27. März 2021, 08:00
Spaziergang durch Niederschönenfeld

Viel mehr als nur die JVA

Die St. Georgskirche in Feldheim. Bild: Wikicommons/Flodur63
Nur einen Katzensprung von Rain entfernt liegt die Gemeinde Niederschönenfeld. Zur Gemeinde gehören die Dörfer Feldheim und Niederschönenfeld sowie der Weiler Wörthen und die Einöden Lechbrücke und Hunzenhof. Um mehr über die Ortschaft am Lech zu erfahren, hat sich unsere Redakteurin Jenny Wagner mit Rauthauschef Stefan Roßkopf in Feldheim verabredet.

Bürgermeister Stefan Roßkopf wartet bereits in der Gemeindeverwaltung im Schulweg in Feldheim auf mich. Seit 2020 ist Roßkopf ehrenamtlicher Bürgermeister der 1500-Seelen- Gemeinde. Mittlerweile habe sich der 48-Jährige sehr gut in seinen Posten als Rathauschef eingearbeitet, eine Herausforderung sei der Spagat zwischen seinem Beruf als Betriebsratsvorsitzender bei der Firma Südzucker und dem Ehrenamt dennoch, berichtet mir Roßkopf.

Wir machen uns gemeinsam auf den Weg, um vorerst zu Fuß den Ortsteil Feldheim zu erkunden. Wir müssen nur ein paar Meter gehen, um die Kindertagesstätte zu erreichen. Diese liegt zentral mitten im Dorf-kern von Feldheim. Erst vor wenigen Jahren, erzählt mir Bürgermeister Roßkopf, wurde der Kindergarten um eine Kinderkrippe erweitert. Nun soll der Außenbereich der beiden Einrichtungen modernisiert werden
und zu einem naturnahen Spielplatz für die kleinen Einwohner der Gemeinde umgestaltet werden. Für die Zukunft seien weitere Baumaßnahmen geplant, erzählt mir der Bürgermeister: „Ein Erweiterungsbau sowie eine Mensa sollen die Räume der Kindertagesstätte komplettieren.“ Wir überqueren die Hauptstraße und Stefan Roßkopf zeigt mir die katholische Kirche St. Georg. Wir betreten anschließend gemeinsam den Friedhof und das Gemeindeoberhaupt erzählt mir, dass die Nachfrage nach Urnengräbern in den vergangenen Jahren auch in Feldheim stark gestiegen sei. Aktuell, so Roßkopf, stehen keine freien Urnengräber mehr zu Verfügung, es gebe aber bereits Überlegungen für einen Urnenstele. Ich erfahre außerdem, dass die Pfarrkirche um das Jahr 1500 gebaut wurde. Das obere Turmachteck wurde knapp 200 Jahre später errichtet. Das Kirchenschiff ist ein zu Beginn des zweiten Weltkrieges fertiggestellter
Neubau.

Wie viel Wert Bürgermeister Roßkopf auf ausreichend Grün in der Gemeinde legt, erzählt er mir als wir uns auf den Weg zum Plestin-les- Grèves-Platz machen: „Im September 2020 haben unsere Kindergartenkinder gemeinsam mit den Bauhofmitarbeiter*innen vor dem Kindergartengebäude eine Blumenwiese für Insekten angelegt. Auch auf vielen anderen Grünstreifen der Gemeinde haben wir Saatgut gestreut und dadurch viele Blühflächen geschaffen.“ Nach wenigen Minuten kommen wir am Plestinplatz an und Stefan Roßkopf erzählt mir von der gelebten deutsch-französischen Partnerschaft mit der Gemeinde Plestin-les-Grèves in der Bretagne. Diese wurde offiziell am 25. Mai 1997 in Plestin und am 29. August 1998 in Feldheim gegründet. Gegenseitige Besuche finden seitdem in einem regelmäßigen Turnus statt.

Auf dem Weg zurück zur Gemeindeverwaltung sprechen wir über das Thema Bauen. Stefan Roßkopf berichtet mir, dass auch in Feldheim und Niederschönenfeld die Nachfrage nach Bauplätzen groß sei. Derzeit, so Roßkopf, stehen der Gemeinde keine Bauplätze zum Verkauf zur Verfügung. Leere Flächen innerhalb der Gemeinde gebe es trotzdem, denn als vor vielen Jahren neue Bauplätze ausgeschrieben wurden, war kein Bauzwang auf den Flächen.

Um unseren kleinen Spaziergang in Niederschönenfeld fortsetzen zu können, setzen wir uns ins Auto und fahren die DON 29 entlang. Auf dem Weg berichtet mir der Bürgermeister vom fortschreitenden Glasfaserausbau in der Gemeinde: „In diesem Jahr sollen alle Haushalte, die mit Glasfaser versorgt werden möchten, einen Zugang bekommen. Die Erdarbeiten sind fast abgeschlossen.“ Angekommen in Niederschönenfeld parken wir unser Auto am Stachus und werfen einen Blick auf den Dorfplatz. „Hier finden unsere Dorffeste statt. Wegen Corona war es aber im vergangenen Jahr ganz schön still. Um wenigstens ein wenig Glanz in die Vorweihnachtszeit zu bringen, hat unser Kindergarten in beiden Gemeindeteilenein Adventsrätsel mit geschmückten Adventsfenstern organisiert“, sagt Roßkopf und zeigt auf das Feuerwehrhaus direkt am Stachus.

