14. August 2022, 08:00
Menschen & Ideen

Vom traditionellen Wirtshaus zum modernen Sterne-Restaurant

Bild: Foto Hirsch
Jockl Kaiser betreibt seit 1984 zusammen mit seiner Frau Evelin den Meyers Keller in Nördlingen. 2009 wurde das Restaurant sogar mit einem Michelin Stern ausgezeichnet.

Seit Jahren verzückt Jockl Kaiser in seinem Restaurant Meyers Keller seine Gäste – nicht nur aus der Region, sondern aus ganz Deutschland. Für seine Kochkünste erhielt er deshalb 2009 seinen ersten Michelin Stern und hat diesen seitdem Jahr für Jahr bestätigt.

Jockl und Evelin Kaiser. Bild: privat

Angefangen hat seine Erfolgsgeschichte aber bereits vor 38 Jahren. Im Jahr 1984 übernahm Kaiser zusammen mit seiner Frau das elterliche Wirtshaus auf der Marienhöhe in Nördlingen. Aus heutiger Sicht eine „reine Bauchentscheidung“, wie der Spitzenkoch erzählt: „Wir waren damals 22 und 21 Jahre alt und natürlich war die Entscheidung, ein verschuldetes Wirtshaus zu übernehmen, auch etwas naiv, aber ich glaube, in diesem Alter darf man das auch sein.“ Entsprechend holprig war der Start, auch weil sich Kaiser von Beginn an dazu entschieden hat, ambitioniert und produktorientiert zu kochen. „Diesen Ansatz haben damals nicht alle verstanden, die Zeit war einfach eine andere“, erklärt er. Umso mehr freut sich das Paar heute, wenn Stammgäste ihr Restaurant besuchen, die bereits seit den Anfangsjahren ihren Weg auf die Marienhöhe finden. „Es gibt einige Stammgäste, die unsere Reise von Beginn an begleiten und dabei echte Freunde geworden sind“, erklärt er stolz.

Online-Shop und Instagram-Auftritt

Trotz der zweifelsohne komplexen und hochanspruchsvollen Küche im Meyers Keller liegt eines der Hauptaugenmerke nach wie vor auf klassischen deutschen Gerichten. So hat Kaiser in den vergangenen Jahren das Menü „Mit Laib und Seele“ entwickelt – mittlerweile einer der Verkaufsschlager im Sternerestaurant. In diesem Menü wird Soulfood wie früher serviert, zum Teilen am Tisch, in Schüsseln und Schalen. Die Gerichte sind allesamt Teil der Wirtshaus-DNA: Maultaschen, Krautwickel, Blutwurstg’röscht’l, ein saisonales Gericht, Wiener Schnitzel und Kaiserschmarrn.

Bild: Foto Hirsch

„Unser Fokus liegt auf der Vielfalt der engagierten Regionalküche. Die natürliche zeitliche Verfügbarkeit der Lebensmittel ist für uns dabei das A und O“, so Jockl Kaiser.

Namensgeber des Meyers Keller ist ein alter Brauereikeller, auf dem das heutige Restaurant steht. Das Besondere: Hier wurde zwar früher tatsächlich Bier gelagert, mittlerweile dienen die Gewölbe jedoch als Lagerraum einer ganz besonderen Spezialität – dem Rieser Culatello Riserva. Der Rohschinken kommt ursprünglich aus der Region um Parma und reift hier 30 Monate. „Wir haben den Schinken in Italien kennenlernen dürfen und bei ersten Produktionsversuchen hier in Nördlingen festgestellt, dass unser Brauereikeller zufällig die perfekten Bedingungen für den Reifeprozess bietet“, erklärt der Sternekoch.

