2. Februar 2021, 09:00
Spaziergang durch ...

Deiningen: Leben im Herzen des Rieses

Bild: Maximilian Bosch
Deiningen ist das älteste, urkundlich erwähnte Dorf des Riesgaues: Bereits 760 nach Christus taucht die Ortschaft in einem königlichen Dokument auf. Nicht nur geografisch ist Deiningen im Zentrum des Rieses, seit Jahrzehnten bietet die Gemeinde wichtige Leistungen für die umliegenden Dörfer an, sei es zur Nahversorgung, als Schulstandort oder Arbeitsplatz. Zeit, dass sich unser Redakteur Maximilian Bosch einmal etwas näher mit der Gemeinde beschäftigt.

Wie die meisten unserer Spaziergänge beginnt auch dieser im Rathaus, wo ich mich mit Bürgermeister Wilhelm Rehklau treffe. Er sitzt seit 2014 im Rathaus und kann mir gute Tipps geben, was man in Deiningen gesehen haben sollte. Den Anfang macht die Geopark-Infostelle, die direkt neben dem Rathaus am Karl-Stirner-Platz zu finden ist und vor allem Touristen einen Anhaltspunkt geben soll.

Wo könnte man besser eine Erkundung des Rieskraters starten als in direkter Nähe zum Einschlagszentrum des Asteroiden, der vor 14,5 Millionen Jahren diese Landschaft schuf?

Auf mehreren Schautafeln können sich Interessierte über das Ries informieren und eine Route durch den Krater planen. Von hier aus kann man auch den Meteorbrunnen bewundern, der 2010 vom Künstler Fred Jansen erneuert wurde. Dabei wurde der Asteroideneinschlag auf Grundlage eines Ideenwettbewerbs der Gemeindebürgerinnen und -bürger mit Bronze, Wasser und Riesgestein dargestellt. 

Bild: Maximilian Bosch

Weiter geht es zur Katholischen Kirche St. Martin. Bereits im 8. Jahrhundert existierte ein Vorgängerbau, die heutige Kirche stammt aus dem 14. Jahrhundert. Das wuchtige Bauwerk präsentiert sich als typisch mittelalterliche Wehrkirche mit dem Turm als Bergfried. St. Martin ist das ältere der beiden Deininger Gotteshäuser und diente von 1616 bis 1961 als Simultankirche, in der beide Konfessionen ihre Gottesdienste abhalten konnten. 2015 wurde die Kirche äußerlich renoviert, 2019 unterzog man den Innenbereich einer Frischzellenkur. Die Kirche beherbergt einen Barockaltar, Heiligenfiguren, Fresken und wertvolle Heiligendarstellungen. In direkter Nachbarschaft zu St. Martin ist außerdem die ökumenische Gemeindebücherei zu finden.

Bild: Maximilian Bosch

Deiningens unverkennbares Wahrzeichen

Weiter führt der Spaziergang zur Egerbrücke am Westrand der Ortschaft. Sie ist das Wahrzeichen des Dorfes und hat sogar im Gemeindewappen ihren Platz gefunden. Erstmals erwähnt im Jahr 1304 überspannte die zehn Meter lange, siebenbogige Brücke aus Suevitgestein jahrhundertelang die Eger. Bis 1957 wurde sie für den Straßenverkehr nach Nördlingen genutzt. Der historische Bau steht unter Denkmalschutz und erinnert an lange zurückliegende Zeiten, als es in Deiningen noch eine Zollstation, ein Brückentor und die Platzwirtschaft gab.

Vom Verkehr der Vergangenheit geht unser Weg weiter zum Verkehr der Gegenwart: zur Deininger Hauptstraße. Sie stand in den vergangenen Jahren stark im Fokus, als sie für die B 25 als auch die B 466 zur Umleitung wurde. Mit bis zu 13000 Fahrzeugen am Tag war die Hauptstraße extrem belastet, seit aber im Juni die Sanierung der Ortsdurchfahrt abgeschlossen wurde erstrahlt sie in neuem Glanz. Ein „Highlight“ der sanierten Hauptstraße soll der Platz an der „Alten G’friere“ werden, an der Kreuzung mit der Mühlstraße. Wie mir Wilhelm Rehklau erklärt, befand sich hier einst eine Molkerei, die später als Gebäude für die Gemeindegefrieranlage diente – früher hatte nicht jeder Haushalt eine eigene Gefriertruhe. Auf dem Platz soll eine Infotafel installiert werden, an der sich die Nutzer des Georadwegs Altmühltal orientieren können, der auch durch Deiningen führen wird.

Bild: Maximilian Bosch

Entlang der Hauptstraße setze ich meinen Weg fort zur Grund- und Mittelschule Deiningen. 210 Kinder werden im aktuellen Schuljahr hier unterrichtet. Die Schule ist ein willkommenes Bildungsangebot, das Deiningen für Familien Leben im Herzen des Rieses zu einem attraktiven Wohnort macht. Früher jedoch war die Bedeutung der 1969 gegründeten Verbandsschule Deiningen ungleich größer: Die Schülerinnen und Schüler kamen neben den heute noch zum Sprengel gehörenden Orten Deiningen, Alerheim und Wechingen (jeweils mit Ortsteilen) und Grosselfingen auch aus Appetshofen, Heroldingen, Enkingen, Pfäfflingen, Dürrenzimmern, Löpsingen und Heuberg. Bis zu 750 Kinder beherbergte das 1972 eingeweihte Schulgebäude, aber durch Faktoren wie Geburtenrückgang und steigende Übertrittsquoten sowie Umsprengelungen infolge der Einführung der sechsstufigen Realschule sank die Zahl mit der Zeit. Heutzutage versucht man, mithilfe von schnellem WLAN, Tablets und Whiteboards einen attraktiven Schulstandort anzubieten und zu erhalten, berichtet mir Rehklau. Auch eine flexible Grundschule und eine Ganztagsschule mit Betreuung am Nachmittag wird hier praktiziert.

