Schwester Johanna Vogt. Bild: Mara Kutzner
Johanna Vogt trat 2001 in den Dominikanerorden ein und lebt im Kloster St. Ursula in Donauwörth. Bevor sie Ordensschwester wurde, hat sie den Beruf der Hebamme erlernt. Ihren Beruf übt sie immer noch aus, im Kloster hat sie sich ihre eigene Praxis eingerichtet. Außerdem ist Schwester Johanna aktive Pfadfinderin bei der Pfadfindergemeinschaft St. Georg in Augsburg und unterrichtet Religion an der Realschule St. Ursula.

Liebe Schwester Johanna, schön dass Sie sich Zeit nehmen für unser Regionalgespräch. Wir beginnen unser Interview mit einigen kurzen, knackigen Fragen.

Trinken Sie lieber Kaffee oder Tee?
Tee.

Feiern Sie lieber Weihnachten oder Ostern?
Das ist eine schwere Frage, denn das eine geht nicht ohne das andere.

Lieber das Abendgebet oder das Morgengebet?
Das Morgengebet, ich bin ein Morgenmensch.

Ist es besser, wenn Väter mit im Kreißsaal sind oder wenn sie draußen warten?
Es ist gut, wenn sie dabei sind, solange sie das freiwillig machen.

Beschreiben Sie sich doch einmal mit drei Eigenschaften.
Naturverbunden, zuhörend, gemütlich.

Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?
Hier in Donauwörth.

Wurden Sie sehr religiös erzogen?
Normal religiös, würde ich sagen. Man ist schon zusammen zur Kirche gegangen, aber die religiöse Erziehung war nicht übertrieben.

Warum haben Sie sich für den Beruf der Hebamme entschieden?
In der 8. Klasse war mir schon klar, dass ich nie in einem Büro arbeiten werde, sondern etwas mit Menschen zu tun haben will. Mit einer Ausnahmeregelung durfte ich dann im Kreißsaal ein Praktikum machen, und das hat mich überzeugt. Dass meine Mutter auch Hebamme war, war da gar nicht der Grund. In Erlangen bin ich dann auf die Hebammenschule gegangen und habe die Ausbildung gemacht.

Als junge Frau in ein Kloster einzutreten ist heutzutage ungewöhnlich geworden. Warum haben Sie sich für diesen Lebensweg entschieden?
Diese Entscheidung ist natürlich ein Prozess. Ich denke, das erste Mal habe ich darüber mit meiner Oma gesprochen. Als Kind wurde mir einmal gesagt, der Pfarrer sei der Stellvertreter vom Lieben Gott. Ich dachte mir also, wenn ich dem Lieben Gott ganz nah sein will, muss ich den Pfarrer heiraten. Davon war nur meine Oma weniger begeistert (lacht) Später habe ich dann mit meiner Religionslehrerin darüber gesprochen, und sie hat mich mit Infos versorgt. Das wichtigste war aber, mir mit der Entscheidung Zeit zu lassen. Ich habe jedoch gemerkt, dass der Glaube das war, was uns als Familie zusammenhält. Meine Mama ist erkrankt und mein Papa hat mit uns den Gottesdienst besucht, und so in der schwierigen Zeit Ruhe in die Familie gebracht. Der Gedanke für diesen Lebensweg lässt einen dann nicht mehr los. Und ja, dass junge Frauen ins Kloster gehen, ist seltener geworden. Aber ich denke nicht, dass es heutzutage weniger Berufungen von Gott gibt, sie werden aber heutzutage seltener gehört.

Wie haben Freunde und Familie damals reagiert?
Begeisterung sieht anders aus! Die Freundschaften haben sich gesiebt – aber die Freunde, die ich von damals noch habe, das sind echte Freunde.

