnosestellung des Hirntodes erfolgen muss und dann aber, um für eine Organentnahme die Voraussetzungen zu schaffen, für eine Aufrechterhaltung der anderen Organsysteme Sorge getragen werden muss.

Könnten in Nördlingen auch Organe transplantiert, also bei Patient*innen eingesetzt werden?
Nein, die bei den Toten entnommenen Organe werden über ein zentrales Register („Eurotransplant“) verteilt und die Organe dann in den jeweiligen auf Organtransplantationen spezialisierten Kliniken, bei denjenigen Patienten, die für eine Organtransplantation angemeldet und gelistet sind, dort transplantiert.

Wie sieht es eigentlich in den anderen Krankenhäusern des gKU aus? Sind auch in Donauwörth und Oettingen Entnahmen oder Transplantationen möglich, oder wurden in Donauwörth sogar schon einmal Organe entnommen?
In Donauwörth ist aufgrund des entsprechenden Vorhandenseins von OP-Sälen, Anästhesie und Pflegepersonal und einer etablierten Intensivstation dies grundsätzlich ebenfalls möglich. Laut Herrn Chefarzt Dr. Eberl haben dort in früheren Jahren auch schon Organentnahmen stattgefunden, in Oettingen aufgrund der diesbezüglich fehlenden Kapazitäten nicht. 2020 gab es in ganz Deutschland nur 913 postmortale Organspender*innen, dem gegenüber stehen circa 9100 Menschen, die auf ein Spenderorgan warten.

Warum gibt es immer noch Vorbehalte, Organspender*in zu werden?
Ich denke, dies hat immer noch damit zu tun, dass entsprechende Ängste bestehen, z. B. dahingehend, vorzeitig für tot erklärt zu werden, um „an die Organe zu kommen“. Dieser Angst muss man begegnen, indem transparent aufgeklärt wird, dass es hier klare rechtliche und ethische Vorgaben gibt, die eine solche Situation sicher ausschließen. Auch kann und wird nach der Organentnahme eine würdige Bestattung stattfinden.

Rechtlich gesehen muss man in Deutschland aktiv zustimmen, nach seinem Tod Organe zu spenden. Im Januar 2020 wurde im Bundestag darüber abgestimmt, ob man auf eine doppelte Widerspruchslösung umsteigt, d.h. dass man selbst oder die Angehörigen aktiv ablehnen müssen, dass die Organe nach dem Tod entnommen werden. Das hätte die Zahl der Organspender*innen drastisch erhöht. Zur Gesetzesänderung kam es nicht – eine verpasste Chance?
Auch dies ist natürlich eine schwierige Frage. Grundsätzlich wäre bei der doppelten Widerspruchslösung natürlich die Möglichkeit gegeben, bei wesentlich mehr Patientinnen und Patienten ohne langwierige (aber wichtige, da sehr sensibles Thema) Nachfragen bei Angehörigen Organe zu entnehmen. Trotzdem halte ich die doppelte Widerspruchslösung für durchaus problematisch, da so ein Einbeziehen der Angehörigen auch für die Verarbeitung des Todes etc. äußerst wichtig ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die weiter durchgeführte und immer wieder praktizierte Aufklärung der Bevölkerung.

Was können Sie Menschen sagen, die sich mit der Entscheidung, Organspender*in zu werden, noch schwertun?
Zum einen ist es wichtig, wie oben bereits angesprochen, darüber aufzuklären, dass es keine Befürchtung geben muss, dass aus Profitzwecken oder anderen Gründen Organe entnommen werden, sondern dass unter anderem durch zwei unabhängige Untersucher feststellt ist, dass tatsächlich sämtliche Hirnfunktionen erloschen sind und kommuniziert wird, dass mit dem irreversiblen Hirnfunktionsausfall naturwissenschaftlich- medizinisch der Tod des Menschen festgestellt ist. Wenn man in einem solchen Fall vorher selbst einer Organentnahme zugestimmt hat, ermöglicht man anderen Menschen überhaupt weiterzuleben zu können oder ein wesentlich lebenswerteres Leben führen zu können. Dies ist sozusagen ein Akt der Mitmenschlichkeit.

Vielen Dank für das Interview!