10. April 2018, 08:00

Spaziergang durch Monheim

Bild: Verena Gerber-Hügele
Monheim liegt im bayerischen Drei-Stammes-Eck zwischen Schwaben, Franken und Altbayern. Aufgrund seiner günstigen Lage am Knotenpunkt verschiedener Handelsstraßen war Monheim einst begehrt und wechselte durch Verschenkung, Verleih, Verpfändung und Verkauf häufig den Besitzer. So stand Monheim mal unter schwäbischer, mal fränkischer und mal bayerischer Herrschaft. Unsere Redakteurin hat sich auf den Weg nach Monheim gemacht, um einmal selbst durch Monheim und seine Geschichte zu spazieren. 
Für meinen Spaziergang treffe ich mich zunächst mit Peter Ferber, Leiter des StadtAktivManagements der Stadt Monheim, und mit Hanns Wenninger, Inhaber der Café Konditorei Wenninger und seines Zeichens Stadtführer und unerschöpflicher Quell an Wissen zur Historie von Monheim. Auch Günther Pfefferer, Erster Bürgermeister Monheims, schaut kurz bei uns vorbei und wünscht uns einen schönen Spaziergang durch seine Stadt. Doch bevor wir loslaufen, serviert Hanns Wenninger uns zunächst einen Kaffee und ein Stück seiner berühmten Dreiländereck- torte. „Verziert ist sie mit einer Zuckergusskarte Bayerns mit den Regionen Schwaben, Franken und Altbayern und mit der Stadt Monheim als Klammer, die alles zusammenhält“, erklärt mir Hanns Wenninger. Während wir Kaffee und Kuchen genießen, erzählt er mir so spannend und lebhaft aus der Historie seiner Stadt, dass ich ganz vergesse, mir Notizen zu machen. Das ist auch nicht nötig, denn nach Kaffee und Kuchen starten wir zu dritt auf eine Lauschtour durch Monheim. Unter dem Titel „Kleines Monheim, große Geschichte: Lauschen im bayerischen Drei-Stammes-Eck“ führt uns die Tour auf 1,2 Kilometern für eine knappe Stunde zu den wichtigsten Orten und Sehenswürdigkeiten Monheims. An der Konzeption dieser Lauschtour war Hanns Wenninger maßgeblich beteiligt.
Wir starten an der Infotafel vor dem Rathaus und werden von den Sprechern der Lauschtour sympathisch auf Schwäbisch, Fränkisch und Bairisch begrüßt, denn in Monheim treffen auch die drei Dialekte der Stämme aufeinander. Wir blicken über den langgestreckten Marktplatz und auf das obere und untere Stadttor zur rechten und zur linken Seite. Durch die beiden Tore und die einstige Stadtmauer, von der heute nur noch einige Reste zu sehen sind, war das um das Jahr 1340 mit Stadtrechten ausgestattete Monheim bestens geschützt. „Zu dieser Zeit herrschte großer Trubel auf dem Marktplatz, denn Monheim lag an einer der wichtigsten Handelsstraßen Europas, die Augsburg und Nürnberg miteinander verband“, erklärt Hanns Wenninger. Beiderseits des Rathauses standen zwei der einst zahlreichen Brauereien der Stadt. Das Gebäude des früheren Kreuzwirts wurde aufwendig saniert und beheimatet heute als Haus der Kultur zahlreiche Vereine. Vom früheren Reichtum der Stadt zeugt das großbürgerlich anmutende Rathaus. Erbaut wurde es 1730 von dem reichen Monheimer Juden Abraham Elias Model. Die Stuckdecke mit gemalten Szenen aus dem Alten Testament im heutigen Sitzungssaal können zu den Öffnungszeiten des Rathauses besichtigt werden, erfahre ich von Peter Ferber. Hanns Wenninger ergänzt: „Dieser Reichtum stieß auf Neider und im Jahre 1740 wurden alle jüdischen Bewohner aus Monheim vertrieben.“
Vom Rathaus aus folgen wir der Lauschtour zum oberen Stadttor und zu einem Brunnen. Auf der Tonspur der Lauschtour ist Meeresrauschen zu hören. Die Erklärung liefert ein Hinweis im Brunnen: Vor rund 150 Millionen Jahren war die Region vom Jurameer bedeckt. Für die heutige Landschaft ist allerdings ein Ereignis vor rund 15 Millionen Jahren verantwortlich: Der Asteroideneinschlag nahe Nördlingen, der die Bildung des heutigen Rieskraters verursachte. Monheim liegt auf den Auswurfmassen im Randbereich des Kraters. Im oberen Stadttor ist dieses Ereignis sogar noch lebendig, denn es wurde aus dem beim Einschlag entstandenen Gestein Suevit erbaut. Neben dem Stadttor erinnern die im fränkischen Fachwerkstil erbauten Moserhäuser an das fränkische Erbe Monheims.