Mit 26 steht für viele junge Menschen eher Karriere, Familiengründung, Reisen oder das Studentenleben auf dem Plan. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, da Abstriche machen zu müssen?
Natürlich bedeutet Ordensleben Verzicht, aber es geht darum den Blick zu schärfen für das Wesentliche. Klar bin ich gerne unterwegs, das Reisen liegt mir als Pfadfinderin sehr. Aber ich muss auch nicht ständig reisen. Ich habe mich auch für einen Partner entschieden. Ich habe eine ganz persönliche Beziehung zu Jesus, der mir immer wieder gezeigt hat, dass er mit mir gemeinsam diesen Lebensweg geht.

Warum haben Sie sich für das Dominikanerinnen Kloster St. Ursula in Donauwörth entschieden?
Für mich stand fest: Wenn Ordensleben, dann ein Bettelorden. Weil ich das Gefühl habe, Geld ist das, was die meiste Unruhe auf der Welt stiftet. Ich muss auch sagen, dass mich der Karmelitinnen Orden in Wemding angesprochen hat. Habe mich dann aber dagegen entschieden, denn dort wäre mein Aktionsradius nur auf das Kloster beschränkt gewesen. Die Karmelitinnen leben in völliger Abgeschiedenheit und verlassen das Kloster nur im Ausnahmefall. Das ist dann doch nicht meins. Außerdem hatte ich kurzzeitig Kontakt zu den Franziskanerinnen in Dillingen, aber auch das hat nicht wirklich gepasst. Was mir am Heiligen Dominikus gefällt, ist, dass er den Menschen auf Augenhöhe begegnet. Er sagt, wir müssen so predigen, dass die Menschen uns verstehen. Mit unserer Botschaft sollen wir auch heraus zu den Menschen gehen.

Man wird bestimmt nicht vom einen auf den anderen Tag Ordensschwester. Wie liefen Ihre ersten Jahre im Kloster ab?
Ich habe am Anfang mal geschnuppert und meine Urlaubswochen im Kloster verbracht, um das Leben hier kennenzulernen. Dann folgte das Postulat, man trägt noch zivile Kleidung, geht seinem Beruf nach, aber lebt in der Tagesstruktur des Ordens. Erst danach, im Noviziat, das zwei Jahre dauert, bekommt man das Ordensgewand und einen Klosternamen. Zu dieser Zeit konnte man ohne Probleme noch jeden Tag sagen: „Nein, das ist doch nichts für mich.“ Im Juniorrat habe ich dann ein Gelübde auf Zeit abgelegt und mich vier Jahre an die Gemeinschaft gebunden. Und danach folgte der Profess, das ewige Gelübde. Ich bin nun an dem Ort, den Gott für mich vorgesehen hat.

Wie viele Ordensschwestern leben zurzeit mit Ihnen im Kloster?
Mit mir sind wir insgesamt zu fünft.

Wie muss man sich Ihren Tagesablauf im Kloster vorstellen?
Der Wecker klingelt um fünf Uhr morgens. Der Tag beginnt mit dem Morgengebet und wir gehen zur Heiligen Messe. Danach frühstücken wir Schwestern gemeinsam. Dann schließt sich die Arbeitszeit an. Entweder bin ich in der Schule, arbeite als Hebamme oder verrichte Gartenarbeit. Zum Mittagessen treffen wir uns alle wieder. Danach findet ein Chorgebet statt. Am Nachmittag ist wieder Arbeitszeit. Ich bin wieder im Garten, mache Hausbesuche als Hebamme, erledige Büroarbeiten oder bereite den Unterricht vor. Um halb sechs gibt es dann Abendessen und ein anschließendes Chorgebet mit der Möglichkeit den Rosenkranz zu beten, wobei ich das lieber im Gehen im Garten mache. Abends stehen dann manchmal Treffen mit den Pfadfinderinnen in Augsburg an oder ich gebe Geburtsvorbereitungskurse, die finden aber zurzeit nicht statt.

Dürfen Sie als Ordensschwester Kontakt zu Freunden und Familie halten?
Ja klar darf ich das. Der Mensch braucht den Menschen! Das ist zutiefst menschlich. In meiner Anfangszeit war es nicht einfach Freundschaften zu halten, aber ich habe mittlerweile viele neue Freundschaften gewonnen.

