Die heute noch bestehenden Gebäude werden vom Kreisbauhof genutzt. 2008 wurde auf dem Gelände eine Gedenkstätte für Opfer des Zweiten Weltkrieges errichtet. Bild: Werner Paa
Vor genau 75 Jahren kam der erste Transport von Vertriebenen aus den Ostgebieten im Auffanglager in Heuberg an. Die Schicksale der Menschen bleiben bis heute unvergessen.

Das düstere Kapitel der Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten begann bereits Ende 1944. Am 15. Dezember 1944 sprach sich Winston Churchill für die Vertreibung und Ausweisung aller Deutschen in Ost- und Mitteleuropa aus. Unter dem damaligen tschechoslowakischen Staatspräsidenten Edvard Beneš begann noch 1945 die systematische Vertreibung der rund drei Millionen Sudetendeutschen aus ihrer angestammten Heimat. Etwa 250000 Menschen verloren dabei ihr Leben. Der „Brünner Todesmarsch“, bei dem sich der angestaute Hass der Tschechoslowaken auf die Deutschen entlud, wurde zum Synonym für diese Epoche. Als die Menschen aufgefordert wurden, ihre Häuser zu verlassen, durfte man pro Person 50 Kilogramm persönlichen Besitzes mitnehmen. Als Deutscher musste man zur Kennzeichnung eine weiße Binde mit einem schwarzen N (Nemec = Deutscher) tragen.

Auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes im Oettinger Ortsteil Heuberg wurden die verwahrlosten und ausgeplünderten Gebäude nach
dem Abzug der amerikanischen Besatzungstruppen zu Beginn des Jahres 1946 zu einem Auffanglager ausgebaut. Bereits am 10. März waren die Vorbereitungen der Einrichtung des Lagers für 900 Personen abgeschlossen. Am 16. und 17. März 1946 traf der erste Transport mit 199 Personen aus Budweis ein. Bis zu seiner Auflösung im Jahr 1962 wurden rund 34000 Menschen, vorwiegend aus dem Gebiet der Tschechoslowakei, durch das Lager geschleust.

 

An der Flugplatzstraße wurde ausgeladen. Die Straßen standen von oben bis unten mit Koffern, Kisten, Schuhkarton, Kinderwagen, Menschen, Kinder voll. Es war ein trauriger Anblick. 600 bis 800 Menschen teils in Viehwagen waren in einem Transport. Es waren Vertriebene meistens aus dem Sudetenland. Sie wurden in die Unterkünfte gebracht so für acht bis zehn Tage, wurden dann im Landkreis verteilt. Das wiederholte sich so alle zwei bis drei Wochen, 34000 Personen wurden so durchgeschleust.

Ein Heuberger Zeitzeuge

Durch einen glücklichen Zufall blieb ein Ordner mit Transportlisten der nach Heuberg verbrachten Sudetendeutschen erhalten, die den Zeitraum von März 1946 bis Januar 1947 umfassen. Insgesamt 63 Transporte sind in den Akten enthalten. Akribisch genau sind die Namen, das Alter und der Beruf aufgeführt. Auf einigen Akten sind auch die Heimatorte wie Bischofteinitz, Bodenbach, Budweis, Mies, Neudek, Karlsbad oder Troppau vermerkt. Die Vertriebenen wurden von einem großen Auffanglager in Augsburg nach Heuberg weitergeleitet. In den Listen des Ordners sind rund 15 000 Personen aufgeführt, viele davon leben heute noch. In fast allen Rieser Gemeinden wurden sie untergebracht. Bei der Durchsicht der schier endlosen Reihen von Namen kann man wohl kaum erahnen, welche Schicksale mit ihnen verbunden sind.

Unterschiedlich groß waren die Transporte, die auf dem benachbarten Bahnhof Dürrenzimmern ausgeladen wurden und dann mit dem Lkw oder mit Fuhrwerken nach Heuberg kamen. Mit dem Transport T 27 am 3. Juli 1946 kam die größte Anzahl, insgesamt 826 Personen, an einem Tag an. Manchmal waren es auch nur wenige Personen. Der Gesundheitszustand der Ankömmlinge scheint häufig nicht besonders gut gewesen zu sein, da viele Akten den Hinweis auf eine Einlieferung in das Krankenhaus Oettingen enthalten. Einige Personen sind auch im Lager verstorben. Bei dem Transport Nr. 8, der am 7. Mai 1946 in Heuberg ankam, brachen die Masern aus. Erst am 3. Juni 1946 konnte nach Aufhebung der Quarantäne ein neuer Transport aufgenommen werden. Waren die Vertriebenen auf die Ortschaften verteilt, erfolgte die Meldung an den Flüchtlingskommissar Braun in Nördlingen. Am Ende der Meldung stand immer der Satz: Das Lager Heuberg ist zur Aufnahme eines neuen Flüchtlingstransportes bereit.

Für viele Heimatvertriebene war das Lager der Beginn für eine neue und gerade in den Anfangsjahren äußerst schwierige Zeit in einer völlig fremden Umgebung. Auch heute noch sind der Aufenthalt in dem ehemaligen Lager und die Zeit danach für viele Betroffene mit höchst unangenehmen Erinnerungen verbunden. Aber auch die einheimische Bevölkerung, vor allem die Bürgermeister, wurden durch die enorme Zahl an unterzubringenden Heimatvertriebenen vor fast nicht zu lösende Probleme gestellt. Häufig gab es enorme zwischenmenschliche Probleme. Es gab aber auch Fälle, in denen sich Schicksalsgemeinschaften arrangierten, die bis heute immer noch gute Kontakte pflegen.

Der langjährige Lagerleiter Adolf Fritscher, selbst ein Vertriebener, blieb nach der Auflösung des Lagers 1963 in Heuberg. Am 21. Dezember 1982 kamen er und seine Frau beim Brand seiner Wohnbaracke ums Leben. Mit dem Ehepaar verbrannten bis auf eine Ausnahme die umfangreichen Akten zur Geschichte des einstigen Heimatvertriebenenlagers.

Heute, nach über 75 Jahren, sind die Erinnerungen an diese Zeit verblasst. Für die Nachkriegsgenerationen spielen diese schlimmen Ereignisse keine Rolle mehr. Erfreulicherweise haben sich aber die Beziehungen zu unserem Nachbarland mittlerweile positiv entwickelt und viele Initiativen fördern heute die gutnachbarschaftlichen Beziehungen. (Gastautor Werner Paa)