Wir laufen gemeinsam die Abteistraße entlang, in der sich noch ein ganz kleiner Tante-Emma- Laden befindet. Brot, Kartoffeln, Eier, frische Wurstwaren werden auf Schildern beworben – das Sortiment sei überschaubar, reiche aber aus, um die Nahversorgung in Niederschönenfeld zu sichern. Nur wenige Meter weiter erreichen wir die ehemalige Klosterkirche Mariä Himmelfahrt. In einem Kirchenführer, den mir Bürgermeister Roßkopf mitgegeben hat, erfahre ich einiges über die Geschichte der Kirche.

Im „kleinen Kunstführer“ des Schnell & Steiner Verlages heißt es: „Das Kloster ist eine Stiftung des Grafen Berchthold III. v. Lechsgemünd/Graisbach (1193–1253). Gegenüber seiner Burg Lechsgemünd ließ er vor 1241 ein Kloster errichten, der Sage nach als Sühne dafür, dass er während des Kreuzzuges Adelheid, die Tochter des Königs von Zypern Veit von Lusignan, geraubt hatte, die er dann heiratete. Der Ort des Klosters im ‚schoenenveldt‘ soll ihm dann von Maria im Traume angegeben worden sein.“

Wir betreten gemeinsam den imposanten Bau und halten einen Moment inne, bis Stefan Roßkopf auf die Empore zeigt: „Die historische Orgel wurde vom Rieser Orgelbaumeister Paul Prescher gebaut. In den Jahren 2017 bis 2019 wurde sie auf Initiative des Freundeskreises der historischen Kirchenorgel Niederschönenfeld e.V. aufwendig restauriert.“ Unser Weg führt uns noch ein Stück weiter und der Bürgermeister zeigt mir den größten Arbeitgeber der Gemeinde, die Justizvollzugsanstalt Niederschönenfeld. Diese wurde 1880 als erste Jugendstrafvollzugsanstalt für männliche Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren gegründet und befindet sich in den Räumlichkeiten des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters. Seit 1990 verbüßen junge Männer von 18 bis 26 Jahren dort ihre Haftstrafe. Die JVA bietet derzeit Platz für 261 Häftlinge. Schritt für Schritt, erzählt mir der Bürgermeister, soll das Gefängnis in den kommenden Jahren vergrößert werden. 500 anstatt wie bisher 261 Haftplätze soll es dann in Niederschönenfeld geben.

Mit dem Auto setzen wir unseren Spaziergang fort, denn unser nächstes Ziel liegt ein wenig außerhalb des Dorfzentrums. Nach wenigen Minuten erreichen wir die Vogelfreistätte Feldheimer Stausee. Seit 1982 ist die Vogelfreistätte, auch Lechstaustufe 27 genannt, ein Naturschutzgebiet. Auf einem Hinweisschild lese ich: „Das Naturschutzgebiet ‚Vogelfreistätte Feldheimer Stausee‘ ist als Rast- und Brutgebiet für zahlreiche Wasservögel in das europaweite Schutzgebietsnetz Natura 2000 eingebunden und gehört zum Vogelschutzgebiet ‚Donauauen zwischen Lechmündung und Ingolstadt‘. Als Bestandteil des RAMSAR-Gebietes ‚Lech-Donau- Winkel‘ zählt es außerdem zu einem von sieben Bayerischen Feucht- und Vogelschutzgebieten von internationaler Bedeutung.“ Von hier aus nicht zu übersehen, ist natürlich das Wasserkraftwerk. Stefan Roßkopf erzählt mir passend dazu von einem wegweisenden Konzept namens „LINDA“. Dieses soll eine Notstromversorgung im Blackout-Fall durch erneuerbare Energien gewährleisten. In Feldversuchen in Niederschönenfeld, Feldheim und Rain war das Konzept in der Praxis getestet worden. Das Vorhaben sorgte für große Aufmerksamkeit – und erhielt unter anderem den Bayerischen Energiepreis. Wir halten noch einen Moment inne und genießen den unbeschwerten Ausblick auf den Lech, bevor wir uns auf den Weg zu unserem letzten Ziel machen: Die neue Kläranlage. In einer kleinen Infobroschüre über die Baumaßnahme lese ich, dass der Gemeinderat viele Jahre mit dem Neubau gerungen hatte. Letztlich sei dieser aber doch notwendig geworden, da sich sowohl die Anforderungen an die Abwasserreinigung als auch die Einwohnerentwicklung verändert haben. Offiziell eingeweiht wurde die neue Kläranlage der Gemeinde Niederschönenfeld am 22. Oktober 2017. Gemeinsam fahren der Bürgermeister und ich zurück in die Gemeindeverwaltung nach Feldheim. Ich bedanke mich bei Stefan Roßkopf für die Führung durch seine Gemeinde und fahre zurück in mein Home-Office.