Hatten Sie jemals Zweifel an Ihrer Entscheidung ins Kloster zu gehen?
Anfangs wusste ich nicht genau, ob es das ist was ich will, oder tatsächlich das, was Gott von mir will. Will er das, oder will ich das?

Sündigen Sie auch manchmal?
Zeigen Sie mir einen Menschen, der nicht sündigt.

Den Beruf als Hebamme haben Sie trotz Ihres Lebens im Kloster nie aufgegeben. Wie lässt sich das Leben als Ordensschwester mit dem „weltlichen Berufsalltag“ vereinbaren?
Manchmal ist das Zeitmanagement schon schwierig, wenn man zu bestimmten Tageszeiten Zeit mit der Gemeinschaft verbringen sollte. Aber der Mensch hat immer „Vorfahrt“. Wenn ich gerade bei einem Hausbesuch bin und das Baby Bauchweh hat, kann ich natürlich nicht einfach aufstehen und gehen, weil jetzt das gemeinsame Mittagessen ansteht. Das ist manchmal schon ein Spagat. Aber ich kann mir die Arbeitszeiten auch freier einteilen und habe sozusagen den „Klosterbonus“. Ich kann mir mehr Zeit nehmen als meine Kolleginnen. 20 bis 30 Minuten pro Hausbesuch reichen mir eigentlich nie aus.

Stand es jemals zur Debatte, den Beruf als Hebamme aufzugeben, um ins Kloster zu gehen?
Ich hatte damals mit Schwester Bernarda Glück und auch die Ratsschwestern hatten nichts dagegen, dass ich diesen Beruf behalte. Es war für mich aber auch keine Voraussetzung weiterzuarbeiten. „Ich würde gerne“, habe ich damals gesagt.

Tragen Sie Ihr Ordensgewand auch bei der Arbeit?
Ja, normal schon. Wenn ich mit den Frauen Gymnastik mache, kann es aber auch einmal sein, dass ich Jogginghose oder Ähnliches trage.

Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten Freude?
Wenn ich merke, dass Eltern und Kind gut miteinander „können“ und das Kleinsystem Familie gut funktioniert, das Kind geborgen ist.

Sie haben beruflich jeden Tag mit Neugeborenen und werdenden Eltern zu tun – kam da nie der Wunsch nach eigenen Kindern und einem Lebenspartner auf?
Natürlich verzichte ich, aber das Familienleben bedeutet wie das Ordensleben ein gewisses Maß an Gehorsam. Und mit diesem Gehorsam meine ich, aufeinander hören. Ich habe mich ja ganz bewusst für das Ordensleben entschieden und habe zwar keine eigenen Kinder, aber im Beruf werden mir jeden Tag Kinder geschenkt.

Gibt es ein Erlebnis, eine Geburt, ein Kind, das Sie niemals vergessen werden?
Natürlich gibt es viele schöne Momente, und einige Begegnungen im Kreißsaal waren bewegend. Schlimm ist es, wenn man Frauen begleitet, deren Kind gestorben ist. Eine Frau hat einmal ein behindertes Kind zur Welt gebracht. Die Mutter sagte dann zu mir, ich sei ein Engel. Ich habe ihr gesagt: Nein, ich bin kein Engel. Und die Frau antwortete: Doch, Engel sind Menschen, die Gott schickt.

Was würden Sie antworten, wenn eine Frau mit dem Gedanken spielt, das Kind abzutreiben und Sie um Rat bittet?
Natürlich ist es ein Leben, das verloren geht. Aber womit nehme ich mir das Recht heraus, über eine Frau zu urteilen, die sich dafür entscheidet. Ich habe nicht das Recht dafür. Aber ich will eine Frau mit diesem Gedanken nicht allein lassen und kann probieren, ihr andere Möglichkeiten aufzuzeigen und sie über die psychischen Folgen aufklären, die die Entscheidung mit sich tragen könnte.