"Der Malzboden" - Gastronomie neu gedacht

In 38 Jahren Meyers Keller hat sich nicht nur im Restaurant einiges verändert, auch die Gastronomiebranche und die Anforderungen der Gäste sind seither im stetigen Wandel. Entsprechend wichtig ist es für Kaiser, sich immer wieder neu zu erfinden, alte Muster aufzubrechen und zu hinterfragen. Dabei wird er stets von der Neugier, der Leidenschaft und der Vielfalt seines Berufsfelds angetrieben. Auch deshalb hat sich Meyers Keller in den vergangenen Jahren von einem reinen Restaurant zu einem echten Erlebnis für die Sinne entwickelt. Neben dem Restaurant gibt es auf dem Gelände mittlerweile einen eigenen Laden. Dort werden nicht nur Lebensmittel angeboten, Kaiser und sein Team verkaufen hier auch Besteck, Gläser und Pfannen – alles Produkte, die sie selbst in ihrem Restaurant nutzen und für die Konsument*innen erfahrbar machen wollen. 

Bild: Foto Hirsch

Außerdem hat Jockl Kaiser im April 2022 seine neue Eventlocation „Der Malzboden“ eröffnet. Der Dachstuhl des Restaurants, der früher tatsächlich als Malzboden diente, beherbergt seitdem den eigens dafür hinzugefügten Anbau inklusive großer Showküche und Festsaal. Hier hat Kaiser die Möglichkeit, „Gastronomie ganz anders zu denken“. So finden hier künftig unter anderem Brunches, Kochkurse, Küchenpartys und der sogenannte Chefs Table statt. Die Idee dahinter: Essen von der Showküche direkt in den Mund. „Die Gäste können uns beim Kochen über die Schulter schauen, Fragen stellen und auch mal direkt aus der Pfanne probieren“, sagt der Restaurantbesitzer.

Mit Alexander Huber (Fernsehkoch und Inhaber des „Huberwirt“ in Pleiskirchen), Ludwig „Lucky“ Maurer (Wagyu-Züchter, Kochbuchautor, und Wirt im „Stoi“ in Rattenberg) und Anton Schmaus („Leibkoch“ der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft) kamen zur Eröffnung direkt drei echte Spitzenköche nach Nördlingen. Der Besuch zeigt, welch hohes Ansehen Jockl Kaiser in der Kochszene genießt. Mit ausschlaggebend ist dafür sein Engagement als Gründungsmitglied der Jeunes Restaurateurs d´Europe (JRE), einer Vereinigung junger Gastronom*innen mit einem gemeinsamen Ziel: Das Teilen von Talenten und die Liebe zum Essen unter Gleichgesinnten. Seit jeher legt der JRE deshalb großen Wert auf ein funktionierendes und freundschaftliches Netzwerk unter den Köch*innen Europas.

Flache Hierarchien und Mitsprachepflicht

Auch im eigenen Betrieb versucht Jockl diese Grundlagen umzusetzen und stets neue Wege zu gehen. Besonders wichtig ist ihm der Umgang mit seinen Mitarbeiter*innen. Deshalb hat er vor Jahren die Betriebsstruktur radikal geändert. Seitdem werden im Meyers Keller flache Hierarchien gelebt. „Unsere Mitarbeiter*innen haben nicht nur ein Mitspracherecht – sondern vielmehr eine Pflicht“, so Kaiser. Was er damit meint: „Wir versuchen ständig neue Impulse zu schaffen und unser Team in Entscheidungen einzubeziehen. Alles andere wäre nicht mehr zeitgemäß.“

Für den Spitzenkoch selbst sind 99 Prozent seines Berufs auch Freizeit und trotzdem weiß Kaiser, dass gerade die heranwachsende Generation viel Wert auf privaten Ausgleich und eine gelungene Work-Life-Balance legt. Auch deshalb rät er jungen Menschen, die ihre berufliche Zukunft in der Gastronomie sehen, sich im Vorfeld eindringlich mit dem Berufsfeld zu beschäftigen. Denn eins ist für Kaiser ganz klar: „Die Leidenschaft geil zu kochen muss einen wirklich bewegen, nur dann macht eine Zukunft als Koch oder Köchin wirklich Sinn.“