Wir laufen weiter zur einstigen Kloster- und heutigen Pfarrkirche St. Walburga. Auf dem Weg erzählt mir Hanns Wenninger, dass Monheim nicht nur ein wichtiger Handelsknotenpunkt, sondern auch ein bedeutender Wallfahrtsort war: „Die Pilger waren die Touristen der damaligen Zeit. Sie brauchten Unterkünfte und Verpflegung in Gasthöfen, dadurch brachten sie Monheim Geld und Wachstum.“ Das frühere Benediktinerinnenkloster war 870 von der Äbtissin Liubila gegründet worden. „Diese Äbtissin war eine große Verehrerin der Heiligen Walburga. Diese wiederum war eine englische Adelige, die als Missionarin aufs europäische Festland gekommen war und als Äbtissin das Kloster Heidenheim am Hahnenkamm geführt hatte. Bereits zu Lebzeiten wurde sie sehr verehrt und später heiliggesprochen. Liubila sorgte 893 dafür, dass einige Reliquien der Heiligen Walburga nach Monheim kamen. Durch diese Reliquien und die Wunder, die sich bei deren Überführung ereignet haben sollen, wurde Monheim für die Pilger zum Anziehungspunkt“, erklärt Wenninger. Durch den Kreuzgang betreten wir den Kirchenraum. Gotische Spitzbögen, eine barocke Kanzel und Zierrat aus der Zeit des Jugendstils erzählen von ständigen Neubauten und Erweiterungen des Gebäudes. Über dem Altar und in einigen Malereien ist die Namenspatronin Walburga dargestellt. Die Reliquien liegen in einer kleinen Seitenkapelle. „Heute sind wir alleine in der Kirche, zu damaligen Zeiten hätten wir vermutlich Schlange stehen müssen, um die Reliquien zu sehen“, lacht Hanns Wenninger. Vor der Kirche schauen wir uns noch die Bronzestatue der Heiligen Walburga an. Von dort aus führt uns die Lauschtour weiter zum Schloss von Monheim. Wer allerdings einen Prachtbau erwartet hat, liegt weit daneben. Das Schloss ist derzeit eher im Zustand eines Geisterschlosses. „Das Schloss ist nicht im Besitz der Stadt Monheim, sondern es gehört
einem privaten Eigentümer aus Berlin. Ein Teil ist durch den Verwalter bewohnt, ansonsten steht es leer“, erklärt Peter Ferber. Durch das untere Stadttor verlassen wir die Altstadt und spazieren in Richtung Weiher und Mehrzweckhalle. Auf dem Weg kommen wir am Kindergarten vorbei und blicken rüber zur Grund- und Hauptschule von Monheim. Neben dem Wohnmobilstellplatz sind eine Reihe von Informationstafeln aufgestellt, die über die geologischen Besonderheiten rund um Monheim informieren.
Am Weiher vorbei und ein Stück das Bächlein Gailach entlang gelangen wir zum ehemaligen Gasthof Lamm. Hier stoßen wir wieder auf den eingangs erwähnten Reformator Martin Luther. Hanns Wenninger erzählt: „In der Nacht vom 20. Oktober 1518 fl üchtete Martin Luther zu Pferd und in Todesangst aus Augsburg. Er musste ganze 65 Kilometer hinter sich bringen und genau zu dieser Stelle, an der wir jetzt stehen, gelangen, denn kurz vor dem Gasthaus überschritt er die damalige Herrschaftsgrenze und war in Sicherheit.“ Wir überqueren die Straße und laufen bergan zum letzten Lauschpunkt unserer Lauschtour, der Peterskapelle. Auf diesem Hügel hatte einst die Besiedlung Mouvenheims, wie Monheim damals hieß, begonnen. Von hier aus genießen wir einen letzten Panoramablick über Monheim, dem Schnittpunkt der Schwaben, Franken und Bayern. Hier verabschieden sich die Sprecher der Lauschtour passenderweise auf Schwäbisch, Fränkisch und Bairisch von uns. Auch ich verabschiede mich von Peter Ferber und Hanns Wenninger, die mir ganz neue und bisher unbekannte Seiten ihrer Stadt gezeigt haben.