Daniel Probst in seinem Geschäft in Donauwörth Bild: Diana Hahn
Daniel Probst hat trotz seiner Behinderung den Sprung in die Selbstständigkeit geschafft. Seit knapp 20 Jahren führt er in der Donauwörther Reichsstraße „Daniels Kerzenstelier“. Dabei immer an seiner Seite: seine Eltern. Vor allem seine Mutter Beate Probst hat sich stets für ihren Sohn stark gemacht und seine Rechte vehement eingefordert
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Donauwörth - „Wir wollten immer, dass es Daniel möglich ist, so gut es geht, seinen eigenen Weg zu gehen“, sagt Beate Probst und fügt hinzu: „Das ist für mich auch die eigentliche Bedeutung von Inklusion. Das beginnt bereits im Kindesalter. Ein behindertes Kind soll die Möglichkeit erhalten, inmitten anderer Kinder aufzuwachsen, mit diesen zu lernen und zu spielen und nicht schon sehr früh ausgesondert zu werden.“ Der inklusive Weg fing schon in Daniels frühen Lebensjahren an. „Wir wollten, dass unser Sohn eine Regelschule besucht. Das war hier aber nicht möglich, da alle Behörden der Meinung waren, dass Daniel auf eine Förderschule müsse“, erinnert sich Probst. „Letztendlich haben wir es aber doch geschafft, dass Daniel eine reguläre Schule in einem Nachbarlandkreis besuchen konnte. Auch wenn das nicht unser Ziel gewesen ist. Eigentlich soll auch ein behindertes Kind dort in die Schule gehen können, wo es wohnt und aufwächst. Gemeinsam mit den Nachbarskindern“, erklärt Beate Probst.
„Wir hingegen mussten jeden Tag weite Strecken zurücklegen, um es Daniel zu ermöglichen eine Regelschule zu besuchen. Man stellt sich dann natürlich die Frage, warum das eigene Kind nicht zusammen mit den Nachbarskindern lernen darf, obwohl das in anderen bayerischen Städten, wie in Nürnberg zum Beispiel, funktioniert“, so Probst. Neben den 100 Kilometern, die Daniels Familie so jeden Tag zurücklegen musste, gab es noch weitere Schwierigkeiten: „Ich hatte nicht die Möglichkeit arbeiten zu gehen, das wäre gar nicht möglich gewesen. Ich wollte ja für Daniel da sein. Allerdings bedeutet das auch, dass ich keine große Altersversorgung zu erwarten habe“, schildert Beate Probst die Lage. Ihre Forderung an die Politik ist es deshalb, dass engagierte Eltern und die von ihnen betreuten Kinder mit Behinderung ähnlich gestellt werden, wie es in Behinderteneinrichtungen der Fall ist. Vor allem in Hinsicht auf Unterstützung und finanzielle Förderung. „Wir sind ja nicht die einzigen, die sich auf diese Weise für ihr behindertes Kind engagieren. „Daniel erhält keine Förderung, da er selbständig tätig ist. Da die gesetzlichen Bestimmungen das nicht ermöglichen. Ich selbst verzichte auf eine Tätigkeit, weil ich Daniel im Kerzenatelier unterstützen muss und ihn vertrete, wenn er zum Beispiel Arzttermine hat“, sagt Beate Probst.
Inklusion hat keine Grenzen
Trotz persönlicher Einschränkungen haben Daniels Eltern immer dafür gekämpft, dass Daniel eben nicht in irgendwelchen Maßnahmen landete, sondern seine Berufsschulpflicht parallel zur Arbeit im eigenen Laden an einer ganz normalen Berufsschule absolvieren konnte. „In unserer Gesellschaft kommen Kinder mit Behinderung zu schnell in spezielle Förderschulen, anstelle ausreichend und vernünftig in einer inklusiven Regelschule gefördert zu werden. Dort erhalten sie einen Stempel und werden letztendlich nur daraufhin ausgebildet, einmal in einer Behindertenwerkstätte zu arbeiten“, meint Beate Probst. Das passiere, obwohl jedes Kind das Recht hätte, einen Platz in einem regulären Kindergarten oder einer Schule zu erhalten.
Zur Entscheidung, dass Daniel ein eigenes Geschäft eröffnen sollte, kam es, als Daniel gerade 15 war. „Damals hat uns das Arbeitsamt gesagt, dass Daniels einzige berufliche Perspektive eine Werkstätte für Behinderte sei. Doch das kam für uns nicht in Betracht. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, selbst etwas Inklusives aufzubauen. Also habe ich mich an die Berufsschule gewandt. Über das, was ich dort erlebte, bin ich heute noch erstaunt. Dort hatte ich positive Gespräche mit den Lehrern und sie nahmen Daniel auf, ohne Fragen zu stellen und nach dem Motto ‚Wir probieren das einfach‘. Bis zum heutigen Tag sind wir ganz sicher, dass das die richtige Entscheidung war. Das war gelebte Inklusion“, sagt Beate Probst. Nur so könne Inklusion funktionieren. „Inklusion darf keine Grenzen haben und auch keine Sonderformen. Inklusion muss von Anfang an stattfinden und für alle Wege zur Förderung aufzeigen. Kompromisse, die Menschen ausgrenzen, sind keine Inklusion!“, meint Probst.
Was viele im Fall von Daniel nicht für möglich gehalten hätten, hat der junge Mann heute erreicht. So spielt er trotz seiner Spastiken seit einigen Jahren Klavier. „Mittlerweile sogar so gut, dass er in der Kirche im Gottesdienst Orgel spielt. Manchmal spielt er ein bis zwei Lieder, manchmal umrahmt er den gesamten Gottesdienst“, erklärt Beate Probst stolz. Möglich sei das aber alles auch nur gewesen, da sie und ihre Familie immer wieder auf Menschen gestoßen sind, die bereit waren einfach mal etwas zu versuchen und es nicht schon von vornherein abzulehnen.
Durch die Hartnäckigkeit seiner Eltern und weil Familie Probst das Glück hatte auf Menschen zu treffen, die bereit waren andere Wege zu gehen – auch mit dem Risiko des Scheiterns – hat Daniel seinen Weg gemacht. Der nächste Schritt, selbstständig zu wohnen, ist auch schon in Planung.