Der Traum vom Eigenheim lebt – zumindest in den Köpfen vieler junger Menschen in Deutschland. Die Realität zeigt aber auch, dass Baukosten immer mehr steigen und auch Grundstücke nicht mehr ohne weiteres finanziert werden können. Was also tun in einer Zeit, in der das eigene Haus zwar in greifbarer Nähe scheint, aber selten so weit von der Mitte der Gesellschaft entfernt war, wie aktuell. Paul Reichstein hat für sich bereits vor Jahrzehnten eine adäquate, aber auch ungewöhnliche Lösung gefunden. Für viele Jahre bewohnte er zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter ein stillgelegtes zweistöckiges Bahn-Stellwerk in Oberkochen auf einer Gesamtfläche von lediglich 60 Quadratmetern.
Genug Platz für Küche, Ess- und Schlafzimmer
Für den passionierten Tüftler und Lebenskünstler nur der Anfang. In Folge baute er aus einem ehemaligen Schulbus einen Foodtruck und aus einem ausrangierten Funkkoffer der Bundeswehr ein mobiles Tonstudio, mit dem er die Region bereiste. In dieser Zeit entdeckte der gelernte Schlosser die Liebe zum Tiny House – besser gesagt zum Containerbau.
Heute lebt er nicht nur in seinem Stellwerk in Oberkochen, sondern auch einige Tage in der Woche in einem Container der früher als Schaltraum der Deutschen Bahn diente und mittlerweile direkt im Zentrum von Amerdingen auf dem Gelände seiner Schmiede steht. Die 12 x 2,5 Meter bieten mittlerweile genug Platz für eine großzügige Küchenzeile, eine kleine Essecke, einen Arbeitsplatz und einen abgetrennten Schlafbereich. „Früher war mein Container lediglich zum Arbeiten und als Büroraum konzipiert. In den vergangenen Monaten habe ich mich hier aber wohnlich eingerichtet und mein Tiny House nach meinen Wünschen umgebaut, trotzdem gibt es noch einiges zu tun“, so Reichstein. Was er damit meint: Neben einem funktionierenden Wasser- bzw. Abwasseranschluss fehlt auch ein TV-Anschluss. Für den 44-Jährigen aktuell aber überhaupt kein Problem, wie er selbst sagt: „Ohne Internet und Fernsehen stehen schnell wieder die grundlegenden Dinge im Vordergrund. Bei all der Hektik auf der Welt kann das schon ganz guttun, zumal ich nur dann in Amerdingen bin, wenn ich einen Auftrag in meiner Schmiede zu erledigen habe.“
Reichstein weiß auch im negativen Aspekt
Ist ein Tiny House tatsächlich die perfekte Lösung für alldiejenigen, die sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht leisten können zu bauen? Wenn es nach Reichstein geht auf alle Fälle und das möchte er der Öffentlichkeit begreifbar machen – auch wenn ihm bewusst ist, dass diese Form des Wohnens nichts für jedermann ist. Deshalb rät er auch dazu, sich im Vorfeld eingehend mit der Thematik zu befassen. „Ein Container, wie ich ihn bewohne, ist kostengünstig in der Anschaffung und im Unterhalt, mobil, benötigt nur wenig Platz und wenn er kleiner als 75 Kubikmeter ist, dann ist er sogar baugenehmigungsfrei. Natürlich muss man aber auch mit so wenig Platz umgehen wollen und können“, erklärt er.
Eine echte Alternative zum Hausbau?
Ob zum Tiny House umgebaute Container tatsächlich ein ernsthafter Lösungsansatz für zu hohe Baukosten und eine stattfindende Wohnraumverknappung sind und damit der Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Wohn- und Bausektor eingeleitet wird, bleibt abzuwarten. Klar ist aber auch, dass Containerbauten bereits jetzt gut als Ersatzbau für Schulen, Kitas, Behördengebäude und Flüchtlingsunterkünfte funktionieren – warum als nicht auch als massentauglicher Wohnraum oder Unterkunft für kleinere Vereine und Jugendgruppen? Paul Reichstein zumindest glaubt an sein Model. „Interessierte können jederzeit auf mich zu kommen und sich bei mir über das Thema informieren. Meine Containertür steht für alle offen.“
Checkliste Tiny House - Das solltest du im Vorfeld abklären:
- Habe ich genügend Platz für einen Container?
- Wie hoch sind meine Transportkosten?
- Wie hoch sind die Anschlussgebühren am neuen Standort?
- Wie nimmt meine Nachbarschaft den Container auf?
- Habe ich genug Unterstützung beim Umbau durch Freunde und Familie?
- Für welchen Zweck möchte ich in den Container ziehen?
- Kann ich mit so wenig Wohnraum leben?