19. Juni 2022, 08:00
Menschen & Ideen

Altes Handwerkt bleibt ewig jung

Bild: Maximilian Bosch
Iris Drexler hält in Wemding ein altes Handwerk am Leben: Sie schöpft Büttenpapier, das sie mit inspirierenden Sprüchen versieht und in ihrem Laden „Artefactum“ in der Wallfahrtsstraße verkauft. Damit erfüllt sich die gebürtige Nordrhein-Westfälin einen Kindheitstraum.

Durch die Adern von Iris Drexler fließt Künstlerblut: Unter ihren Vorfahren waren Töpfer und Kirchenmaler. Sie selbst hat eine Ausbildung zur gestaltungstechnischen Assistentin mit Schwerpunkt Grafik absolviert und arbeitete in Bonn als Grafikerin, bevor sie mit ihrem Mann Martin nach Wemding kam. Hier hat Iris Drexler ihr Hobby, das Schöpfen von Büttenpapier, zum Beruf gemacht.

Das Papierschöpfer-Handwerk begegnete ihr einmal auf einem Weihnachtsmarkt im Rheinland, wo ein Mann vor ihren Augen das Papier schöpfte. „Ich war total hin und weg“, erinnert sich die 49-Jährige. Sie durfte den Handwerker zuhause besuchen und fing an, sich selbst mit dem Papierschöpfen zu beschäftigen. Daraus wurde eine Leidenschaft, die Iris Drexler nun schon 20 Jahre lang auslebt und sie stets neues Büttenpapier mit interessanten Inhaltsstoffen anfertigen lässt.

 

 

Bild: Maximilian Bosch

Was ist überhaupt Büttenpapier?

Das Büttenpapier stellt die ursprüngliche Form von Papier dar. Im ersten Jahrhundert nach Christus wurde die Methode in China erfunden. Man gibt die Pulpe (einen Zellulosebrei bestehend aus Leinen-, Hanf oder Baumwollfetzen oder auch Zellstoff) und Wasser in eine Bütte (eine Wanne) und schöpft mit einem Sieb mit Rahmen den Brei heraus. Auf dem Sieb bleibt der Zellulosebrei hängen, dieser wird getrocknet und zu Papier gepresst. Das entstehende Papier ist relativ dick, unregelmäßig und sieht immer anders aus, je nachdem, was man zum Schöpfen benutzt. In der Pulpe kann nämlich alles Faserige verwendet werden, um dem Büttenpapier einen ganz eigenen Charakter zu geben. Iris Drexler verwendet zum Beispiel auch Haar, Moos, Hanf, Tee, Blüten, Federn und Glitzer für ihre Kreationen. „Jedes Teil ist ein Unikat“, sagt die Wahl-Wemdingerin. Mit Salbei, Lavendel oder auch Zimt kann man dem Büttenpapier auch eine aromatische Note geben. Die Ideen für die Papiere holt sich Drexler in der Natur, bei Waldspaziergängen ist sie ständig auf der Suche nach neuen Inhaltsstoffen.

Eine Karte für jeden Anlass

Jede Woche geht Iris Drexler ihrem Handwerk nach. „Ich bin gar nicht glücklich, wenn ich einmal eine Woche nicht schöpfen kann“, sagt sie. Entsprechend groß ist ihr Fundus an kleinen und größeren Büttenpapieren, die in ihrem Geschäft „Artefactum“ zu finden sind: Geschätzt 2 000 Stück sind auf Lager. Sie sind beschrieben mit Sprüchen von vielen verschiedenen Autorinnen und Autoren, für jeden Geschmack und jede Situation findet sich etwas passendes von Marc Aurel, Seneca, Augustinus und anderen großen Persönlichkeiten – oder auch nur ein besonders inspirierender Kalenderspruch. Auch Drexlers eigene Gedanken finden ihren Weg auf die Büttenpapiere.

 

Bild: Maximilian Bosch

Lustig oder ernst, inspirierend, nachdenklich oder traurig: „Ich hab alles da“, sagt die Künstlerin. Wer gerne einen bestimmten Spruch auf seinem Papier lesen möchte, kann das auch in Auftrag geben.

Um die Karten aus Büttenpapier richtig in Szene setzen zu können, fertigt Iris Drexler auch passende Rahmen aus gedrehtem Draht an. Besonders praktisch sind die „Spiralsteine“: dekorative Steine mit einem Drahtgestell, das eine Büttenpapierkarte halten kann. Präsentiert wird Drexlers Sortiment in alten Koffern – Iris Drexler kombiniert sehr gerne Antiquitäten und Papier. Ihr Geschäft Artefactum, das sie seit 2008 betreibt, sollte ursprünglich auch einmal ein Antiquitätenladen werden, aber dafür ist die lokale Nachfrage etwas zu klein. Ihren Kindheitstraum, entweder einmal ein Museum oder ein Geschäft zu haben, hat sich Drexler aber auch so erfüllt.

Ihre Kunst zeigt Iris Drexler nicht nur im Artefactum, sondern gerne auch auf Kunsthandwerkermärkten und bei Historischen Festen. In mehreren „Außenstellen“ sind Drexlers Werke ebenfalls erhältlich, zum Beispiel in Bio-Märkten oder Dorfläden der Umgebung. So bleibt das Papierschöpfer-Handwerk auch weiterhin in der Region präsent.