Von der Schule ist es nicht weit zum Sportgelände der SpVgg Deiningen. Der Sport nimmt in Deiningen einen hohen Stellenwert ein, für eine Gemeinde dieser Größe ist das Angebot enorm. Allein der Sportverein bietet Fußball, Turnen, Tennis, Tischtennis, Ju-Jutsu und Stockschießen an, dazu eine Theatergruppe. Das Sportgelände steht allen Gemeindebürgern offen, dazu gibt es einen Bolzplatz und eine Skateanlage. Für sportliche Abwechslung sorgt auch die Schützengilde Hubertus Deiningen 1751 e.V., die gerade ihre Schießanlage auf elektronischen Betrieb umstellt und außerdem für ihre Bogenschützenabteilung bekannt ist.

210 Kinder werden in der Deininger Grund- und Mittelschule unterrichtet. Bild: Maximilian Bosch

Zwei Konfessionen, zwei Kirchen

Deiningen gehört zu den Orten im Ries, die über zwei Gotteshäuser verfügen. Nachdem die erwähnte St. Martinskirche fast 350 Jahre lang sowohl für katholische wie auch evangelische Gottesdienste genutzt wurde (sog. Simultaneum), bekam die evangelische Kirchengemeinde im Jahr 1960 ihren Wunsch nach einer eigenen Kirche erfüllt. Die Erlöserkirche, entworfen vom Harburger Architekten Christian Helmut Prechter, steht im nördlichen Teil Deiningens und zeigt sich in einem modernen Erscheinungsbild. Historische Kunstgegenstände aus der evangelischen Geschichte des Ortes sind in die Erlöserkirche aufgenommen worden, wie der Taufstein aus Buntsandstein von 1682. Dieses Jahr steht das 60-jährige Jubiläum der Kirche an. Laut Bürgermeister Rehklau wird aus diesem Anlass eine neue Chronik erscheinen.

Ganz in der Nähe der Erlöserkirche ist die Kindertagesstätte Villa Funkelstein zu finden, die sich in der Trägerschaft der Gemeinde befindet. Seit 1934 gibt es in Deiningen einen Kindergarten, das heutige Gebäude wurde 1941 bezogen und über die Jahre hinweg immer wieder erweitert und renoviert. 74 Kinder von drei bis sechs Jahren und 26 Kinder von neun Monaten bis drei Jahren können hier lernen und spielen.

Dieses Jahr hat die Erlöserkirche ihr 60-jähriges Jubiläum. Bild: Maximilian Bosch

Ein Ortsteil mit bewegter Geschichte

Zum Abschluss meiner Erkundungstour widme ich mich noch dem ehemaligen Zisterzienserkloster Zimmern, auch Klosterzimmern genannt. Das Kloster hat seinen Ursprung im Gunzenhäuser und Hahnenkammgebiet, 1252 erfolgte die Verlegung ins Ries. Das Kloster nördlich von Deiningen war einst eines der reichsten der Region und bestand bis zu seiner Auflösung 1558, als es bereits im Besitz der Grafen von Oettingen war. Nachdem deren Linie endete, ging Klosterzimmern an das Haus Oettingen-Wallerstein, das 1922 einen landwirtschaftlichen Gutshof daraus machte, der eine Vorreiterfunktion im Ries innehatte. Getreidebau, Milchviehhaltung, eine Mühle, eine Obstbrennerei, Zuckerrübenanbau, Kartoffelzucht und Schweinemast – in Klosterzimmern gab es über die Jahre hinweg fast alles.

2001 wurde der Gutshof mitsamt zwölf Hektar Fläche an die Glaubensgemeinschaft „Zwölf Stämme“ verkauft, die Deutschland aber mittlerweile verlassen hat.

Heute befindet sich Klosterzimmern mitsamt der Klosterkirche aus dem 13. Jahrhundert in Privatbesitz. Die evangelische Kirchengemeinde Deiningen hat aber zumindest das Recht, die Kirche für einige Gottesdienste im Jahr zu nutzen.

Klosterzimmern Deiningen Bild: Maximilian Bosch

Was demnächst ansteht

Auf dem Heimweg denke ich noch eine Weile nach über die Dinge, die mir Bürgermeister Rehklau vor meinem Spaziergang berichtet hat. Zum Beispiel wird im Deininger Gewerbegebiet die hintere Zufahrt im neuen Jahr angepackt und der Gehweg in Richtung Netto ausgebaut. Sechzehn neue Bauplätze in Richtung Pfäfflingen werden aktuell erschlossen, die Nachfrage ist sogar noch größer. Zusammen mit dem Gemeinderat sei der Bürgermeister bestrebt, den Ortskern zu entwickeln und gemäß der Richtlinie „Innen vor Außen“ leere Flächen in der Mitte zu aktivieren. Dazu diene auch die Sanierung der Hauptstraße, die unter anderem Privatleute dazu anregen soll, ihre Häuser ebenfalls zu renovieren. Besonders gut gefällt mir auch das Projekt „Helfende Hände Mittleres Ries“, eine Nachbarschaftshilfe für die Gemeinden Alerheim, Deiningen und Wechingen, die es seit Februar 2018 gibt und älteren Bürgerinnen und Bürgern Hilfe sein will. 

All das dient dazu, Deiningen weiterhin attraktiv zu halten und Leute zu animieren, sich hier niederzulassen. Die Voraussetzungen dafür sind bestens, denn auch wenn Deiningen das älteste Dorf im Ries ist – eine lange Geschichte hat man hier ebenso wie die richtigen Ideen für die Zukunft.