Sie sind außerdem an der Realschule St. Ursula als Religionslehrerin tätig. Wie kam es, dass Sie sich zusätzlich als Lehrerin ausbilden ließen?
Als ich mich für das Klosterleben entschieden habe, war in meiner Praxis erstmal wenig los. Die Gemeinschaft hat mich dann gefragt ob ich mir noch eine weitere Tätigkeit vorstellen könnte und ich dachte an die Arbeit mit Jugendlichen, vielleicht sogar bei den Pfadfinderinnen. Aber weil wir hier im Haus ja die Schule haben, sollte ich hier unterrichten. Im Fernkurs habe ich dann Religionspädagogik studiert – das geht auch ohne Abitur.

Seit neustem werden an der ehemaligen Mädchenrealschule auch Jungen aufgenommen. Ist das ein richtiger Schritt in die Zukunft oder hätte man Ihrer Ansicht nach beim traditionellen Modell bleiben sollen?
Ja, wir haben an der Schule jetzt tatsächlich drei Jungen. Ob es das Richtige für die Zukunft ist, kann ich Ihnen nicht sagen, aber ich bin Überzeugungstäterin was das Leben in Gemeinschaften nur für Frauen und Mädchen angeht. Mädchen haben zu vielen Dingen einfach einen anderen Zugang.

Haben Sie eine Lieblingsstelle in der Bibel oder einen Psalm, der Sie auf Ihrem Lebensweg begleitet?
„Sein Zeichen über mir heißt Liebe“, denn so viel Liebe wie Gott, kann einem keiner entgegenbringen.

Gibt es ein Kloster oder eine Kirche, die Sie schon immer mal besuchen wollten?
Die Taizé-Fahrt ist in diesem Jahr leider wegen Corona ausgefallen. Aber eigentlich ist es egal in welche Kirche ich gehe, ich kann Gott überall begegnen.

An welchem Ort in Donauwörth halten Sie sich am liebsten auf?
Ich bin sehr gern im Klostergarten auf der Bank unter dem Wein. Wenn ich ein bisschen Überblick brauche, dann gehe ich gerne zur Kapelle am Wichtelesberg, mit Blick auf die Donau und ich spaziere sehr gerne entlang der Wörnitz.

Wie verbringen Sie die Vorweihnachtszeit und den Advent im Kloster?
Im Kloster gibt es da die sogenannte „Beherbergung“. Wir stellen die Herbergssuche nach, jede von uns darf eine Figur der Muttergottes eine Zeit lang „beherbergen“ und alle bereiten eigene Andachten vor. Der Advent ist die Zeit des Wartens, die stade Zeit. Und es ist ein Unterschied ob ich auf jemanden warte, oder ob er schon da ist. Dass es Lebkuchen schon im September zu kaufen gibt, passt mir gar nicht. Es ist doch das Weihnachtsgebäck, und Weihnachten ist auch noch nicht im Advent. Da wird auch noch nicht viel dekoriert, sondern alles adventlich sparsam gehalten. Es gibt nur einen Adventskranz oder ein kleines Adventsgesteck.

Wie verbringen Sie Heilig Abend und was steht da im Kloster auf dem Esstisch?
Es gibt einfach das, was diejenige gerne kocht die Küchendienst hat. Meistens irgendetwas Praktisches, wie Würstchen mit Kraut zum Beispiel. Nach dem Mittagessen kommt dann das Christkind zu uns. Schon vor Weihnachten gibt es eine kleine Box, in die jede ein Zettelchen mit einem Wunsch werfen darf. Letztes Jahr habe ich mir ein neues Stimmgerät für meine Gitarre gewünscht, weil das alte nicht mehr funktioniert hat. Und ich habe auch ein neues bekommen. Am Nachmittag gibt es dann Anbetungsstunden und wenn es irgendwie geht, versuchen wir zu einer Heiligen Messe zu gehen, die Christmette spät am Abend ist für die älteren Schwestern meist gar nicht möglich zu besuchen.

Pädagogin?
5 Punkte.

Geduldsmensch?
Der bin ich gar nicht, 3 Punkte.

Optimistin?
7 Punkte.

Pfadfinderin?
Voll und ganz, die 10.