23. September 2020, 09:00
Kaufleute mächtiger als Kaiser

Die Pioniere des Kapitalismus

Portrait von Jakob Fugger dem Reichen (Albrecht Dürer, 1519) Bild: Wikimedia commons, allgemeinfrei
Geld regiert die Welt, das gilt heute noch genauso wie vor über 500 Jahren, als die Kaufmannsfamilie Fugger aus Augsburg zu außergewöhnlicher Macht kam. Diese wohl bedeutendsten Vertreter des europäischen Frühkapitalismus, allen voran Jakob Fugger „der Reiche“, finanzierten Kaiser und Päpste. Sie erlangten einen Reichtum, der den Reichtum der heutigen Superreichen bei weitem übersteigt, den ihrer Zeitgenossen sowieso. Wie haben sie das geschafft?

Die Geschichte der Fugger beginnt mit der Einwanderung Hans Fuggers in die Freie Reichsstadt Augsburg im Jahr 1367 – „fucker advenit“ (lateinisch für „Fugger ist angekommen“) wurde im Steuerbuch der Stadt Augsburg vermerkt. Der Webermeister mag weniger schillernd sein als sein Enkel, der den Beinamen „der Reiche“ bekam, zeigte aber ebenfalls großes kaufmännisches Talent. Schnell stieg Hans Fugger in der hiesigen Zunft auf und entdeckte den Textilhandel als profitables Geschäftsfeld. 

Zusätzlich zu seinen wirtschaftlichen Unternehmungen war Hans Fugger auch in der Gesellschaft erfolgreich aktiv. Nach seinem Tod 1408 (oder 1409, genau ist das nicht bekannt) führte seine Witwe Elisabeth die Weberei und den Textilhandel erfolgreich fort. Seine Söhne aus zweiter Ehe, Andreas Fugger und Jakob Fugger der Ältere, stiegen nach dem Erlernen des  Goldschmiedehandwerks ebenfalls ein. 

Andreas und Jakob arbeiteten gemeinschaftlich am Erfolg der Firma weiter, allerdings kam es zu Zeiten dieser zweiten Generation der Fugger auch zur Teilung der Familie: In den Jahren 1454/55 gingen die Brüder nämlich getrennte Wege. 

Das Fuggerhaus in Donauwörth. Bild: Mara Kutzner

Auftritt Jakob Fugger „der Reiche“

Als 1459 Jakob Fugger auf die Welt kam, konnte noch niemand ahnen, zu welchem Reichtum und welcher Geltung dieser die Familie Fugger noch führen sollten. Bereits im Alter von 14 Jahren begann Jakob Fugger, in Venedig die neuesten Praktiken des Bankwesens und der Wirtschaft, insbesondere des Metallhandels, zu erlernen. Die Erfahrungen, die er in dem damaligen Handelszentrum des Mittelmeers machte, sollten ihm später sehr zugute kommen. Zum Beispiel war Jakob Fugger der erste nördlich der Alpen, der die Doppelte Buchhaltung einführte.

Eine Erfolgsstrategie, die bereits Jakobs ältere Brüder Ulrich und Georg verfolgten, war der Aufbau von sogenannten Faktoreien. Circa um 1470 begannen die Fugger, diese Handelsniederlassungen in den Städten Europas zu bauen. Knapp 20 große Standorte sind heute bekannt, neben Venedig auch in Nürnberg, Mailand, Innsbruck, Rom und Lissabon. Dazu kamen circa 30 kleinere Niederlassungen. Mittels der Faktoreien war es möglich, bargeldlos Geld innerhalb des Netzwerkes zu transferieren. Dafür wurden Wechselbriefe genutzt, Zahlungsversprechen aus Papier, die für Räuber und Wegelagerer wertlos waren. 

Für die Firma war die Zeit Jakob Fuggers „des Reichen“ außerordentlich erfolgreich. Zwischen 1511 und 1527 konnte das Familienunternehmen sein Kapital von circa 200.000 Gulden auf über 1,8 Millionen Gulden erhöhen. Jakob Fuggers Vermögen wird heute auf umgerechnet 358 Milliarden Euro geschätzt, was ihn zum reichsten Menschen in der Geschichte der Menschheit macht (Quelle: www.vermoegenmagazin.de). Es existieren verschiedene Umrechnungsmodelle, die zu anderen Ergebnissen kommen, beeindruckend bleibt es allemal.

Aufstieg in den Adel und soziales Wirken

Durch die enge Bindung an das Haus Habsburg kamen die Fugger zu immer höherem Ansehen und stiegen sozial auf. Kaiser Maximilian I. hatte seine Dynastie vor allem mit dem Geld der Fugger zu einer europäischen Großmacht aufgebaut, sein Enkel Karl, bereits König von Spanien, wurde von den sieben Kurfürsten nach Maximilians Tod zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gewählt. 1511 wurde Jakob Fugger von Maximilian I. in den Adelsstand erhoben und 1514 in den Reichsgrafenstand. Durch den Aufstieg in den Adel konnte der Augsburger Bürger seine Herrschaft über seine Besitzungen ausüben, ohne auf Widerstand anderer Adeliger zu stoßen. 

Seine bis heute nachwirkende, wohl wichtigste Investition tätigte Jakob Fugger 1521 mit der Stiftung der Fuggerei, der heute ältesten noch erhaltenen Sozialsiedlung der Welt. Der Bau der Fuggerei als Siedlung für unverschuldet verarmte Augsburger Bürger sollte ihm und seinen Brüdern die Jahre im Fegefeuer verkürzen. Die Bewohner der mit der Zeit auf 67 Häuser ausgebauten Siedlung müssen bis heute neben dem symbolischen Mietzins von 88 Cent pro Jahr drei Gebete täglich beten: für das Seelenheil der Stifter. 

Vermächtnis

Auch wenn die Erben des kinderlosen Jakob Fuggers die Geschäfte noch erfolgreich weiterführen konnten, war ihr Unternehmen nicht für die Ewigkeit. 1658 endete nach drei ruinösen spanischen Staatsbankrotten das Zeitalter der Fugger endgültig, ihre Gesamtforderungen an die Habsburger in Höhe von acht Millionen Gulden mussten die Augsburger in den Wind schreiben. Die enge Bindung an das Adelshaus war damit gleichermaßen Grund für den Aufstieg wie für den Fall der Augsburger Kaufleute. Bis heute bleibt ihr Name verbunden mit sagenhaftem Reichtum, ihre Geschichte inspirierte Sachbücher, Romane, Computerspiele und Fernsehserien. Wenn von Augsburg die Rede ist, spricht man über 650 Jahre nach der dortigen Ankunft des Stammvaters dieser Familie von der „Fuggerstadt“.